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Kirche im Umbruch

"Kirche der Freiheit" lautet der Titel einer Reformschrift der Perspektivkommission des Rates der EKD, die den Protestantismus in Deutschland von Grund auf neu ordnen will. Besonders der Vorschlag einer neuen Gebietsordnung der evangelischen Kirche wird seit Monaten heftig diskutiert. Aus 23 Landeskirchen sollen acht bis zwölf werden. Dagegen regt sich Protest.

Von Sebastian Engelbrecht | 07.10.2006
    "Dass ein Bollwerk da sei für die Güter unseres christlichen Glaubens, dass unsere Kinder ihres christlichen Glaubens froh und ruhig leben können, wie es unsere Väter gekonnt haben, dass eine Mauer steht, die die christliche Kultur des Abendlandes schirme, nachdem kein Staat sie mehr schirmen will - dafür brauchen wir eine Kirche!"
    Mit neuem Selbstbewusstsein reagierte der brandenburgische Generalsuperintendent Otto Dibelius im Jahr 1926 auf die Krise der Kirche nach dem Ende der preußischen Monarchie. "Das Jahrhundert der Kirche" nannte Dibelius, einer der wichtigsten evangelischen Kirchenführer seiner Zeit, seine programmatische, viel diskutierte Schrift. Dibelius versuchte, der Kirche in ihrer Identitätskrise den Weg zu weisen. Ein Aufbruch in die Selbstgewissheit.
    Ähnlich besinnt sich die evangelische Kirche heute und wappnet sich für das neue Jahrhundert. Bischof Wolfgang Huber, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem wohlmeinende Kritiker einen "dibelianischen Stil" bescheinigen, formulierte das Programm in einem Satz:

    "Wir wollen eine missionarische Kirche im 21. Jahrhundert sein."
    Als Vorsitzender einer Perspektivkommission des Rates der EKD ruft nun die Führungsfigur Huber die Kirche in der Identitätskrise zum Aufbruch. "Kirche der Freiheit" lautet der Titel einer 108 Seiten starken Schrift der Kommission, die den Protestantismus in Deutschland von Grund auf neu ordnen will.
    Mit zwölf "Leuchtfeuern" will das Papier den Weg weisen weg von Selbstzweifel, "Selbstsäkularisierung" und organisatorischer Zersplitterung - hin zur "Konzentration auf den Kernauftrag", zur "Erkennbarkeit der Kirche" und zu einer neuen, übersichtlichen Landkarte des deutschen Protestantismus. Der Vorschlag einer Neuordnung der evangelischen Kirche, nur einer von zwölf Punkten der Reformschrift, wird seit Monaten besonders heftig diskutiert. Aus 23 Landeskirchen sollen acht bis zwölf werden. Ihre neuen Grenzen sollen sich an denen der Bundesländer orientieren, und jede Landeskirche soll mindestens eine Million Mitglieder haben. Ein Paukenschlag aus Hannover, dem Sitz der EKD-Verwaltung. Vor allem in den Leitungen der kleinen Landeskirchen wie Braunschweig, Anhalt und der Pfalz sorgte der Vorschlag für Unruhe. Oberkirchenrat Thies Gundlach, Geschäftsführer der Perspektivkommission, verteidigt die Reform:

    "Es tut uns gut und fördert die Verkündigung des Evangeliums, wenn wir nicht so hohe Strukturkosten haben und eine so ausdifferenzierte Zahl von Landeskirchen, sondern das etwas konzentrieren, weil wir gerade vor Ort, dicht dran bei den Menschen sein wollen und nicht zu viel Energie und Kraft in diese innere Verwaltung stecken wollen. So ist der Gedankengang."
    Ein revolutionärer Vorstoß. Denn die Landkarte der evangelischen Kirchen geht immer noch weitgehend auf die Grenzen zurück, auf die sich die europäischen Großmächte beim Wiener Kongress im Jahr 1815 einigten. So existieren frühere Fürsten- oder Herzogtümer bis heute als eigenständige Landeskirchen weiter: zum Beispiel Lippe, Schaumburg-Lippe, Kurhessen-Waldeck oder Oldenburg. In der Mitte Deutschlands bilden die Kirchen von Thüringen, der Kirchenprovinz Sachsen, Braunschweig und Anhalt einen unüberschaubaren Flickenteppich.
    Der leitende Geistliche der Evangelischen Landekirche Anhalts, Kirchenpräsident Helge Klassohn, verteidigt die überkommene Struktur:

