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Kita-Gesetz
"Qualität ist das, was in der Kita zählt"

Das Kita-Gesetz sei zwar ein Segen, zugleich aber auch eine große Herausforderung für die Finanzpolitiker, sagte der NRW-CDU-Politiker Jens Kamieth im Dlf. Es gehe darum, mit den Zahlungen des Bundes tatsächlich nachhaltige Qualitätssteigerung zu erreichen.

Jens Kamieth im Gespräch mit Ute Meyer | 14.12.2018
    Gummistiefel in einer Kita in Essen, NRW am 27.1.2014
    Gummistiefel in einer Kita in Essen. Mehr Betreuer pro Kind wollen CDU und FDP (dpa / Rolf Vennenbernd)
    Ute Meyer: Für Kitas soll es mehr Geld geben. Heute haben Bundestag und Bundesrat das sogenannte Gute-Kita-Gesetz beschlossen. Der Bund wird in den kommenden drei Jahren 5,5 Milliarden Euro an die Bundesländer überweisen, damit Kitas ausgebaut und verbessert werden können. Wie das Geld angelegt wird, ist dabei Ländersache. Einige Bundesländer legen den Schwerpunkt auf eine Entlastung der Eltern durch weitgehende Beitragsfreiheit, andere Bundesländer wollen mehr in die Qualität der pädagogischen Betreuung investieren.
    Im konservativ-liberal regierten Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat sich der Landtag gestern gegen eine weitere Entlastung der Eltern entschieden, stattdessen soll das Geld in die Verbesserung der Betreuung fließen. Jens Kamieth ist Sprecher der CDU-Fraktion für Familie, Kinder und Jugend im Düsseldorfer Landtag. Herr Kamieth, Sie haben gestern einen Antrag der SPD, alle Kitas in Nordrhein-Westfalen beitragsfrei zu stellen, abgelehnt. Warum?
    "Qualität ist dasjenige, was in der Kita zählt"
    Jens Kamieth: Die Wissenschaft sagt, dass Qualität das Allerwichtigste ist in der Kinderbetreuung. Die kommunalen Spitzenverbände, die Bertelsmann-Stiftung, alle sagen, Qualität ist dasjenige, was heutzutage in der Kita am allervordringlichsten zählt.
    Meyer: Wie wollen Sie eine Verbesserung der Qualität erreichen?
    Kamieth: Vor allen durch eine Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels, das heißt, eine optimale Betreuung der Kinder dadurch, dass sich die Erzieherin beispielsweise besser vor- und nachbereiten kann, dass Fehlzeiten durch Personal abgedeckt sind, dass Fortbildung abgedeckt ist, Schwangerschafts-, Urlaubszeiten und so, dass immer genug Erzieherinnen für die Kinder da sind.
    Meyer: Das hört sich gut an, warum aber kann das nicht einhergehen mit einer Entlastung der Eltern auch in Nordrhein-Westfalen, so wie es auch in anderen Bundesländern der Fall ist?
    "Das Gute-Kita-Gesetz stellt uns vor Herausforderungen"
    Kamieth: Ich hab den Eindruck, dass andere Länder vielleicht die Qualität nicht ganz so in den Vordergrund stellen. Wir befinden uns ja gerade in den Verhandlungen, ein neues Kinderfinanzierungsgesetz auf die Beine zu stellen und packen beispielsweise 750 Millionen an, um wirklich die Qualität nach vorne zu bringen, und das wollen wir tun nachhaltig, dauerhaft finanziert. Und vor dem Hintergrund ist das Gute-Kita-Gesetz natürlich zunächst mal ein Segen, auf der anderen Seite stellt es uns natürlich vor die Herausforderung, was machen wir, wenn die Befristung eingreift, das heißt, wenn wir nach 2022 das, was wir jetzt ausgegeben haben, wieder mit eigenen Mitteln finanzieren müssen. Das ist die große Frage.
    Meyer: Das ist die große Frage, auf die gibt es auch bisher noch keine Antwort. Ich möchte aber noch mal zurückkommen auf diesen Gegensatz: Entlastung der Eltern versus Qualität. Es gibt ja auch für eine Entlastung der Eltern durchaus gute Argumente, zum Beispiel, dass dann mehr Familien sich die Kita überhaupt leisten können, was dann auch eine bessere integrative Wirkung hat. Was sagen Sie dazu?
