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Klare Möbel für trübe Zeiten

Wie steht’s mit dem Zeitgeist? Eine feste Einrichtung gibt es, die alljährlich Antwort gibt auf diese Frage: die Möbelmesse. Kaum eine Branche fühlt sich für den Wandel der gesellschaftlichen Stimmungen so zuständig wie die der Möbelhersteller. Und seit es eine Möbelmesse gibt, wird sie begleitet von allerlei Worterfindungen der Trendforscher - mal schlug das Pendel zur "Neuen Prächtigkeit" hin aus, mal zur "Neuen Bescheidenheit". Aber das waren noch Zeiten, als man es sich sozusagen aussuchen konnte, welchem Trend man folgen wollte: Auch die Neue Bescheidenheit war mal ein Trend im bunten Angebot der Luxusoptionen. Bescheidenheit, aus Not geboren, sieht anders aus. Schon im letzten Jahr spürte die jahrelang so verwöhnte Möbelbranche den Gegenwind der anrollenden Krise, dieses Jahr sprechen die Zahlen noch viel deutlicher: 9,8 Prozent Umsatzrückgang in einem Dreivierteljahr und etliche geschlossene Betriebe in einem großenteils mittelständischen Gewerbe. Trübe Zeiten, nennt der Sprecher des Fachverbands das mit Recht, aber er kann einen Trost hinzufügen, wie ihn nur die Möbelbranche kennt und schätzt: "Trübe Zeiten, die dem Wohnen allerdings auch ein neues Gewicht verleihen."

Beatrix Novy, nach einem ersten Gang über dei Kölner Möbelmesse, mit ihren Überlegungen zur Frage aller Fragen. |
    Natürlich, wenn es in der Welt stürmt, zieht sich der Mensch in die Höhle zurück. Wenn draußen Krieg aufzieht, sucht er Schutz in der festen Burg. "Homing" nennen die Möbelsoziologen jetzt diese Tendenz, die das so genannte "Cocooning" vergangener, besserer Tage übersteigt. Daheim soll es warm sein, da will man Ruhe, asiatische Anregungen vermitteln sie einem, man will eine feste "Wertewelt" vorfinden, gegründet auf Familie und Freunde und am besten unterzubringen in einer "Erlebnis-Kochzone", früher: Wohnküche; da soll der Sessel auch einer längeren Periode der Beschäftigungslosigkeit angenehme Seiten verleihen: Nennen wir diesen besonders komfortablen, verstellbaren und knautschigen Sessel doch "Oblomov", nach der berühmten Romanfigur, Oblomov, der auf seinem häuslichen Polster entschlusslos und gemütlich herumphilosophiert.

    Ja, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Zeitgeist und dem Möbel, schon weil die Hersteller gezwungen sind, den gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Zum Beispiel demographischen Entwicklungen: In diesem Jahr gibt es mehr Möbel, die eigens designt wurden für die Bedürfnisse alter Menschen. Oder die wachsende Zahl mobiler Singles: Seit langem motiviert sie findige Designer, die Möbel möglichst multifunktional, möglichst kleinräumig zu machen; in diesem Jahr gipfelt das Thema im zusammenfaltbaren Arbeitszimmer: morgens ein Büro, abends ein unauffälliges Schrankregal, klapp und weg, die Lösung für den Großstadtnomaden. Lösungen - rationelle, findige, originelle - sind das Zauberwort, wo Raum, Zeit und - ja auch Geld fehlt. Wer wenig Geld hat, kann immer noch mit Licht ein bisschen Veränderung in die Wohnung bringen: Lichtdesign ist ein besonderer Schwerpunkt bei der Kölner Messe.

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