    "Der deutsche Protestantismus definiert sich strukturell lokal und regional. Das ist, glaube ich, auch eine Chance, denn wir müssen den Menschen möglichst nahe sein. Menschen wohnen an einem bestimmten Ort, und sie arbeiten an einem bestimmten Ort. Und wir müssen ihnen mit dem Evangelium an diesen Arbeits- und Lebensorten präsent sein."
    Jede der Landeskirchen hat eine Verfassung mit der üblichen Gewaltenteilung zwischen Synode, also Kirchenparlament, Kirchenleitung, Landeskirchenamt und Bischof. Die EKD in Hannover ist bis heute nicht mehr als ein Dachverband der Landeskirchen. Die Macht sitzt in den Provinzen. Der Dachverband in Hannover schlägt nun der Mehrheit seiner Mitgliedskirchen nicht weniger vor, als sich in der bestehenden Form aufzulösen. Das Ziel:

    Eine schlanke Verwaltung, im Kirchenamtsdeutsch "eine annähernd gleichstarke kirchenleitende Dienstleistung für alle Regionen". Die Perspektivkommission des Rates der EKD schlägt die radikale Neuordnung auch deshalb vor, weil die evangelischen Kirchen nach wie vor dramatisch Mitglieder verlieren. Allein zwischen 1991 und 2001, innerhalb von zehn Jahren, sank die Zahl der Protestanten um 2,75 Millionen. Heute zählen sich noch 25,6 Millionen Deutsche zu einer der evangelischen Kirchen. Die müssen jetzt handeln, um den Trend aufzuhalten. Nach einer EKD-Prognose wird es im Jahr 2030 nur noch 17 Millionen Protestanten in Deutschland geben, wenn die Kirche nicht die grundlegenden Reformen auf den Weg bringt.
    Der Ratsvorsitzende Huber sieht jetzt die Möglichkeit, den Rückgang der Mitgliederzahlen aufzuhalten. "Wachsen gegen den Trend" lautet seine Devise:

    "Das ist eine Folge der demographischen Entwicklung, in der wir in Deutschland stehen, aber das ist überhaupt nicht die Hauptbotschaft unseres Papiers. Sondern das andere ist genauso richtig: Wir haben ein neues Interesse an Religion, eine neue Aufmerksamkeit für den Auftrag der Kirche, und es kommt darauf an, dass wir uns als Kirche auf diesen Kernauftrag auch auf neue Weise konzentrieren. Insofern steht beides nebeneinander: Eine nüchterne Einschätzung derjenigen Prognosen, die sich aus der demographischen Entwicklung in Deutschland ergeben, und eine Bereitschaft, als Kirche deutlich erkennbar zu sein in dieser Gesellschaft."
    Huber fordert einen "Paradigmen- und Mentalitätswechsel" bei den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitgliedern der Kirche. Die Rahmenbedingungen hält er für günstig. Intern sei sich der deutsche Protestantismus "in wesentlichen Kernpunkten" einig. In der Gesellschaft sei ein neues Interesse an religiösen Themen und eine Sehnsucht nach religiöser Identität zu beobachten. Huber und die Perspektivkommission wollen die kollektive Kraftanstrengung auch deshalb, weil sie befürchten, ökonomisch handlungsunfähig zu werden:

    "Bei der Fortführung des bisherigen Handelns und Wirkens treibt die Kirche schon in wenigen Jahren auf eine Situation zu, in der das hochexplosive Gemisch aus Versorgungskosten, Teuerungsrate und schrumpfenden Einnahmen zur faktischen Gestaltungsunfähigkeit führt."
    Diesem Szenario setzt der Rat der EKD eine ehrgeizige Alternativ-Vision entgegen: Die Zahl der Pfarrstellen wird von 21.000 auf 16.500 im Jahr 2030 reduziert. Zugleich wird in eine bessere Ausbildung der Pfarrer investiert. Auf ihre "geistlich-missionarische Kompetenz" wird künftig besonderer Wert gelegt. Ehrenamtliche Prädikanten, also Laienprediger, sollen die Einsparungen bei den Pfarrern ausgleichen.
    Durch Investitionen in "zukunftsverheißende Arbeitsgebiete" will die EKD-Kommission die Zahl der Mitglieder - gegen den Schrumpfungstrend - konstant halten. So soll der "erhebliche Marktverlust im Bereich des Kerngeschäfts" aufgehalten werden.

