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Kirgisische Tragikomödie

Strom kommt bekanntlich aus der Steckdose, und dafür, dass das auch in der kirgisischen Steppe so bleibt, sorgt Dorfelektriker Svet-Ake. Wie "Herr Licht" die Stromtarife senkt und den Einstieg in die erneuerbaren Energien realisiert, erzählt Regisseur Aktan Arym Kubat in seinem charmanten Film "Der Dieb des Lichts".

Von Josef Schnelle |
    Ein Mann am Strommast irgendwo in der kirgisischen Steppe. Im Hintergrund leuchtet das schneebedeckte Tianshan-Gebirge. Die Leute im kleinen Dorf nennen ihn Herrn Licht, denn er ist der Elektriker, der sich um die Stromversorgung kümmert. Dann zieht er weiter, von Ferne schon erkennbar an seinem Fahrrad, das er immer mit sich führt. Alle erzählen ihm von ihren Sorgen und Problemen. Svet-Ake ist so etwas wie der gute Geist dieser kleinen Dorfgemeinschaft, die sich an der Wasserscheide zwischen Tradition und Moderne befindet. Die neuen Zeiten der Privatwirtschaft haben in der ehemaligen Sowjetrepublik das Leben stark verändert. Viele vor allem junge Leute sind weggegangen, um in der Stadt ihr Glück zu versuchen. Die übrig gebliebenen fristen ein kärgliches Dasein am Rande zur Armutsgrenze. Da ist ihnen auch der Strom viel zu teuer. Svet-Ake sorgt für Abhilfe. Er dreht die Stromzähler zurück und verhilft so als "Der Dieb des Lichts" seinen Mitbürgern zu einem bescheidenen Wohlstand. Zumindest ist das Licht jetzt kostenlos. Lange kann das nicht unbemerkt bleiben. Und so rückt eines Tages ausgerechnet Bürgermeister Esen an, mit dem sich Svet-Ake bislang gut befreundet wähnte:

    "Was ist passiert? Alles in Ordnung?" - "Gib mir eine Zigarette. Ich hatte keine andere Wahl. Ich hab die Polizei mitgebracht. Es wimmelt von Stromdieben in deinem Dorf. Keiner von euch bezahlt etwas. Da fließt kein Geld in die Kasse. Wie nennt man das Ding? Der ..." - "Stromzähler." - "Ja genau: Alle Stromzähler sind zurückgedreht."

    "Herr Licht" verliert also seinen Job und das Dorf sein Kraftzentrum. Im Stillen fühlt sich Svet-Ake als Versager, hat er doch nur Töchter aber keinen männlichen Erben. Die neue Arbeitslosigkeit fühlt sich außerdem nicht besonders gut an. Er hängt mit seinem Freund Mansur herum, findet gute Gründe sich hemmungslos zu betrinken und fällt auf einen windigen Betrüger aus der Stadt herein, der eines Tages sogar chinesische Investoren anschleppt. Svet-Ake hat nun nämlich einen Traum. Er möchte das Dorf mit einem kleinen Windpark in seiner Stromversorgung autark machen. Der Geschäftsmann Bezkat gibt vor, ihm dabei helfen zu wollen. Seine Frau hält das Ganze allerdings für eine Schnapsidee.

    "Das Ding würde sogar ein kleines Kind langweilen. Schäm dich wegen dieses Spielzeugs. Was werden die Leute sagen." - "Das ist kein Spielzeug. Aus der Quelle kommt das Licht."

    Womit wir bei der poetischen Grundstimmung des Films angekommen wären. Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss und eine tief empfundene Menschlichkeit ist die Richtschnur aller Handlungen. Weil Svet-Ake immer ein offenes Ohr für die Probleme seiner Mitbürger hat, ist er für viele der Beichtvater und kluge Ratgeber in allen Lebensfragen. Im Film entfaltet sich auf diese Weise ein ganzes Bündel von Geschichten, die das Alltagsleben im fernen Kirgisistan beschreiben. Ehefrust und Familienprobleme werden auf oft humorvolle immer aber lebenskluge warme Weise verhandelt. Svet-Ake selbst ist aber auch ein gutmütiger Tor. So lässt er sich zum Beispiel von seinem angeheiterten Kumpel dazu überreden, sich einen Stromschlag zu versetzen. Angeblich soll das die weiblichen Erbsubstanzen vertilgen, und ihm endlich zu einem Sohn verhelfen.

    "Ein Stromschlag. Da werden alle weiblichen Hormone im Körper verbrannt. Da macht's tssst. Und sie sind weggebrannt." - "Ein Leben ohne Gefühle ist kein echtes Leben."

    Svet-Ake begibt sich damit tatsächlich in Lebensgefahr, die er bis zum Hals eingegraben in der Erde - vorübergehend also in einen katatonischen Ruhezustand versetzt - schließlich doch unversehrt übersteht. Aktan Arym Kubat findet in seiner filmischen Inszenierung, im Tempowechsel und in absurd-komischen Szenerien immer wieder Entsprechungen zur klassischen kirgisischen Kultur des Geschichten Erzählens. "Der Dieb des Lichts" ist sein dritter Film und der erste, der im unabhängigen Kirgisistan entstand. Er wurde von deutschen Firmen koproduziert, womit Aktan Arym Kubat das kirgisische Kino auf die Weltkarte der Kinematografie gesetzt hat. Und er trägt auch als verschmitzter Hauptdarsteller in seinem Film zu dessen Gelingen bei. Einen der Hauptakteure des Films konnte man allerdings nicht kaufen. Die Landschaftskulisse stifte den Filmemacher immer wieder zu grandiosen Bildkompositionen an, die die Stimmung dieses Films aus einem sehr fernen Land visuell grundieren.