Dass Vertrauen gut, Kontrolle besser sei – diese Devise des wirkungsmächtigen Populisten W.I. Lenin gilt auch für so manche Drehung von Schrauben. 1898 publizierte Lenins Zeitgenosse Henry James, ein aus New York nach London gekommener Autor, die Erzählung "The Turn of the Screw". Sie wurde im "Interdependent" umgehend niedergemäht mit dem Argument, "menschliche Vorstellungskraft" könne "nicht weiter in Niedertracht vordringen, literarische Kunst nicht mehr mit raffinierter Subtilität geistiger Abartigkeit verwendet werden". Die schnüffelhündische Literaturkritik hatte die Sensibilität des homosexuellen Dichters für sexuelles Verlangen, das sich auf Adoleszenten richtet, aufmerksam registriert.
Robert Carsen zeigt den Prolog der Kammeroper, die nach Drehbuch-Vorbildern angelegt ist, als Diavortrag. Mit dem Herbeizitieren dieser längst gänzlich aus der Mode gekommenen (und tatsächlich antiquierten) Kunstform macht der Regisseur deutlich, dass die Geschichte des Henry James nicht in ein heutiges Kleinbürger-Milieu umgeleitet werden soll, sondern ihr historische Aura belassen werden soll (was der Aktualität allerdings nicht den geringsten Abbruch tut). Die Folge der Schwarz-Weiß-Dias geht über in eine vordergründig ganz naheliegende Darstellungsform des Kammerspiels, das Carsen vor einer demonstrativ unaufwendigen Fensterkulissen anberaumt. Gelegentliche Filmeinblendungen ergänzen die Ausblicke aus den hohen Fenstern auf den Park.
Nach und nach bemerkt die junge Gouvernante, die an "dem stillen Ort, an dem das Unaussprechliche geschieht", ihre erste Stelle antrat, dass es heimliche flüsternde Stimmen im Haus gibt, unheimliche Schritte auf nächtlichen Fluren, dass die beiden ihr anvertrauten Kinder Dinge sehen und Erfahrungen machen, über die sich keinesfalls sprechen wollen. Der frühere Hausmeister Quint, eigentlich nach einem Sturz auf winterglatter Straße verstorben, geistert mit zunehmender Heftigkeit durch das einsame Leben auf Bly – der usurpatorische Mann, der nicht nur die frühere Gouvernante, Miss Jessel, geschwängert und in den Selbstmord getrieben haben soll, sondern sich wohl auch dem kleinen Miles auf eine Weise näherte, die heute landauf und landab mit den "Missbrauchs"-Debatten erörtert wird.
Quint und Jessel rufen die Kinder, locken sie aus einer "andern Welt", die doch eine handfeste Anbindung an die Unterwelt der Triebe gehabt haben muss, die ganz von dieser Welt ist. Verführung und die ihr entgegenkommenden Begehrlichkeiten zeigen Carsens Filmeinblendungen, die handelnden beziehungsweise eben nicht handelnden SängerInnen, dass Quint einen unkontrollierten Raum okkupierte und dass in einem Klima von Autoritätshörigkeit, Verklemmung und Einschüchterung auch naheliegende Kontrollmechanismen außer Kraft gesetzt bleiben.
Die Produktion dieser Britten-Oper verfügt über ein illustres Sänger-Team – von Sally Matthews als Gouvernante bis zum 13-jährigen Teddy Favre-Gilly als heranwachsendem Miles. Cornelius Meister leitet das Kammerensemble im Graben des Theaters an der Wien konzentriert und, gerade auch bei den Spätromantizismen, mit Verve.
Robert Carsen ist auf dieser Klangfolie eine zugleich hinreichend diskrete und doch entschiedene Inszenierung gelungen, die den verschiedenen Facetten der Horrorgeschichte in meisterhafter Balance gerecht wird – bis hin zum Tod des kleinen Miles, der sehr an den holden Knaben im Arm des Vaters erinnert, dem "Erlkönig ein Leids gethan".
Robert Carsen zeigt den Prolog der Kammeroper, die nach Drehbuch-Vorbildern angelegt ist, als Diavortrag. Mit dem Herbeizitieren dieser längst gänzlich aus der Mode gekommenen (und tatsächlich antiquierten) Kunstform macht der Regisseur deutlich, dass die Geschichte des Henry James nicht in ein heutiges Kleinbürger-Milieu umgeleitet werden soll, sondern ihr historische Aura belassen werden soll (was der Aktualität allerdings nicht den geringsten Abbruch tut). Die Folge der Schwarz-Weiß-Dias geht über in eine vordergründig ganz naheliegende Darstellungsform des Kammerspiels, das Carsen vor einer demonstrativ unaufwendigen Fensterkulissen anberaumt. Gelegentliche Filmeinblendungen ergänzen die Ausblicke aus den hohen Fenstern auf den Park.
Nach und nach bemerkt die junge Gouvernante, die an "dem stillen Ort, an dem das Unaussprechliche geschieht", ihre erste Stelle antrat, dass es heimliche flüsternde Stimmen im Haus gibt, unheimliche Schritte auf nächtlichen Fluren, dass die beiden ihr anvertrauten Kinder Dinge sehen und Erfahrungen machen, über die sich keinesfalls sprechen wollen. Der frühere Hausmeister Quint, eigentlich nach einem Sturz auf winterglatter Straße verstorben, geistert mit zunehmender Heftigkeit durch das einsame Leben auf Bly – der usurpatorische Mann, der nicht nur die frühere Gouvernante, Miss Jessel, geschwängert und in den Selbstmord getrieben haben soll, sondern sich wohl auch dem kleinen Miles auf eine Weise näherte, die heute landauf und landab mit den "Missbrauchs"-Debatten erörtert wird.
Quint und Jessel rufen die Kinder, locken sie aus einer "andern Welt", die doch eine handfeste Anbindung an die Unterwelt der Triebe gehabt haben muss, die ganz von dieser Welt ist. Verführung und die ihr entgegenkommenden Begehrlichkeiten zeigen Carsens Filmeinblendungen, die handelnden beziehungsweise eben nicht handelnden SängerInnen, dass Quint einen unkontrollierten Raum okkupierte und dass in einem Klima von Autoritätshörigkeit, Verklemmung und Einschüchterung auch naheliegende Kontrollmechanismen außer Kraft gesetzt bleiben.
Die Produktion dieser Britten-Oper verfügt über ein illustres Sänger-Team – von Sally Matthews als Gouvernante bis zum 13-jährigen Teddy Favre-Gilly als heranwachsendem Miles. Cornelius Meister leitet das Kammerensemble im Graben des Theaters an der Wien konzentriert und, gerade auch bei den Spätromantizismen, mit Verve.
Robert Carsen ist auf dieser Klangfolie eine zugleich hinreichend diskrete und doch entschiedene Inszenierung gelungen, die den verschiedenen Facetten der Horrorgeschichte in meisterhafter Balance gerecht wird – bis hin zum Tod des kleinen Miles, der sehr an den holden Knaben im Arm des Vaters erinnert, dem "Erlkönig ein Leids gethan".