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Klärschlamm als Düngemittel
Weniger Antibiotikaresistenzen im Boden als gedacht

Klärschlamm aus der Abwassersäuberung wird auch als Dünger eingesetzt. Er kam in den Verdacht, Antibiotikaresistenzen in der Umwelt zu verbreiten. Ein schwedisches Forschungsteam hat nun gezeigt: Das ist nicht der Fall. Doch dieses Ergebnis sollte nicht auf alle Länder übertragen werden.

Von Lucian Haas | 27.02.2020
Gereinigtes Wasser strömt in das Filtrationsbecken eines Klärwerks
Im Abwasser und somit auch im Klärschlamm befinden sich Rückstände von Antibiotika (picture-alliance / Christian Beutler)
Der Klärschlamm, der in Klärwerken bei der Säuberung unserer Abwässer übrig bleibt, ist nicht zwangsläufig ein Abfallprodukt. Er kann nützlich sein – wenn auch mit Einschränkungen, wie der Biomediziner Joakim Larsson von der Universität Göteborg weiß:
"Klärschlamm enthält viele Nährstoffe. Wir können sie in der Landwirtschaft als Dünger einsetzen, anstatt sie einfach zu entsorgen. Das ist die gute Seite. Allerdings landen im Klärschlamm auch viele der Chemikalien, die wir nutzen."
Zu diesen Chemikalien gehören Antibiotika. Wenn der Mensch solche Medikamente schluckt, scheidet er stets einen Teil davon auch wieder aus:
"Klärschlamm kann Rückstände von Antibiotika enthalten. Zudem können im Klärschlamm antibiotika-resistente Bakterien vorkommen. Beides erhöht das Risiko, dass sich Antibiotikaresistenzen in der Umwelt verbreiten."
Ergebnis eines Langzeit-Experiments
Nun leben wir in Zeiten, in denen Mediziner zunehmend befürchten, dass uns wirksame Antibiotika ausgehen könnten, weil immer mehr Krankheitserreger dagegen resistent werden. Da erscheint es auf den ersten Blick nicht besonders ratsam, mit dem Klärschlamm als Dünger die Entwicklung von Resistenzen in der Umwelt möglicherweise anzuheizen. Doch wie groß ist diese Gefahr tatsächlich? Joakim Larsson und sein Team untersuchten das anhand von Bodenproben eines Langzeit-Experimentes in Schweden. Über 30 Jahre hinweg wurden landwirtschaftliche Versuchsfelder wiederholt mit unterschiedlichen Mengen von Klärschlamm gedüngt. Kontrollflächen erhielten in der gleichen Periode nur Kunstdüngergaben. Nun testeten die Forschenden, ob sich auf den mit Klärschlamm behandelten Flächen mehr Antibiotikarückstände nachweisen lassen - oder eine erhöhte Resistenzbildung bei den Bakterien im Boden:
"Das Ergebnis ist ganz einfach: Es gibt keinen Anstieg der Antibiotikagehalte im Boden. Genauso wenig gibt es mehr antibiotikaresistente Bakterien. Das sind gute Nachrichten."
Nur einen signifikanten Effekt konnte Joakim Larsson feststellen: Auf den mit Klärschlamm gedüngten Flächen waren die Bakteriengemeinschaften im Boden etwas anders zusammengesetzt als auf den Kontrollfeldern. Aber das lässt sich mit den unterschiedlichen Nährstoffgehalten im Dünger erklären:
"Das ist ganz natürlich. Wenn Du sie fütterst, werden manche Bakterien einfach besser wachsen. Das war zu erwarten."
Noch keine Entwarnung
Mit ihrem Langzeitcharakter liefert die Studie wichtige Anhaltspunkte, um den Einsatz von Klärschlamm als Dünger in der Landwirtschaft vom Verdacht zu befreien, Antibiotikaresistenzen zu fördern. Allerdings warnt Joakim Larsson davor, die Ergebnisse zu verallgemeinern:
"Man muss die Studie im Licht der Verfahren betrachten, die wir in Schweden anwenden. Zum Beispiel wird der Klärschlamm bei uns länger gelagert und dabei recht hohen Temperaturen ausgesetzt, wodurch schon viele Bakterien abgetötet werden. Zudem werden in Schweden Antibiotika nur in moderaten Mengen verschrieben. Das macht es einfacher."
Für Länder mit höherem Antibiotika-Verbrauch und schlechter ausgerüsteten Klärwerken, bei denen der Klärschlamm nicht intensiv in Faultürmen nachbehandelt wird, würde Joakim Larsson auf Basis seiner Studie noch keine Entwarnung geben wollen. Dort bestehe weiter das Risiko, dass der auf Feldern entsorgte Klärschlamm die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Umwelt fördern könnte.