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Klage aus Polen gegen ZDF
"Für uns ist das ein einziger großer Skandal"

Die in Deutschland abgelehnte Klage eines 97-jährigen ehemaligen Ausschwitz-Insassen gegen das ZDF sorgt in Polen für Empörung. Der Mann fordert eine Entschuldigung für den Begriff "polnisches Vernichtungslager". Nun muss das EuGH entscheiden.

Von Florian Kellermann | 27.08.2018
    Gleise zum ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau in Polen
    Als ehemaliger Auschwitz-Häftling fühlte sich der Kläger durch einen Text auf der Internet-Seite des ZDF von 2013 persönlich beleidigt. (imago stock&people)
    Für Karol Tendera, der gegen das ZDF geklagt hatte, ist mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs noch nicht das letzte Wort gesprochen:
    "Ich verstehe das alles nicht, ich bin frustriert und empört. Sie versuchen, die Geschichte zu fälschen. Und das zerstört die guten Beziehungen zwischen unseren Ländern. Wir werden weiter um die historische Wahrheit kämpfen."
    Entschuldigung direkt auf der Website gefordert
    Als ehemaliger Auschwitz-Häftling hatte sich der 97-Jährige Tendera durch einen Text auf der Internet-Seite des ZDF von 2013 persönlich beleidigt gefühlt. In der Ankündigung für eine Dokumentation wurden die beiden Konzentrationslager in Auschwitz und in Majdanek als "polnische Vernichtungslager" bezeichnet.
    Nach einem Protest der polnischen Botschaft änderte das ZDF den Text und bekannte sich zu dem Fehler. Drei Jahre später entschuldigte sich der Sender, ebenfalls auf seiner Internetseite. Er reagierte damit auf das Urteil eines Gerichts in Krakau und veröffentlichte den Text, den Tendera vorformuliert hatte.
    Doch Karol Tendera sah damit seine Forderung nicht erfüllt, wie sein Anwalt Lech Obara erklärte:
    "Wir kämpfen darum, dass die Entschuldigung auf der ersten Webseite des ZDF veröffentlicht wird - und zwar 30 Tage lang. Das ZDF hatte auf dieser Seite nur einen Link, der zur Entschuldigung führte. Die Leser mussten auf diesen Link klicken, ohne zu wissen, wer Karol Tendera überhaupt ist. Letztendlich glauben die Verantwortlichen dort weiterhin, dass sie nichts Schlimmes getan haben."
    Bundesgerichtshof entscheidet gegen polnisches Urteil
    Zwei deutsche Gerichte in Mainz und in Koblenz gaben Tendera Recht. Aber das ZDF zog noch vor den Bundesgerichtshof. Dessen Urteil: Der Sender muss die Entschuldigung nicht wie gefordert veröffentlichen, da dies sein Recht auf freie Meinungsäußerung beschneiden würde.
    Tendera will sich damit nicht zufrieden geben. Er sehe einen Verstoß gegen EU-Recht, so sein Anwalt Lech Obara:
    "Der Bundesgerichtshof zerstört hier das Rechtssystem in der Europäischen Union. Denn es sieht vor, dass Gerichtsentscheidungen in einem Mitgliedsland in einem anderen Mitgliedsland vollstreckbar sind. Und das in einem Fall, in dem wir auf der einen Seite eine große deutsche Fernsehanstalt haben und auf der anderen einen armen 97-jährigen ehemaligen Auschwitz-Gefangenen. Für uns ist das ein einziger großer Skandal."
    Deshalb will sich Tendera nun an den Europäischen Gerichtshof wenden. Er soll feststellen, dass sich Deutschland hier an die in der EU mögliche grenzüberschreitende Vollstreckung von Urteilen halten muss.
    In Polen ein großes Thema
    In Polen ist der Streit ein großes Thema. Vor allem konservative Medien stellen es so dar, als habe das ZDF nicht einfach einen Fehler gemacht mit seiner Formulierung. Vielmehr wird dort suggeriert, Deutschland und die deutschen Medien wollten die Geschichte fälschen und einen Teil der deutschen Verantwortung für den Holocaust auf andere Nationen abwälzen.
    Auch Politiker stellen dies so dar, wie Marcin Porzucek, Abgeordneter der Regierungspartei PiS:
    "Man sieht deutlich, dass die Deutschen davon abrücken, was sie lange Zeit ausgezeichnet hat: dass sie tatsächlich die Schuld für die deutschen Todeslager auf sich nehmen, für Lager, in denen Millionen Menschen ums Leben kamen. Die Deutschen machen hier offenbar einen Schritt zurück. Jemand aus der Bundesregierung sollte sich dazu äußern, ob das jetzt der offizielle deutsche Standpunkt ist."
    Auch Justizminister Zbigniew Ziobro gab zu verstehen, dass er das Urteil für politisch motiviert hält. Er erinnerte daran, dass die Richter am Bundesgerichtshof von Politikern berufen würden - von Vertretern des Bundestags und von den Landesjustizministern.