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Kirche gegen Kunst

Die katholische Kirche legt sich zurzeit mit dem italienischen Kulturministerium an: Die staatlichen Restauratoren in Rom sollen ihre von der Kurie angemieteten Räume verlassen - es gibt Gerüchte, ein kirchlicher Orden wolle dort ein Hotel eröffnen.

Von Thomas Migge |
    "Wir müssen immer wieder entscheiden, wie gravierend die Situation ist. Das ist nicht leicht, denn viele unserer Patienten litten monatelang unter den Folgen von Regen, Wind und auch Sonne. Sie sind zum Teil schwer mitgenommen. Fast immer geht es zuallererst darum, die Patienten einfach nur vor weiteren Zerstörungen zu bewahren, um sie dann später in Ruhe behandeln zu können."
    Die Patienten, von denen die Kunsthistorikerin und Restauratorin Geltrude di Matteo spricht, sind keine Menschen. Es handelt sich um Männer und Frauen, auch in wenigen Fällen um Kinder, die aus Holz, aus Marmor und Gips, aus Leinwand und Ölfarben sind. Kunstgegenstände, die während des verheerenden Erdbebens in der Nacht vom vierten auf den fünften April letzten Jahres zu Bruch kamen oder unter einstürzenden Dachstühlen und Wänden verschüttet und nur mühsam wieder ausgegraben wurden.

    Kurze Zeit nach dem Erdbeben wurde das archäologische Museum in Celano bei l'Aquila, der Hauptstadt der Region, von den Mitarbeitern des "Istituto Centrale del restauro", ICR, dem zentralen Restaurierungsinstitut in Rom, zum sogenannten "Krankenhaus der Kunst" ausgebaut: mit Lagerräumen, in denen die Patienten auf ihre Behandlungen warten. Die 20 Restauratoren sprechen auch von Operationssälen. In den meisten Fällen, erklärt Geltrude di Matteo, werden kopf- und armlose Madonnen, zerquetsche Heiligenskulpturen, zerbrochene Kruzifixe und zerrissene Ölbilder aus Kirchen und Abteien eingeliefert:
    "Uns geht es erst einmal darum, sie in Sicherheit zu bringen, sie keinen weiteren Gefahren mehr auszusetzen. Wenn sie hier bei uns in der Notaufnahme sind, können wir sie sofort behandeln, egal wie schwer die, sagen wir, Krankheit ist. Oft haben wir es mir echten Notfällen zu tun."
    Notfälle, auf die die Fachfrau und Hunderte ihrer Kollegen bestens vorbereitet sind. Das Zentrale Restaurierungsinstitut ICR, eine Einrichtung des Kulturministeriums, gilt als eine der weltweit qualifiziertesten Adressen zur Rettung von Kunst aller Art: vom antiken Fußbodenmosaik über mittelalterliche Madonnen, bis zu Gemälden von Caravaggio und Wandmalereien des Barock. Auch bei der Rettung historischer Monumente haben sich die Experten des ICR international einen Namen gemacht: beispielsweise bei der komplett von den Italienern organisierten Restaurierung des nach der Befreiung des Iraks von Sadam Hussein schwer mitgenommenen archäologischen Nationalmuseums in Bagdad.

    Doch das 1939 von dem Kunsthistoriker Cesare Brandi gegründete Institut mit Hauptsitz in Rom könnte bald schon auf der Straße stehen: Das würde nichts anderes bedeuten, als einen totalen Stopp aller Arbeiten, jedenfalls bis auf weiteres. Dazu die Restauratorin Elena Valzini:
    "Dieses Institut, das sich um die Rettung unserer Kulturgüter kümmert, ist zur Miete in einem barocken Kloster der Franziskaner an der Piazza San Pietro in Vincoli untergebracht. Die Mönche wollen das Gebäude jetzt für sich haben. Bis Ende Februar müssen wir hier raus. Das ist doch Wahnsinn. Vor allem weil wir hier seit vielen Jahrzehnten arbeiten."
    Das Kulturministerium bot den Mönchen eine Mieterhöhung um 250.000 Euro pro Jahr an, doch die frommen Männer lassen sich darauf nicht ein. Wie es heißt, drohen sie sogar mit einer Zwangsräumung, wenn die Restauratoren nicht pünktlich ausziehen. Doch wie soll das geschehen? Allein der Umzug des Fotoarchivs mit rund 200.000 Bildern erfordert Zeit. Ebenso der Transport anderer Archive und aller technischen Geräte.

    Die Mönche verkündeten den Restauratoren vor einem Monat, dass sie Ende Februar das Gebäude verlassen müssen. Wie soll in so kurzer Zeit eine neue und sachgerechte Unterkunft gefunden werden? Auch der Vorschlag, dem Institut doch mindestens zwei Jahre Zeit zu geben, wurde abgeschlagen. In dieser Zeit hätte ein Umzug, zum Beispiel in die barocke Anlage von San Michele, ein ehemaliges Waisenheim aus dem 18. Jahrhundert, organisiert werden. Die Restauratoren waren sich sicher, dass die Mönche auf diese Vorschläge eingehen – und so wurde nichts für einen eventuellen Schnellauszug vorbereitet.

    Der römische Kunsthistoriker Francesco de Maio hat eine These, warum sich die Mönche nicht eine weitere Vermietung einlassen:
    "Dass die Mönche sich jetzt nicht umstimmen lassen, wird seinen Grund darin haben, dass sie ihr in der Nähe des Kolosseums und im historischen Stadtzentrum gelegenes Kloster in ein Hotel umwandeln wollen. Gegen die mächtige Kirche ankommen zu wollen ist aussichtslos."
    Die Hypothese mit dem Hotel am Ort des Restaurierungsinstituts ist alles andere als abwegig. Dutzende von klostereigenen Gebäuden sind in den letzten Jahren in Rom zu Hotels geworden – vor allem seit der Staat sich dazu entschied, dass Unterkünfte von religiösen Orden keine Grundbesitzerabgaben zahlen müssen.