    Kamieth: Wir haben bereits jetzt sehr, sehr hohe prozentuale Zahlen vom Kindergartenbesuch, und zwar schon ab frühestem Alter der Kinder. Kurz vor der Schule haben wir eine Abdeckung von fast 100 Prozent, aber auch im U3-Bereich haben wir mittlerweile sehr, sehr hohe Quoten von Kita-Besuchen. Dass da das Geld letztendlich der abschreckende Faktor ist, ist mir bisher noch nicht gespiegelt worden.
    Meyer: Na ja, bei finanziell schwächeren Familien – und die gibt es in einem Land wie Nordrhein-Westfalen ja durchaus zur Genüge – kann das sehr wohl ein Argument sein, wenn für einen U3-Platz mehrere Hundert Euro in manchen Kommunen ausgegeben werden müssen. Das ist doch dann nicht gerecht, da werden doch Kinder aus finanziell schwächeren Familien außen vor gelassen.
    "Wir haben eine bunte Landschaft, was die Kindergarten-Betreuungskosten betrifft"
    Kamieth: Das trifft grundsätzlich zu, dabei müssen wir aber ja sehen, dass wir zum einen das dritte Kindergartenjahr bereits ohnehin kostenfrei haben und dass es in vielen Kommunen auch Einkommensgrenzen gibt, bis zu denen die Eltern ja auch nichts zahlen müssen für einen Kindergartenbesuch. Das können zum Teil bis zu 30.000 Euro Jahreseinkommen sein, bei dem man also noch nichts für den Kita-Besuch zahlen muss.
    Meyer: In vielen Kommunen, sagen Sie, da geben Sie mir gerade noch ein Stichwort: Ein weiteres Argument für eine Verringerung oder zumindest Angleichung der Kita-Gebühren ist ja die Tatsache, dass in Nordrhein-Westfalen die Gebühren von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich sind. Also ich hier in Köln zahle für mein Kind mehr als 200 Euro, würde ich in Düsseldorf leben, wäre es umsonst. Das ist ungerecht.
    Kamieth: Ja, das ist richtig. Wir haben eine bunte Landschaft, was die Kindergarten-Betreuungskosten betrifft – mit unterschiedlichen Freibeträgen, mit unterschiedlichen Gebühren.
    Meyer: Kann das Land da nicht regulierend eingreifen mit diesem Geld vom Bund?
    "Vollständige Beitragsbefreiung ist ein Ziel"
    Kamieth: Richtig ist, dass die Beitragsbefreiung, die vollständige Beitragsbefreiung ein Ziel ist, und damit wird man natürlich auch die kommunale Ungleichheit beseitigen können, aber es ist tatsächlich so, dass wir große Schwierigkeiten haben, jetzt diesen Flickenteppich wieder zusammenzuführen.
    Meyer: Wie gesagt, in anderen Bundesländern ist es schon längst Realität, in Rheinland-Pfalz schon seit mehreren Jahren, ab dem zweiten Lebensjahr sind die Kinder beitragsfrei, Niedersachsen hat es jetzt eingeführt, Berlin – warum nicht in Nordrhein-Westfalen? Das Geld dafür müsste doch jetzt da sein.
    Kamieth: Also wie gesagt, wir geben 750 Millionen schon allein für die Qualitätssteigerung aus, und wir versuchen natürlich auch, die Gelder, die der Bund jetzt bereitstellt, da sinnvoll einzuplanen. Aber wie wollen Sie einer Familie erklären, dass sie ab 2022 wieder kürzere Öffnungszeiten hat oder einen schlechteren Fachkraft-Kind-Schlüssel oder andere Öffnungszeiten, was auch immer. Das ist im Moment eine große Herausforderung für die Finanzpolitiker, mit den Zahlungen aus dem Gute-Kita-Gesetz tatsächlich nachhaltige Qualitätssteigerung zu bringen.
    Meyer: Danke schön an Jens Kamieth, Sprecher der CDU-Fraktion für Familie, Kinder und Jugend im nordrhein-westfälischen Landtag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.