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Klampfe mit Extra

Technik. - Ein Grund für das vorzeitige Scheitern vieler Gitarrenschüler ist der schwierige Akt des Saitenstimmens, denn schon leichte Abweichungen verderben den guten Klang. Das könnte nun der Vergangenheit angehören - dank eines Instruments, dass sich selber stimmt.

Von Frank Grotelüschen | 04.12.2007
    "Ich bin selbst seit knapp 20 Jahren Gitarrist. Und es hat mich irgendwann so angekotzt mit dieser blöden Stimmerei, dass ich zu dem Punkt gekommen bin, zu sagen: Da muss jetzt mal was passieren!"

    Zehn Jahre ist es her, da hatte Chris Adams genug davon, seine Gitarre immer wieder nachstimmen zu müssen. Also entwickelte der Musiker ein System, mit dem sich eine Gitarre ganz von selber stimmen kann. Powertune, so heißt es, basiert auf sechs Piezoelementen – sechs druckempfindliche Sensoren, auf denen jeweils eine Saite aufliegt.

    "Wenn die Saite angeschlagen wird, schwingt sie und ändert damit den Druck auf dieses Piezoelement. Und diese Druckänderung wird elektronisch ausgewertet. Dann weiß man, in welcher Frequenz diese Saite jetzt schwingt."

    Die Signale landen in einem Prozessor, versteckt im Korpus des Instruments. Der kleine Rechner gleicht ab, ob die Tonhöhe der Saite mit einem Sollwert übereinstimmt. Registriert er eine Abweichung, sendet der Prozessor über die Saiten ein Korrektursignal zum Kopf der Gitarre. Dort nämlich sitzt die Stimm-Mechanik. Und dort befindet sich auch ein zweiter Prozessor. Er steuert sechs kleine Motoren, für jeden der Stimmknöpfe einen. Diese Motoren drehen die Stimmköpfe solange, bis jeder einzelne Ton haargenau stimmt. Das Problem dabei:

    "Jede Saite hängt mit jeder anderen Saite zusammen. Das bedeutet: Wenn ich eine sehr verstimmte Gitarre habe und fange bei der ersten Saite an und bin irgendwann bei der letzten Gitarre abgelangt, dann darf ich wieder von vorne anfangen, weil die anderen sich wieder verstimmt haben. Das Powertune-System überlegt sich eine Strategie, wie es am stimmstabilsten heraus kommt. Und diese Strategie arbeitet es ab."

    Und wir funktioniert das Ganze in der Praxis? Chris Adams schnappt sich eine Gibson Robot Guitar – das erste Modell, in das der Stimmroboter serienmäßig eingebaut ist.

    "Klingt schief."

    Adams zieht einen der Lautstärkeregler auf der Gitarre hoch. Ein paar Lämpchen fangen an zu blinken. Das System ist aktiviert.

    "Ich muss jetzt nur noch die Saiten anschlagen, und dann stimmt sich das."

    Wie von Geisterhand drehen sich die Stimmknöpfe auf dem Gitarrenkopf, begleitet von einem leisen mechanischen Surren. Innerhalb von ein paar Sekunden hat sich das Instrument selbst gestimmt. Ein paar prominente Musiker durften die Robotergitarre schon mal ein paar Monate lang testen – der ehemalige Scorpions-Gitarrist Uli Jon Roth etwa und Baard Torstensen von der Hardrock-Band Clawfinger.

    "Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben korrekt gestimmte Gitarren. Wenn zum Beispiel eine Saite reißt, ist die Gitarre absolut verstimmt, um fast einen Halbton. Hier hört man für zwei bis drei Sekunden auf zu spielen, und dann geht’s weiter. Ich bin davon überzeugt, dass das in zehn Jahren auf jeder Gitarre Standard ist."

    "Für mich ist das wie eine Revolution. Ich muss mich nun nicht mehr ums Stimmen kümmern, sondern kann mich aufs Spielen konzentrieren. Und: Während eines Konzerts benutze ich für verschiedene Songs unterschiedliche Stimmungen. Normalerweise brauche ich für jede Stimmung eine andere Gitarre. Nun kann ich den ganzen Auftritt mit einer Gitarre bestreiten."

    Ab Freitag steht die Robot Guitar für 1895 Euro in ausgewählten Läden. Das Powertunes-System alleine kostet als Nachrüstsatz rund 900 Euro. Chris Adams aber hofft, dass der Preis mit wachsenden Stückzahlen sinkt und das System dann auch für Anfängerinstrumente interessant wird. Entscheidend für den Erfolg aber dürfte sein, wie sich die Robotergitarre im Bühnenalltag bewährt. Denn der ist nicht nur für die Musiker hart, sondern auch fürs Material.