"Das Verwaltungsgericht hat bestätigt, dass die Klägerin für die Veranlagungszeiträume 2012 und 2013 zur Entrichtung der Kirchensteuer herangezogen wurde", sagt der stellvertretende Pressesprecher des Berliner Verwaltungsgerichtes, Dominic Hörauf. Nun ist es amtlich. Wer getauft ist und nicht ausdrücklich austritt, ist Kirchenmitglied. Und das war der konkrete Fall: Eine Frau wurde in der DDR laut Taufregister der Evangelischen Gemeinde Bitterfeld zwei Monate nach ihrer Geburt 1953 evangelisch getauft. Ihre Eltern traten wenige Jahre später aus der Kirche aus.
Eintrag im Taufregister
Die Klägerin dachte, das gälte auch für sie. Eines Tages zog sie nach Berlin und ließ sich ummelden. Irgendwann bekam sie von der Kirchensteuerstelle beim Finanzamt Prenzlauer Berg einen Fragebogen zugesandt. Sie füllte ihn aus und gab darauf an, nicht getauft zu sein. Die Kirchensteuerstelle wusste dank Bitterfelder Taufregister mehr und schickte für zwei Kalenderjahre Kirchensteuerforderungen über fast je 1000 Euro.
"Sie selber war der Meinung, dass sie durch den Austritt ihrer Eltern wenige Jahre nach ihrer Taufe auch mit ausgetreten ist. Die Kammer ist dem nicht gefolgt", erklärt Hörauf.
Die heute 66-Jährige ist im Gerichtssaal nicht anwesend – wie häufig bei Verwaltungsgerichtsverfahren. Sie wird vom kirchenkritischen Institut für Weltanschauungsrecht ifw und dessen Kölner Rechtsanwalt Eberhard Reinecke vertreten.
Er sagt: "Jeder normale Mensch, jede normale Vereinigung würde sich schämen, wenn man eine Situation hätte, wenn jemand ist, der zwar mal getauft worden ist, aber sein ganzes weiteres Leben gegen die Kirche gelebt hat, zur Jugendweihe gegangen ist, keinerlei kirchliche Riten gehabt hat, und jetzt kommt die Kirche und sagt: Hach, Du bist aber unser Mitglied. Es interessiert nicht, ob sie gläubig ist oder nicht. Es interessiert nur das Geld. Mit solchen bürokratischen Mätzchen wird sie sich keine Freunde machen."
"Datenschutzproblem"
Der Philosoph Michael Schmidt-Salomon unterstützt ebenfalls die Klägerin. Auch er gehört zu den Kirchenkritikern im Institut für Weltanschauungsrecht.
Vor dem Gerichtssaal sagte er: "Es ist absolut nicht einsehbar, warum die Adressen und auch die Daten der Kinder von konfessionsfreien Menschen in Deutschland an eine Kirchensteuerstelle weiter gereicht werden sollen."
Doch auch das sei rechtens, sagt Dominic Hörauf vom Berliner Verwaltungsgericht.
"Die Kirche hat vorgetragen, dass es eine Berechtigung gibt für die Kirchensteuerstelle beim Finanzamt, dass es eine Rechtsgrundlage gibt, dass die Erhebung der Daten durch Fragebögen nicht zu beanstanden sei. Dem ist die Kammer letzlich gefolgt."
"Keine Rasterfahndung"
Setzt nun also eine gezielte Rasterfahndung nach all denen ein, die als Säuglinge getauft wurden und so Kirchenmitglieder sind, davon aber gar nichts wissen? Der Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, kurz EKBO, Jörg Antoine:
"Nein das ist Quatsch. Es gibt keine Rasterfahndung bei uns. Es gibt auch kein systematisches Aufspüren. Es sind eher Zufälle, mit denen solche älteren Fälle zum Vorschein kommen, wenn es nämlich Änderungen in der steuerrechtlichen Situation gibt und wir eine Mitteilung bekommen, dann kommt das bei uns an. Sie sind ärgerlich für alle Seiten, wenn Missverständnisse bestehen."