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Klagen wegen Glyphosat
Steuert Bayer auf einen Vergleich zu?

Erneut wird in den USA ein Prozess wegen des Unkrautvernichters Glyphosat verschoben. Das könnte ein Beleg dafür sein, dass der Agrarchemiekonzern Bayer auf einen außergerichtlichen Vergleich zusteuert - zur Freude der Aktionäre.

Von Brigitte Scholtes | 07.10.2019
Ein Kunde greift in einem Laden in San Rafael, Kalifornien, zu einem Behälter mit dem glyphosathaltigen Mittel Round up, das von Monsanto hergestellt wird.
In 20.000 Fällen sollen inzwischen Klagen wegen des Unkrautvernichters Glyphosat erhoben worden sein (AFP/JOSH EDELSON)
Anwaltskanzleien in den USA sind derzeit sehr aktiv: Im Fernsehen schalten sie zahlreiche Werbespots. Wer das Monsanto-Unkrautvernichtungsmittel Roundup benutzt hat, das Glyphosat enthält und wer daraufhin an Lymphdrüsenkrebs erkrankt ist, der möge sich melden. Die Kanzleien versprechen potentiellen Klägern Information, Schutz und Gerechtigkeit.
Das tun sie nicht uneigennützig, denn je mehr Geschädigte klagen, desto höher wird eine mögliche Vergleichssumme, desto mehr fällt also auch für die Anwälte an Honorar ab. In 20.000 Fällen sollen inzwischen Klagen erhoben worden sein. Nun läuft es wahrscheinlich auf einen Vergleich hinaus. So hat der Chef-Verhandler in dem Mediationsverfahren, Kenneth Feinberg, dem "Handelsblatt" bestätigt, der in einigen Tagen anstehende nächste Prozess werde auf Anfang 2020 verschoben.
Mögliche Vergleichssumme: bis zu 15 Milliarden Dollar
Der Druck auf Bayer ist hoch. Denn in drei einzelnen Fällen wurde das Unternehmen schon in erster Instanz zu Schadenersatzzahlungen von bis zu 80 Millionen Dollar verurteilt. Deshalb wären bei einem möglichen Vergleich zwei Dinge wichtig, meint Uwe Treckmann, Analyst der Commerzbank.
"Zum einen, dass es wirtschaftlich tragbar ist, es darf also nicht zu teuer werden. Und Bayer muss natürlich etwas in die Hand bekommen, dass auch künftige Fälle exkludiert sind, sprich: nicht nur die heutigen Fälle, sondern auch wenn künftig jemand erkrankt, dass dann nicht erneut geklagt werden kann, um so für Bayer Rechtssicherheit zu bekommen."
10 bis 15 Milliarden Dollar – so hoch könnte dann die Vergleichssumme ausfallen, schätzen Experten. Auch die Kläger könnten zu einem Vergleich bereit sein. Denn die von Geschworenen gefällten erstinstanzlichen Urteile haben meist nicht Bestand. Die Schadenersatzsumme ist bisher schon deutlich reduziert worden. Zudem hat die maßgebliche Umweltbehörde EPA in den USA bisher Glyphosat als gefahrlos für die öffentliche Gesundheit eingestuft. Sollte der Rechtsstreit bis zum Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court, getragen werden, sei der Ausgang also ungewiss, sagt Treckmann:
"Wenn man das als Basis nimmt, dann könnte es sogar darauf hinauslaufen, dass die Kläger überhaupt nichts bekommen würden. Insofern haben die natürlich auch ein hohes Interesse, möglichst zeitnah, weil den Betroffenen läuft ja auch die Zeit davon, sich vielleicht dann doch zu einigen und besser, wie man sagt, den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach."
Ein Vergleich könnte die Aktie nach oben treiben
Die Aktionäre könnte das freuen. Denn in den letzten Monaten hat die Aktie sehr unter den möglichen Rechtsrisiken gelitten. Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, erwartet deshalb bei einem möglichen Vergleich zunächst ein Kursfeuerwerk:
"Es wird dann einen Ausbruch nach oben geben. Aber ich glaube, die Diskussion wird dann nicht verstummen. Wie viel Sinn macht die Monsanto-Übernahme ohne Glyphosat? Ich glaube, das ist die entscheidende Frage dann, daran wird man dann auch Herrn Baumann messen. Und dann werden wir wahrscheinlich auch irgendwann wieder die Personaldiskussion haben."
Denn im Pharmabereich sinken die Margen, Bayer hatte auch deshalb gehofft, mit der Monsanto-Übernahme einen Ausgleich zu schaffen. Ob das langfristig gelingt, ist weiter offen.