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Klangfarben der Wirtschaft - Teil 2

Wer Geigen baut, der schafft Liebhaberstücke, die später in der Familie von Generation zu Generation vererbt werden. Doch alleine vom Geigenbau kann Josef Huber nicht leben, dazu ist mittlerweile die Konkurrenz durch Billigfabrikate aus Asien zu hoch.

Von Marén Balkow | 19.03.2010
    Kollwitzstraße 82, Prenzlauer Berg. Eine Adresse, die dem Berlinkundigen nicht weiter erklärt werden muss. Zwischen Boutiquen, Cafés, Fahrradläden und Spielzeuggeschäften findet sich die Geigenbauwerkstatt von Josef Huber. Wo üblicherweise Kleiderpuppen als Deko stehen, hat Huber seine Werkbänke ins Schaufenster gestellt. Alte Schreibtischlampen spenden warm-gelbes Licht, von der Decke hängen Geigen, Celli und Gamben oder einzelne Bauteile, bauchig-geschwungene Formen aus rohem Holz. Vor dem Fenster bleiben Passanten stehen. Denn hier gibt es echtes Handwerk zum Zugucken.

    "Ich lauf hier immer vorbei, und die Kinder gucken immer. Dass das im Schaufenster ist, finde ich so schön, dass man hier zugucken kann. Es kommt so eine schöne Stimmung raus, wenn die hier sitzen. Ja, das hat was, dass man hier reingucken kann und die ganzen Instrumente und wie das so gemütlich aussieht. So das, was man selten sieht: ein Handwerk. Und mit den Kindern, wir gucken hier immer rein, was die so machen, und das hier ist so ein Kleinod."

    Dass diese Ladensituation zum Geschäftsvorteil wird, war für Josef Huber nicht sofort klar, als er 1999 seine Werkstatt und den wertvollen Lagerbestand von 40, 50 selbst gebauten Instrumenten aus einem Hinterhof hierher verlegte:

    "Also erstmal, die Adresse ist schon sehr günstig. Das hätte ich früher nie gedacht, dass das auch sehr wichtig sein kann, wo sich das Geschäft befindet. Ich hab mir einfach nie einen Gedanken drüber gemacht. Und anfangs hab ich auch festgestellt, dass sehr viele Musiker, die neu nach Berlin gezogen sind, in den Prenzlauer Berg gezogen sind, in die nächste Nachbarschaft. Und zu den Kindern? Na ja, es gibt viele Kinder - viele fangen an und viele hören auch wieder auf."

    Fangen an, ein Instrument zu spielen - die Kinder der bürgerlichen Familien hier im Viertel. Auch das hat Huber, den es aus seiner Heimat Oberbayern gleich nach der Lehre in die Großstadt zog, als Potenzial erkannt. Im Prenzlauer Berg spezialisierte sich der Geigenbaumeister auch auf Kinderinstrumente: Kindergeigen und Kindergamben - Achtel-, Viertel-, halbe und Dreiviertelinstrumente, sodass für jedes Alter die passende Größe gefunden werden kann.

    Josef Huber baut neue Instrumente, kauft aber auch alte an, restauriert und vermietet sie. Er gibt Kennenler-Workshops im Gambenspiel und wirbt für sein Geschäft bei Kinderkonzerten in der Stadt. Sein Geschäft läuft dabei "unterschiedlich gut".

    "Es hat ja, Gott sei Dank, unterschiedliche Zweige. Die Vermietung von Instrumenten, das entwickelt sich ganz gut. Alles, was Zubehörhandel ist, Saiten, Etuis, das wird immer weniger, das ist natürlich die Handelssituation übers Internet und über den Versandhandel. Das Geschäft mit neuen Instrumenten hat sich über die Jahre auch sehr gut entwickelt. Das ist konstant. Die Entwicklung Reparaturen, das läuft eigentlich sehr gut."

    Für 319 Euro lässt die junge Frau hier ihre Geige reparieren. Hubers Kostenvoranschlag für die Kundin zuvor belief sich auf 2100 Euro - für das Restaurieren eines alten Cellos. Das sind Beträge für Reparaturarbeiten, die Leute sonst nur in Kfz-Werkstätten ausgeben, sagt Huber mit einem Lachen.

    "Aber das ist ja ein anderes emotionales Ding."

    "Eine komplizierte Restaurierung das ist eine Herausforderung. Und das Vertrauen, das einem die Eigentümer dieser Instrumente entgegenbringen, das ist nicht gering zu schätzen, dass jemand einem auch ein wertvolles Instrument anvertraut. Wenn es dann klappt, wenn das Instrument wieder spielbar ist und wenn es dann eben auch noch gut klingt."

    Etwa 100.000 Euro Umsatz bringt der Laden, in dem auch Hubers Frau und ein Lehrling arbeiten. Ein gutes Drittel davon ist der Verkauf neuer Instrumente, die hier gebaut werden. Im letzten Jahr war es nicht so viel. Der 49-Jährige glaubt, dass das nicht nur an der Wirtschaftskrise liegt. Der zunehmende Internethandel und die Konkurrenz der Manufakturinstrumente, dazu die Billigimporte aus China machen ihm Sorgen.

    "Ich steh irgendwie vor diesem Problem: Ich mach einen Gegenstand, vielleicht auch ein Liebhaberobjekt, das ohne Probleme 200 Jahre alt werden kann, aber es muss billig sein und dann muss natürlich auch die Qualität drunter leiden. Und die Frage ist, wie kann ich meinen Bau finanzieren, wie kann ich es überhaupt auf den Markt bringen, wie kann ich überhaupt Interessenten finden. Das ist nicht ganz einfach, aber da wir eine Ausbildungswerkstatt sind, können wir auch diese Instrumente dann relativ preiswert herstellen.”"

    ... wie diese Gambe. Ein heute eher seltenes Streichinstrument. Aber der Gambe gilt Hubers Passion. Er spielt sie gern im Laden, wenn er Feierabend macht. Fände sich jedoch ein Interessent, würde er dieses Kindermodell aber auch gern für 2850 Euro verkaufen.

    ""Nach meinem Dafürhalten geh ich davon aus, wenn ein Kind jetzt 14, 15 Jahre alt ist und erhält das erste eigene Instrument, dann geh ich grundsätzlich davon aus, dass das Kind auch weiter musizieren wird und irgendwann ein besseres Instrument möchte. Dann möchte ich dieses Instrument auch in Zahlung nehmen und möchte ein anderes Instrument anbieten. Insofern: Meine Perspektive, die ist sowieso langfristig, und das ist, denk ich bei jedem Geigenbauer so."