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Kino und Kunst. Eine Liebesgeschichte

Kunst beeinflusst Kino. Kino beeinflusst Kunst. Für den Kunstjournalisten und Filmemacher Heinz – Peter Schwerfel ist die wechselseitige Beeinflussung von Kunst und Kino eine einzigartige Liebesgeschichte, der er ein opulentes Buch gewidmet hat. "Kino und Kunst. Eine Liebesgeschichte." Man kann es nutzen wie ein Lexikon, etwa unter Hitchcock oder Science Fiction nachschlagen. Aber Schwerfel hat mehr getan als ein kunsthistorisch – kinogeschichtliches Nachschlagewerk zu verfassen. Er hat es vorgezogen, ein spannendes Buch zu schreiben. Seine Kapitel hat er thematisch geordnet:

Simone Hamm | 07.08.2003
    Man hätte die Liebesgeschichte zwischen Kino und Kunst bestimmt auch chronologisch erzählen können. Ich habe eine Ordnung vorgenommen, die es mir erlaubt, zwischen Kino und Kunst hin – und herzuspringen, also so eine Art Ping – Pong Effekt. Das Buch funktioniert wie ein Film, indem es einen Anfang hat, der den Leser – fast hätte ich gesagt den Zuschauer - in ein Universum hineinziehen soll und hat mehrere Höhepunkte und ist nicht eine Chronologie, die mehr oder weniger linear vor sich hinplätschert.

    Schwerfel erzählt von Regisseuren, die stark von der Malerei beeinflusst worden sind. Die z.B. ihr Licht so zu setzen versuchen wie auf den Bildern alter Meister, Bildmotive nutzen usw.

    Es gibt Regisseure im Kinobereich, die bewusst in der Kunst geplündert haben und es gibt Regisseure, die sich unbewusst an Malerei und an malerischen Einflüssen orientieren, ohne dessen heute von ihrer Bildung her richtig bewusst zu sein.

    Bewusst geplündert hat Alfred Hitchcock. Er ist von der Malerei des 19. Jahrhunderts geprägt, kennt sich vor allem sehr gut in der symbolistischen Kunst und Malerei aus. So wie es von Kunst geprägte Regisseure gibt, gibt es Künstler, die vom Kino geprägt worden sind. Vor allem die der neuen amerikanischen Malerei, etwa Andy Warhol, Alex Katz oder David Reed.

    In den sechziger Jahren gab es zum ersten Mal mehr und mehr Maler, die sich ganz bewusst mit der Kunstgeschichte und der Kinogeschichte auseinander ausgesetzt haben. Damals hat ja Andy Warhol diesen Slogan kreeirt, von der high art und low art, die vermischt werden müssen. Also dass die trivialen Medien, die Massenmedien, wie eben angeblich das Kino und die high art, also die Malerei miteinander vermischt werden müssten.

    Ein anderes Kapitel in
    Kino und Kunst ist den Filmen gewidmet, die das Leben eines Malers zum Inhalt haben. Derzeit laufen recht erfolgreich "Frieda" oder "Pollock". Beschäftigen sich solche Filme wirklich mit Kunst oder wird einfach nur eine Geschichte erzählt, in der die Hauptperson eben ein Maler ist, die aber genauso gut ein Pianist oder ein Barkeeper oder eine Verkäuferin sein könnte?

    Lange hat man Biografien gedreht von großen Künstlern, van Gogh, Gaugin, in denen die Kunst eigentlich nur ein Vorwand war zur Darstellung von Mythen, von romantischen Figuren. Einzelgängern und zu diesen Einzelgängern gehörte eigentlich immer das Scheitern. D.h Maler, die gescheitert sind haben Hollywood immer mehr interessiert als Maler, die wirklich reüssiert haben. Ein gutes Beispiel ist Picasso, der in Hollywood nur vorkam im Zusammenhang mit seinen vielen Frauengeschichten. Die Kunst kam überhaupt nicht vor. Das ist dabei, sich zu ändern. Filme wie "Frida" oder "Pollock" versuchen heute seitens Hollywood sich ernsthafter mit der Malerei, der Kunst auseinanderzusetzten. Und nicht nur diese zu als Klischee zu benutzen.

    Für solche Filme gibt es europäische europäische Vorläufer, Derek Jarmans "Carravaggio" oder Peter Greenaways "The draftsman’s contract". Hier geht es nicht bloß darum, eine tragische Malerfigur vorzuführen.

    Derek Jarmans "Carravaggio" oder Peter Greenaways "Kontrakt des Zeichners", haben beide eigentlich so eine Art Pionierleistung vollbracht, indem sie schon in den achtziger und neunziger Jahren die bildende Kunst eigentlich selber in den Mittelpunkt des Films setzen. Es geht weniger um die Figur des Zeichners und es geht auch nur begrenzt um die Figur Carravaggios, sondern es geht um die visuelle Umsetzung eines malerischen Universums in ein filmisches Universum. Deshalb sind beide Filme auch so gelungen.