    Im Jahr 2030 sollen nach dem Willen der Perspektivkommission zehn Prozent der Kirchenmitglieder am Sonntag in den Gottesdienst gehen - nicht mehr nur vier Prozent wie heute. Die "Taufquote" soll "signifikant erhöht" werden. Außerdem strebt der Rat der EKD eine "Trauquote" von 100 Prozent an.

    Diese Ziele, zum großen Teil auch die vorgeschlagenen Reforminstrumente, rufen bei den Landeskirchen Applaus hervor. Aber der Plan, die Kirchengrenzen neu zu ziehen, stößt auf einen Chor der Ablehnung - etwa im Dessauer Landeskirchenamt. Hier wird die mit 55.000 Mitgliedern kleinste Landeskirche in der EKD verwaltet. Kirchenpräsident Klassohn besteht auf der Eigenständigkeit seiner Kirche:

    "Wir haben bis jetzt nur nicht sehen können, was sozusagen jetzt die Verbesserung der Situation von Zeugnis und Dienst in der Wahrnehmung der Menschen sein könnte durch so eine Selbstaufgabe der evangelischen Landeskirche Anhalts. Diese Region gibt es in dieser Gestalt seit 800 Jahren, und die Landeskirche ist eine reformatorische Kirche, die völlig unabhängig seit 1578 lebt und arbeitet. Dass sie so viele Verluste hat hinnehmen müssen, das sind Folgen zweier totalitärer antichristlicher Parteidiktaturen. Wir müssen sehen, dass wir jetzt die missionarische Herausforderung annehmen und sie begreifen. Das ist mein besonderes Anliegen."
    In Klassohns Kritik stimmt auch der reformierte Kirchenpräsident mit Sitz im ostfriesischen Leer, Jann Schmidt, ein. "Gewachsene Traditionen und Konfessionen" innerhalb des evangelischen Glaubensspektrums von lutherisch über uniert bis calvinistisch-reformiert dürften "nicht beiseite geschoben werden". Es sei auch nicht bewiesen, dass große Kirchen "kostengünstiger als kleine" arbeiten könnten. Ähnlich meint Helge Klassohn:

    "Wenn wir die Menschen mit unserem Zeugnis und Dienst erreichen wollen in einer ausgesprochen missionarischen Situation und einer großen Herausforderung, dann brauchen wir die Nähe zu ihnen. Ich empfinde es als verheißungsvoll, dass wir diese Nähe durch unsere Struktur, durch unsere unaufwendige Verwaltung, denn unser kleines Landeskirchenamt hat ganz wenig Leute, das ist kein Riesenapparat, sondern das sind 23 Menschen, die die ganze Arbeit hier tun - das ist schon, glaube ich, ganz nüchtern gesehen, eine unaufwendige Arbeit."
    Wie Klassohn im Osten stellt sich im Westen der Bischof von Schaumburg-Lippe, Jürgen Johannesdotter, gegen die Abwicklung seiner Kirche, der zweitkleinsten in Deutschland. Johannesdotter erklärt, seine Kirche empfinde sich nicht als "Übernahmekandidat". Schärfer noch entgegnet der Braunschweiger Bischof Friedrich Weber, die Orientierung an der Zahl der Bundesländer sei "sachfremd". - Ein Argument, das auch unabhängige Beobachter gegen die Reformpläne aus Hannover anführen. Heike Schmoll, Theologin und Redakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, hält Grenzziehungen für zweitrangig:

