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King-Memorial made in China

Soll ein Chinese ein Denkmal für den schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King entwerfen? Diese Frage erhitzt die Gemüter in Washington. Bisweilen werden recht abwegige Argumente in die Debatte geworfen.

Von Gregor Peter Schmitz | 03.10.2007
    Wenige Dinge sind in Washington heiliger als die "National Mall", die prachtvolle Schneise quer durchs Zentrum der Hauptstadt, auf der die Republik sich selbst und ihre Helden feiert. Wer hier mit einem Monument geehrt werden soll, ist eine hochpolitische Entscheidung. Präsidenten sind das in der Regel wie Washington, Jefferson oder Lincoln. Alles alte weiße Männer - und genau zwischen die soll nun das Gedenken an einen schwarzen Mann treten: an Martin Luther King.

    Seit mehr als zehn Jahren ist das beschlossen, mittlerweile hat man sich wenigstens auf die Form geeinigt. Zwischen Jefferson- und Lincoln-Memorial sollen die Besucher der "Mall" künftig durch einen kleinen Park mit Inschriften aus Kings berühmtesten Reden schreiten. Am Ende des Parks stoßen sie dann laut Bauplan auf eine 28 Fuß hohe Statue des Bürgerrechtlers selbst. 100 Millionen Dollar wird der Komplex kosten, 82 davon sind schon beisammen. Erst vorige Woche fand in New York ein Konzert zum Spendensammeln statt, bei dem unter anderem Quincy Jones, Stevie Wonder und Aretha Franklin auftraten.

    Doch jetzt gibt es Streit um das geplante Monument, genauer um dessen Gestalter. Denn der Bildhauer der King-Statue heißt Lei Yixian und kommt aus China. Das hat eine gewisse Tradition auf der "Mall". Auch das mittlerweile hoch gelobte Denkmal für die Gefallenen des Vietnam-Krieges wurde von einer jungen Architekturstudentin mit asiatischen Vorfahren entworfen.

    Aber diese Personalie schlägt hohe Wellen, vielleicht weil die posthume Ehrung für King natürlich als Zeichen gedeutet wird, dass die schwarze Minderheit endlich im Olymp des weißen Amerikas angekommen ist, auch wenn die Statistiken zur wirtschaftlichen und sozialen Integration leider eine andere Sprache sprechen. Cheryl Fine, Professor an der Cornell University, sieht das so: Zum ersten Mal wird ein Platz im Herzen der Nation für einen schwarzen Mann freigeräumt. Klar, dass man sich dann Gedanken darum macht, wer das Monument gestalten darf.

    Im Klartext, welche Hautfarbe der Künstler hat. Dass auf der Martin-Luther-King-Statue quasi "Made in China" prangen wird, stößt vielen Mitgliedern der schwarzen US-Gemeinschaft übel auf. Ed Wright, ein schwarzer Bildhauer aus Denver, hat voriges Jahr Lei Yixian zwar noch mit ausgesucht. Aber nachdem er ihn ein paar Mal in seinem Atelier in China besucht hat, macht er sich große Sorgen. Laut Wright weiß der Chinese einfach nicht, wie schwarze Menschen sich bewegen, wie sie stehen, wie sie ihre Schultern halten. Und er mäkelt nun öffentlich an den ersten Entwürfen der Statue herum: Dr. Kings Kopf ist ihm zu weit zurückgelehnt, seine Kleidung nicht gut getroffen, seine Augen liegen zu tief in den Höhlen, sein Mund ist eingesunken.

    Nicht nur die Kritik an Yixians Arbeit, sondern auch an seiner Person wurde rasch sehr persönlich. Schon schwirren die ersten Anschuldigen herum, der Künstler habe Blut an den Händen, weil er wie allerdings viele seiner Kollegen in China einst Statuen von Diktator Mao gefertigt hat. Für Ann Lau, Vorsitzende einer Menschenrechtsorganisation, ist deshalb die Bestallung des Chinesen sogar vergleichbar mit einem Auftrag an Leni Riefenstahl, einen Film über den Holocaust-Überlebenden und Nazi-Jäger Simon Wiesenthal zu drehen.

    Nur ein Argument lässt sich kaum anführen, nämlich dass Yixian ein schlechter Bildhauer ist. Chinesische Bildhauerei ist längst ein Exportschlager geworden, schon weil der dortige Bauboom den Künstlern Aufträge in einem Umfang beschert, die in Europa oder den USA undenkbar sind. Schon mehr als 150 Monumente hat Yixian geschaffen. Und er nimmt seinen Auftrag sehr ernst, wie Yxian unlängst in einem Interview verriet. Monatelang hat er sich in die Reden und Schriften von Martin Luther King vertieft und kam zu dem Schluss: King war ein großer Mann, aber auch ein Mensch wie Du und ich. Eher kleingewachsen und in einer Menschenmenge nicht sofort herausragend. Aber wenn er seine Stimme erhob, sagt Yxian, dann konnte er Menschen sofort begeistern. Diese Eigenschaft soll die Statue widerspiegeln. Sie wird King mit gefalteten Armen zeigen, nachdenklich, einen Stift in der linken Hand. Sie soll, wünscht sich der chinesische Künstler, als Aufforderung dienen, dass nämlich Kings Mission in der Welt noch nicht erfüllt ist und wir alle uns anstrengen müssen, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen.

    Ob das die wütenden Stimmen in der schwarzen US-Gemeinschaft beruhigen wird? Kings Vermächtnis jedenfalls wird nun munter von Kritikern und Verteidigern Yixians herangezogen. Die Kritiker verweisen auf dessen flammende Reden für schwarze Integration, die eben nur ein schwarzer Künstler nachvollziehen kann. Die Verteidiger des Auftrags an den Chinesen können aber wohl auf den überzeugenderen King-Satz verweisen, nämlich, dass man Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe bewerten soll sondern nach ihrem Charakter.