    Auch im Dokumentarfilm gibt es die Verbindung Kunst und Kino. Wer an Kino und Malerei, denkt, dem wird vor allem ein Film einfallen: Hans Namuths Film mit Jackson Pollock. Namuth zeigt einen besessenen Pollock bei der Arbeit. Und sein Film ist Kunst und die Pollocks Kunst wird zum Film:

    Auch das hat zu tun mit dem Verhältnis von Kunst und Film. Pollock hat sich von Hans Namuth filmen lassen und natürlich hat er im vollen Bewusstsein der Kamera agiert. Das heißt, er hat den Malakt selbst inszeniert vor der Kamera für die Kamera. Das ging so weit, dass er auf Glas malte.

    Der Regisseur Ed Harris, der einen Spielfilm über Pollock gedreht hat, greift den Dokumentarfilm natürlich auf.

    Das Interessante an dem Pollock Spielfilm von Ed Harris ist, dass er diese Dimension der inszenierten Dokumentation von Malerei einbezieht in eine fiktionale Geschichte. D. h. es gibt drei Ebenen, einmal den wahren Pollock, der sich fotografieren und filmen ließ, zum zweiten den Dokumentarfilm über Pollock, der nachgestellt wird und zum dritten geht es um die psychologische Gebrochenheit, dass sich ein Pollock durchaus bewusst war, dass er durch diese Selbstinszenierung vor der Kamera Namuths zum erstenmal ganz bewusst mit diesem Medium Öffentlichkeit spielte. Und das ist etwas, was auch sehr wichtig ist bei dieser Liebesgeschichte Kino und Kunst, dass sich beide Seiten immer beim anderen bedient hatten. Also diese Faszination geht in beide Richtungen.

    In Hollywood Regisseure gibt es etliche Regisseure, die selber malen. z.B. Robert Benton, David Lynch. Und es gibt Dennis Hopper, Weltstar seit Easy Rider.

    Dennis Hopper ist ein interessanter Fall deshalb, weil er bis heute zwischen Kunstszene und Filmszene hin – und herspringt. Er hat mir mal gesagt, dass immer, wenn es mit den Hollywoodfilmen schlecht ging wegen seines schwierigen Charakters, wegen seines zeitweise ja sehr üppigen Drogen und Alkoholkonsums, griff er wieder zur Kunst, zur bildenden Kunst. Da er heute als Schauspieler sehr populär ist, ist es auch wichtig, dass gerade so ein Hopper diesen Spagat zwischen Kino und Kunst verkörpern kann.

    Heute ist es selbstverständlich, dass das Kino in der Kunstszene hochgehalten wird. Viele Videokünstler erzählen bereits Kurzgeschichten, und bringen diese in die Museen.

    Ich glaube, dass die heutige Kunstszene dem Film gegenüber völlig offen ist, sogar eine Art Kniefall vor dem Film und vor dem Kino vollzieht. Es gibt Künstler, die ganz bewusst das Medium Film und die Narration des Kinos benutzen, nicht um Geschichten zu erzählen, sondern um sich auseinanderzusetzen mit dieser heutigen allgemeinen kulturellen Erscheinung des Films als wichtigster Sprache.

    In einem der spannendsten Kapitel von
    Kino und Kunst setzt sich Heinz – Peter Schwerfel mit dem Einfluss der Science Fiction Filme auf die Kunst und gleichzeitig der Kunst auf die Science Fiction Filme auseinander. Denn dort erfindet Hollywood nicht nur neue Bildwelten, sondern bedient sich gleichzeitig bestimmter künstlerischer Ideen und Konzepte, um die künstlichen Welten darzustellen. Hollywood hat die Technologie und die Mittel, Dinge umsetzten zu können, die Künstler meist nur andenken können. Jüngster Blockbuster dieses Genre ist "Matrix".

    "Matrix" ist ein Film, der ganz bewusst alles benutzt, was an Ideengeschichte, Kunstgeschichte, philosophischer Geschichte und Technologiegeschichte der letzten zehn Jahre erfunden und weiterentwickelt worden ist. Die Wachowski Brüder sind literarisch sehr gebildet und ich versuche in meinem Buch nachzuweisen, daß sie eben nicht nur Baudrillard zitieren und Virilio, sondern dass es auch Einflüsse gibt, die ein bißchen totgeschwiegen werden, deshalb zitiere ich die in Paris und Tel Aviv lebende Malerin und Psychotanalytikerin Bracha Lichtenberg Ettinger, die als erste schon schon sehr früh über Matrix, Metramorphus gesprochen hat und die eigentlich versucht, in ihrer Malerei dieses Matrix Universum als eine Art Stadium noch vor dem Entwickeln des Unterbewussten darzustellen. Und im Film gibt es Filme Szenen, die sehr präzise diese geistesgeschichtlichen und malerischen Arbeiten Lichtenberg - Ettingers aufgreifen ohne sie natürlich jemals zu zitieren.

    Die Wachowskies haben also nicht nur französische Philosophen und die griechische Mythen genau studiert. Sie haben sich auch die zeitgenössische Kunst genau angesehen. Hollywood schläft nicht.

    Für mich ist es bezeichnend, dass Hollywood durchaus als intelligente Fabrik industriell gefertigter Träume guckt, was in der Kunstszene passiert und immer auf dem laufenden ist, was an neuen Bildern und Formen dort entwickelt wird.