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Kirche und Kunst - eine schwierige Beziehung

Der Vatikan sucht den Dialog mit der Kunstwelt und wird erstmals mit einem Pavillon zum Thema Schöpfung auf der Biennale vertreten sein. Gestaltet haben ihn der tschechische Fotograf Josef Koudelka, der australische Maler Lawrence Carroll und die italienischen Videokünstler des Mailänder Studio Azzurro.

Von Sabine Radermacher | 24.05.2013
    Der Vatikan sucht den Dialog mit der Kunstwelt und wird erstmals mit einem Pavillon zum Thema Schöpfung in auf der Kunstbiennale vertreten sein. Gestaltet haben ihn der tschechische Fotograf Josef Koudelka, der australische Maler Lawrence Carroll und die italienischen Videokünstler des Mailänder Studio Azzurro. Das Thema: Schöpfung.

    Die katholische Kirche sucht den Dialog mit der Kunstwelt von heute. Den Pavillon haben der tschechische Fotograf Josef Koudelka, der australische Maler Lawrence Carroll und die italienischen Videokünstler des Mailänder Studio Azzurro gestaltet. Das Thema: Schöpfung.

    Der Vatikan und die Künste - über Jahrhunderte eine oft schwierige aber doch ungeheuer kreative Beziehung, die eine Fülle großartiger Schöpfungen hervorgebracht hat. Doch inzwischen ist das Verhältnis abgekühlt. Im 20. Jahrhundert stießen Initiativen, wie die 1973 von Papst Paul VI. gegründete Sammlung für zeitgenössische Kunst innerhalb der Vatikanischen Museen, die heute immerhin 8000 Objekte umfasst, bei Spitzenkünstlern nur auf mäßiges Interesse. Auch ein Brief von Johannes Paul II. an die Künstler zum Heiligen Jahr 2000 blieb letztlich ohne nennenswerte Resonanz. Darin hat der Vatikan den Wunsch geäußert, die Kunstwelt möge sich wieder konstruktiv mit der Religion auseinandersetzen. Tatsächlich liegt die Ursache für die Entfremdung aber auf beiden Seiten, konstatiert Kardinal Ravasi.

    "Die Kunst ist ihre eigenen Wege gegangen und hat ihre Ausdrucksmöglichkeiten gefunden. Manchmal hat sie noch auf religiöse Symbole oder Themen geschielt, aber meist in provozierender Weise, teilweise sogar blasphemisch. Auf der anderen Seite hat die Kirche sich in Schemata zurückgezogen, die entweder die Vergangenheit reproduzierten oder wenig aussagekräftig waren, bestenfalls auf dem Niveau von religiösem Kunsthandwerk."

    Gianfranco Ravasi, 2007 von Benedikt XVI. zum Präsident des päpstlichen Rates "für Kultur und für die Nichtglaubenden" ernannt, hat seitdem eine ganze Reihe von Initiativen im Bereich von Musik und bildender Kunst lanciert: 2009 lud Benedikt 250 internationale Künstler in die Sixtinische Kapelle ein, 2011 gab es eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst zum 60-jährigen Priesterjubiläum Benedikts im Vatikan. Der internationale Kompositionswettbewerb für liturgischen Musik "Premio Siciliani" wurde 2012 zum ersten Mal ausgetragen.

    Was unterscheidet die Biennale-Teilnahme des Vatikans von anderen römischen Initiativen? Francesco Buranelli, der ehemalige Direktor der Vatikanischen Museen, ist als Sekretär des Päpstlichen Kulturrates Ideengeber und Mitglied der künstlerischen Kommission:

    "Die Biennale von Venedig ist ein Ort des Dialogs mit den Künstlern und jenen, die zeitgenössische Kunst verfolgen. Wir gehen nach Venedig, um ganz konkret dort wieder anzuknüpfen, was Paul VI. gelehrt hat: von der Kanzel herab zu predigen ist eine Sache, sich mit den anderen Nationen auf eine Stufe zu stellen und sich mit ihnen zu messen, mit ihren Pavillons und eine gemeinsame Sprache zu finden, ist etwas ganz anderes. Ich will einen Begriff aus dem Fußball verwenden: 'Wir lassen uns aufstellen', und zwar zusammen mit all den anderen Realitäten, die in der zeitgenössischen Kunst existieren. Bei der Biennale von Venedig wird über die Kunst von morgen diskutiert, nicht über die von gestern und auch nicht über die von heute."