    "Entscheidend ist doch, dass die Kirche weiter ihre Aufgaben wahrnehmen kann. Das ist belanglos, wie die landeskirchlichen Grenzen gezogen werden. Das sind ja alles noch landeskirchliche Grenzen, die letzten Endes aus dem Wiener Kongress herrühren. Wenn man da jetzt was verändert, allerdings natürlich mit dem Einverständnis der Beteiligten, dann halt' ich das nicht für eine Katastrophe. Für eine viel größere Katastrophe halte ich, dass wirklich die reformatorischen Grundlagen in diesem Papier mir zu wenig vorkommen."
    Und so lässt die Bremische Evangelische Kirche verlauten, sie halte sich für strukturell und ökonomisch eigenständig lebensfähig. Der Kirchenpräsident der pfälzischen Kirche, Eberhard Cherdron, argumentiert, die Behauptung, eine Landeskirche sei erst bei über einer Million Mitgliedern lebensfähig, sei "nicht haltbar". Auch aus den größeren Landeskirchen wie Bayern, Baden und Württemberg, kam nicht nur Zustimmung. Der württembergische Bischof Otfried July lehnt eine Fusion mit der badischen Nachbarkirche ab. Das Perspektivpapier der EKD vernachlässige die regionalen Unterschiede zu sehr.
    Der Ratsvorsitzende Huber hält der Kritik unverdrossen entgegen, es gehe nicht darum, die Vielfalt zum Schweigen zu bringen, sondern darum, die Vielfalt zu bündeln. Die Bündelung sei notwendig, weil "Menschen sich heute viel stärker mit ihrer evangelischen Kirche" identifizierten "als mit regionalen Ausprägungen":

    "Wenn man an bestimmten Stellen neue Initiativen ergreifen will in einer Zeit, in der nicht, wie in den 60er und 70er Jahren, mit finanziellem Wachstum gerechnet werden kann, dann muss man an anderen Stellen sogar überproportional zurückgehen, sei es in den Arbeitsfeldern selbst, sei es in der Art ihrer Finanzierung. Insofern ist die Hauptfrage: Wo wollen wir denn stärker investieren? Und da sind so wichtige Themen zu nennen wie Gottesdienst, wie Amtshandlungen, wie Kirchenmusik, wie Bildung und wie natürlich Diakonie. Ausdifferenzierte Arbeitsfelder für ganz spezifische Zielgruppen mit großem, auch beruflichem Aufwand, beispielsweise für Frauen und für Männer getrennt, für Kinder und für Alte getrennt, das wird in stärker geschlechterverbindenden und generationsverbindenden Angeboten zusammengeführt werden."
    Huber und seiner Perspektivkommission geht es also um mehr als nur um eine übersichtlichere föderale Struktur des Protestantismus. In ihren zwölf "Leuchtfeuern" organisieren sie auch das kirchliche Leben auf der Ebene der Gemeinde und des Kirchenkreises neu. Die Visionäre der EKD wollen künftig weniger in die flächendeckende Versorgung mit Kirchengemeinden und Pfarrern investieren. Stattdessen sollen so genannte "Profilgemeinden" gefördert werden, also Citykirchen, Jugend- oder Kulturkirchen. Bei der Expertin Heike Schmoll trifft auch dieser Teil des Konzepts aufs Skepsis. Sie hält die flächendeckende Versorgung mit Gemeinden nach wie vor für zentral:

    "Ich glaube, dass die Kirche sonst keine Chance mehr hat, denn das Entscheidende, die kirchliche Sozialisation der Kinder und Jugendlichen, klappt sonst nicht. Also das entscheidende sind doch die Bildungsaufgaben: Der Kindergarten, der Kindergottesdienst, der Grundschulunterricht. Wenn all das nicht mehr durch die Ortsgemeinde oder ortsgemeindenah geleistet wird, dann ist das sehr, sehr schwierig, Kinder mit dem Christentum vertraut zu machen. Und was dabei herauskommt, wenn ganze Generationen ohne religiöse Sozialisation aufwachsen - das kann man ja an der heutigen DDR hervorragend studieren."
    Fünf "Dienstleistungszentren" sollen sich künftig um das Kirchen-Management, Personalabrechnung, Kirchensteuern und die Spendenbeschaffung kümmern. In mindestens zehn "Kompetenzzentren" soll diskutiert werden: über Gottesdienst, Predigt und Kirchenmusik, interreligiösen Dialog, Mission, Konfirmandenunterricht und so weiter. Bei der Pfarrerausbildung sollen die Kirchen künftig mehr auf die Qualität achten. Peter Barrenstein, Mitglied der EKD-Kommission und Direktor der Unternehmensberatung McKinsey, nennt diese neue Ausrichtung "revolutionär", insbesondere das Vorhaben, die Aufwendungen der Kirche für Fort- und Weiterbildung massiv zu erhöhen.
    Die Mitarbeit des McKinsey-Managers ist der Reformstudie anzumerken - in der Wortwahl wie auch in der Ausrichtung auf Wirtschaftlichkeit und Effektivität. Auch daran stößt sich Kirchenpräsident Klassohn:

    "Ich habe den Eindruck, dass auch unter dem Einfluss von Organisationsentwicklungstheorien, von Beratungen aus dem wirtschaftlichen Bereich, dass da dann also die Strukturfragen also sehr wichtig werden - währenddessen eigentlich die evangelische Kirche davon lebt, dass gerade inhaltliche Fragen bewegend sind, gerade Glaubensfragen, Bekenntnisfragen anstößig sind und Menschen vorwärts bringen und zur Entscheidung bringen. Der Protestant hat den Impuls, wenn er das Wort Gottes hört, dass er dann sozusagen zu bestimmten Entscheidungen kommt. Und der Protestant fragt nicht zuerst nach der Kirche, sondern er fragt zunächst erst einmal nach der Christusnachfolge und nach dem Glaubensgrund. Ich denke mir, dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht uninteressant werden, indem wir uns so sehr mit uns selbst beschäftigen."
    Kritischen Beobachtern der evangelischen Kirche fehlt heute die öffentliche Präsenz der Kirche in Fragen, die die Gesellschaft bewegen - wie etwa in den 60er Jahren die so genannte "Ostdenkschrift" zur Versöhnung mit den Völkern Osteuropas, in den 70er Jahren die Kontakte führender Geistlicher zu den Terroristen der "Roten Armee Fraktion", in den 80er Jahren das kirchliche Engagement gegen Atomwaffen in Ost und West und 1989 die friedliche Revolution in der DDR, die ohne die evangelischen Kirchen undenkbar gewesen wäre. Heute dagegen blickt die Kirche vor allem auf sich, reflektiert ihre Strukturen, ihr Erscheinungsbild, ihre Interessen in Staat und Gesellschaft.
    Schmoll: "Es gibt eine Form einer schleichenden Selbstghettoisierung, die ich auf Dauer für ruinös halte."
    Heike Schmoll, Leitartiklerin bei der Frankfurter Allgemeinen FAZ, vermisst in dem Perspektivpapier der EKD die theologische Erneuerung der Kirche:

    "Ich erkenne nicht, wo der missionarische Aufbruch sein sollte, auch wenn der Ratsvorsitzende davon redet. Es wird immer alles als missionarisch verkauft. Ich halte auch das Ziel, auf die Weise mehr Leute gewinnen zu wollen, für völlig illusorisch. Man kann nur Leute gewinnen, wenn man sehr, sehr gut ausgebildete Pfarrer hat, stattdessen aber will man die Hauptamtlichen zunehmend durch Prädikanten ersetzen. Ich halte den missionarischen Aufbruch bei diesem Papier für überhaupt nicht gegeben. Man will möglichst größere Kirchen haben, man will mehr Landeskirchen zusammenlegen. Es geht um die Vermeidung von Doppelstrukturen, von Doppelaufgaben. Das ist zum Teil berechtigt, aber zum Teil in der Realität nicht machbar."
    Aus Schmolls Sicht kommen zwei im Protestantismus traditionell starke Institutionen in den Reformplänen nicht genügend vor: Die kritischen Instanzen der theologischen Fakultäten und der Synoden:

    "Normalerweise war ja die evangelische Kirche nun wirklich eine, die von ihren Synoden geleitet wurde. Und das ist ja auch qua Verfassung, qua Bekenntnisschriften so. In Wirklichkeit sind die Synoden inzwischen Quatschbuden geworden, die mit relativ belanglosen Dingen abgespeist werden, während die entscheidenden Dinge in der Kirchenkonferenz und im Kirchenamt bereits entschieden wurden."