Samstag, 20. April 2024

Archiv


Klares "Nein" zur Kultur als Freihandelsgut

Bernd Neumann lässt keinen Zweifel aufkommen: Der Kultur- und Medienbereich soll außen vor bleiben beim geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Die Aufgabe der Autonomie deutscher Kulturpolitik sei "nicht akzeptabel", so der Kulturstaatsminister.

Das Gespräch führte Doris Schäfer-Noske | 10.06.2013
    Doris Schäfer-Noske: Autos aus Europa würden durch den Abbau von Zöllen in den USA billiger und dadurch würde die Autoindustrie angekurbelt. Solche Beispiele werden genannt, wenn es um die Vorzüge eines Freihandelsabkommens mit den USA geht. Die Europäische Union und die USA wollen einen neuen Anlauf für ein solches Abkommen nehmen. Ende dieser Woche soll die EU-Kommission das Mandat für die Verhandlungen bekommen. Und die Bundesregierung unterstützt dieses Vorhaben mit Nachdruck. Die Bundeskanzlerin betonte daher gestern noch einmal, die EU-Länder sollten keine Hürden aufstellen.

    Solche Hürden gibt es einige und auch ganze Bereiche, die mancher in Deutschland oder auch in ganz Europa gerne aus den Verhandlungen ausklammern möchte: die Kultur zum Beispiel. Frage an Kulturstaatsminister Bernd Neumann: Herr Neumann, die Bundeskanzlerin will also keine Hürden. Muss jetzt die Kultur bluten, damit es den Autobauern besser geht?

    Bernd Neumann: Sie müssen bei dieser Frage unterscheiden zwischen der Methode des Vorgehens und der Zielsetzung. Bei der Methode des Vorgehens ist die mehrheitliche Auffassung der Regierungschefs der europäischen Länder, dass man das Mandat nicht belastet mit einer Reihe von Ausnahmen. Dies auch deshalb, weil nicht nur Leute wie ich und Andere die Kultur und den Mediensektor ausgeklammert wissen wollen, sondern da gibt es Wünsche aus Frankreich und woanders, zum Beispiel die Landwirtschaft auszuklammern etc., und da ist die Position der Regierung, hier solle man von vornherein nicht Hürden für alle möglichen Themen aufbauen.

    Wichtig ist zu wissen, dass die Bundesregierung geschlossen der Auffassung ist, dass in einem späteren Abkommen der Bereich Kultur und Medien nicht einbezogen wird, weil er im hohen Maße die besondere Identität der Länder zum Ausdruck bringt, die ja auch gesichert ist durch die UNESCO-Konvention zum Schutz kultureller Vielfalt, die alle europäischen Länder, auch Deutschland unterschrieben hat, die USA im Übrigen nicht, weil dort ein anderes Verständnis für Kultur vorherrscht.

    Schäfer-Noske: Herr Neumann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, sieht Sie da als Kulturstaatsminister in einer Zwickmühle.

    O-Ton Olaf Zimmermann: "Ich glaube, dass Staatsminister Neumann in dieser Frage in einer schwierigen Situation ist, weil er hat ja auf der einen Seite den gemeinsamen Brief der jetzt 17 europäischen Kulturminister für eine Ausnahmeregelung bei diesem Handelsabkommen für den Kultur- und Medienbereich unterschrieben. Aber auf der anderen Seite hat die Bundeskanzlerin, also seine unmittelbare Chefin, ganz eindeutig und klar gesagt, es soll keine Ausnahmen vorab geben. Der Kultur- und Medienmarkt ist kein normaler Markt und man kann ihn nicht so behandeln wie die Automobilindustrie oder die chemische Industrie."

    Schäfer-Noske: Wie wollen Sie denn diesen Widerspruch lösen? Oder anders gefragt: Welche Bereiche sind für Sie tabu und welche nicht innerhalb der Kultur und Medien?

    Neumann: Was Herr Zimmermann sagt, ist zu 80 Prozent richtig, zum Schluss nicht. Er zieht aus dem methodischen Vorgehen der Bundesregierung wie aber auch anderer Bundesregierungen den Schluss, dass die Bundesregierung oder die Bundeskanzlerin die Kultur dem allgemeinen kommerziellen Markt übergeben will, und ich habe deutlich gemacht, dass es falsch ist. Für uns ist die Einbeziehung von Kultur und Medien und damit die Aufgabe der Autonomie auch deutscher Kulturpolitik nicht akzeptabel! Das Europäische Parlament hat sich auch artikuliert und wichtig ist ja am Ende, wie Helmut Kohl immer gesagt hat, was hinten rauskommt, und da bin ich doch einigermaßen optimistisch, weil die großen Länder wie Frankreich und Deutschland und Italien und die klassischen Kulturländer eben nicht bereit sind, die Kultur für den Bereich kommerzieller Vereinbarungen zu opfern.

    Schäfer-Noske: Es gibt da einen Punkt, wo große Ängste bestehen, und der bezieht sich auf den Bereich Fernsehunterhaltung, auch Internet-Fernsehen, dass da die Kultur sozusagen, wenn sie jetzt nicht von vornherein schon mal rausgenommen wird, dass dann vielleicht ein Teil doch in das Abkommen hineingenommen werden könnte. Wie stehen Sie dazu?

    Neumann: Was unser Fernsehen, insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen angeht, ist das auch ein Ausdruck unserer besonderen kulturellen Situation. So übertragen gibt es ja das in den USA nicht und deswegen fällt es auch darunter. Und darunter fällt auch, weil Sie das ja nicht mehr trennen können – Sie können ja den analogen Bereich des Fernsehens nicht mehr trennen von dem digitalen – ist das auch einzubeziehen.

    Schäfer-Noske: Das heißt, wir müssen weder Angst haben, dass wir demnächst von amerikanischen Serien überschwemmt werden, dass es für die Filmförderung eng werden könnte, dass es vielleicht auch für die Buchpreisbindung eng werden könnte?

    Neumann: Sie haben genau die Bereiche genannt, für die es sich zu kämpfen lohnt. Wir werden am Ende einem Vertrag, in dem die Kultur und der Medienbereich dem kommerziellen Sektor geopfert würden, nicht zustimmen. Da muss der Status quo, wie er jetzt ist, wie er auch bei den GATT-Verhandlungen damals vor vielen Jahren so erreicht wurde, der muss bestehen bleiben. Und in diesem Punkte bin ich optimistisch, weil wir das Europäische Parlament hinter uns haben, weil wir wichtige große Länder in Europa hinter uns haben und die Bundesregierung hier in der Sache auch eine klare Haltung hat.

    Schäfer-Noske: Kulturstaatsminister Bernd Neumann war das über das geplante Freihandelsabkommen mit den USA.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.