    Die konzeptionelle Grundlage zum Vatikan-Pavillon liefert die Bibel: Die ersten elf Kapitel der Genesis eignen sich, so Gianfranco Ravasi, ganz besonders für das Grundanliegen des Vatikans:

    "Sie sind nicht nur der absolute Beginn der Heiligen Schriften, sondern stellen auch den absoluten Anfang der Menschheit dar. Den Anfang von allem, und darin ist bereits alles enthalten, was unsere spätere Geschichte bestimmen wird. Wir haben sie in drei Bewegungsabschnitte unterteilt: die Schöpfung - gleich im Anschluss daran die Tragödie der Entschöpfung oder Zerstörung: Kain und Abel, die Ursünde, die Sintflut. Aber Religionen enden nicht im Nichts, im Abgrund der Stille, sondern mit einem Sonnenaufgang, der Neuschöpfung. Und die drei Künstler, die ausgewählt wurden, werden je einen der drei Bewegungsabschnitte behandeln."

    Der tschechische Fotograf Josef Koudelka, der australische Maler Lawrence Carroll und die italienischen Videokünstler des Mailänder Studio Azzurro haben den Pavillon gestaltet. Micol Forti, die Leiterin der zeitgenössischen Sammlung der Vatikanischen Museen:

    "Das Thema der Genesis hat schon zu einer Art natürlichen Auslese bei den Künstlern geführt. Die zeitgenössische Kunst ist voller großartiger Künstler, deren Interesse von dieser Art von Problematik jedoch meilenweit entfern ist. Für dieses Jahr haben wir uns entschlossen, nur wenigen Künstlern viel Raum zu bieten für Werke, die dem Zuschauer bei der Betrachtung Zeit geben."

    Kritiker empfinden diesen intellektuell-theologischen Ansatz als Anachronismus, als weltfremd und auch als wenig geeignet für das neue Pontifikat unter Papst Franziskus.

    Neben künstlerischen und religiösen Bedenken ist das Hauptargument der Kritiker der Preis des Pavillons. Offiziell gibt der Vatikan die Gesamtkosten mit 700 000 Euro an. Doch auch Zahlen von mehreren Millionen Euro kursieren. Getragen werden sie, so der Vatikan, komplett von Sponsoren, darunter ein italienischer Mineralölkonzern und eine italienische Bank. Kulturrat-Sekretär Buranelli hält kirchliche Initiativen, wie nun in Venedig trotz der Kosten für sinnvoll und ethisch berechtigt:

    "Das Hauptaugenmerk der Kirche muss selbstverständlich auf der menschlichen Solidarität und der Fürsorge für Arme und Bedürftige liegen. Aber wir leben nun einmal in einer Gesellschaft, vor allem hier in Europa, die auch eine Kirche benötigt, die mit kulturellen, institutionellen, politischen oder sozialen Realitäten in Dialog zu treten vermag. Und die Kunst ist eine solche universale Sprache, die alle verstehen. Die Kirche muss sich an alle wenden, und die Präsenz einer Kirche, die sich wieder der künstlerischen Sprache unserer Zeit bemächtigt und sich ihrer bedient, bedeutet eine lebendige Kirche, eine Kirche, die in allen sozialen Bereichen präsent ist."

    Am 1. Juni wird die 55. Kunstbiennale von Venedig eröffnet. Erst dann wird sich zeigen, ob der Pavillon des Vatikans die Hoffnungen seiner Initiatoren erfüllt. Gianfranco Ravasi will vor weiteren Initiativen in der Zukunft erst einmal die Reaktion des neuen Papstes aus Argentinien abwarten.

    "Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich weiß nicht, was die Zukunft bringen wird. Denn vor allem will ich dazu die Meinung von Papst Franziskus einholen, und ihm überhaupt einmal diesen Pavillon vorstellen. Diese Initiative wurde ja unter dem Pontifikat von Benedikt XVI. geboren und natürlich unter Papst Franziskus abgeschlossen. Ich werde ihn bei Gelegenheit fragen, ob er das weiterführen will."

    Übrigens: Ein weiteres Biennale-Debüt-Land, dessen Pavillon lange vorab gleich neben dem des Vatikans positioniert wurde, ist Argentinien.