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Klares Signal für Nordkorea

Die Streitkräfte der USA und ihre Verbündeten erhöhen in diesem Jahr deutlich ihre militärische Präsenz im Pazifik. Jetzt wollen die USA, Japan und Südkorea dem potenziellen Aggressor Nordkorea ein klares Signal senden und haben seit Donnerstag mit dem größten Militärmanöver seit Ende des Koreakrieges begonnen.

Von Peter Kujat | 23.06.2012
    An das Säbelrasseln aus dem Norden hat man sich ein Stück weit gewöhnt. Doch die vielen Manöver und Übungen auf der anderen Seite sind neu. In den letzten Jahren hat Südkorea seinen Ton gegenüber dem Nachbarn deutlich verschärft. Der amtierende Präsident Lee Myung-bak versucht mit einer harten Haltung, Nordkorea zum Einlenken in der Frage des Atomprogramms zu zwingen. Bisher erfolglos.

    Als im Frühjahr 2010 ein südkoreanisches Patrouillenboot versenkt wurde – wahrscheinlich von einem nordkoreanischen Torpedo – und ein dreiviertel Jahr später durch einen nordkoreanischen Artillerie-Angriff auf eine vorgelagerte, südkoreanische Insel vier Menschen starben, begann Südkorea aufzurüsten.

    "Von jetzt an wird die Regierung alles, was nötig ist, tun. Die Armee wird ihrem Namen alle Ehre machen. Wir werden die fünf Inseln im westlichen Meer nahe der nördlichen Grenzlinie verteidigen und auf jede Provokation des Nordens entsprechend reagieren."

    So der südkoreanische Präsident. In den folgenden Monaten schaukelten sich die Drohungen und Machtdemonstrationen immer wieder auf. Anlässlich des 62. Jahrestages des Beginns des Koreakrieges am 22. Juni 1950 halten die USA und Südkorea ihre bisher größte Übung ab, bei der mit scharfer Munition geschossen wird. Zeitgleich finden See-Manöver zwischen den USA, Südkorea und Japan statt. Nordkorea warnte bereits vor einem neuen Krieg. Die USA haben 28.500 Soldaten in Südkorea stationiert unter anderem direkt an der stark befestigten Grenze zu Nordkorea. Doch von der Neuordnung der US-Streitkräfte im pazifischen Raum werden auch diese betroffen sein. Deshalb will Südkorea seine Armee aufrüsten und eine früher beschlossene Reduzierung von 650 Tausend auf 387 Tausend Mann rückgängig machen.

    Zum Vergleich: Nordkorea hat über eine Millionen Menschen unter Waffen. Vor Kurzem kündigte Südkorea zudem an, Mittelstrecken-Raketen entwickeln zu wollen. Einem Vertrag mit den USA zufolge sind bisher Raketen mit einer Reichweite über 300 Kilometern für Südkorea tabu. Das will Präsident Lee ändern. Vergangene Woche trafen sich die beiden Außen- und Verteidigungsminister in Washington, um über ein in der Reichweite begrenztes, auf die Situation in Korea spezialisiertes Raketenabwehrsystem zu sprechen.

    "Es hat große Veränderungen in der Republik Korea und der Welt insgesamt gegeben. Um mit der veränderten Sicherheitslage Schritt zu halten, ist es notwendig, das zu überdenken auf der Basis unseres tiefen Vertrauens zueinander. Deshalb sind wir hier zusammengekommen. Über die vergangenen, vier Jahre haben wir unsere Partnerschaft ausbauen können trotz der nordkoreanischen Drohungen."

    So formulierte es der südkoreanische Außenminister bei seinem Besuch in den USA. Doch es gibt durchaus Differenzen. Die USA wollen ein Wettrüsten auf der koreanischen Halbinsel auf jeden Fall verhindern. Offiziell haben sie im Kriegsfall noch den Oberbefehl über eine gemeinsame US-südkoreanische Armee inne. Diese noch aus dem Koreakrieg von 1950 bis 1953 stammende Vereinbarung soll jedoch 2015 auslaufen. Angesichts der Sparzwänge ist die US-Armee durchaus interessiert, einige Aufgaben im Pazifik abzutreten. Deshalb forciert Washington auch die Annäherung zwischen Japan und Südkorea.

    Die Narben der japanischen Besatzungszeit sind noch nicht verheilt, sodass militärische Abkommen oder ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen den Armeen bisher nicht stattfinden. Das gemeinsame Manöver zwischen den USA, Südkorea und Japan am Donnerstag und Freitag stellt eine Neuerung dar. Offiziell ist es rein "humanitärer Natur" und beinhaltet gegenseitige Besuche sowie Such- und Rettungsübungen. Aber der Protest ließ nicht lange auf sich warten und kam nicht nur aus der nordkoreanischen Hauptstadt.

    "China ist überzeugt, dass die internationale Gemeinschaft, besonders die Länder im Asiatisch-Pazifischen Raum, Dinge unternehmen sollten, die dem Frieden und der Stabilität auf der koreanischen Halbinsel förderlich sind und in Nordost-Asien allgemein. Aber nicht das Gegenteil."

    In der Tat müssen die Manöver längst in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Mag es vordergründig noch darum gehen, Nordkorea die gemeinsame Schlagkraft zu demonstrieren, sind gerade die trilateralen Übungen darauf ausgelegt, der gewachsenen Militärmacht China etwas entgegenzusetzen, meint Professor Wilhelm Vosse, Direktor des Instituts für sozialwissenschaftliche Forschungen an der Internationalen Christlichen Universität in Tokio.
    "Offiziell richten sich diese Manöver gegen niemanden. Natürlich hat man immer das Gefühl, dass sie sich gegen einen Feind richten und dieser potenzielle Gegner ist sicherlich die Volksrepublik China. Das wird natürlich nie so ausgesprochen."

    Südkorea wie Japan verfolgen die wachsenden Machtansprüche Chinas aufmerksam. Eine zwischen Japan und China umstrittene Inselgruppe sorgt immer wieder für Spannungen. Als es vor zwei Jahren wegen eines Fischerei-Vorfalls zu diplomatischen Auseinandersetzungen kam, bezog die USA eindeutig Position zugunsten Japans. Die USA brauchen verlässliche Partner in der Region, um dem Einfluss Chinas entgegenwirken zu können. Doch es gibt in der japanischen Elite eine Strömung, die eine stärkere Öffnung hin zu China fordert. Professor Wilhelm Vosse hält so einen Richtungswechsel langfristig für möglich.

    "Wenn die Geschichte ein Hinweis ist, was Japan in Zukunft macht, dann wäre das, dass Japan in 20 oder 30 Jahren wesentlich enger mit China zusammenarbeitet und sich eventuell sogar sicherheitspolitisch an China bindet. Es war in der Geschichte ja immer der Fall, dass Japan sich mit dem stärksten Land verbündet hat. Gegenwärtig sind das natürlich die USA. Wenn sich das aber verschiebt, also zunächst einmal wirtschaftlich, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Japan nicht nur auf der wirtschaftlichen Ebene, sondern auch politisch und sicherheitspolitisch wesentlich enger zusammenarbeiten wird."

    Schon jetzt ist das Handelsvolumen mit der Volksrepublik China seitens Japans wie Südkoreas größer als das mit den USA. Tendenz steigend trotz der territorialen Streitigkeiten. Allerdings wurde in einer jüngsten Umfrage anlässlich der Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen Japan und der Volksrepublik China deutlich, dass die jeweilige Mehrheit in den beiden Ländern keine freundschaftlichen Gefühle gegenüber dem Nachbarn hat.

    "In allen drei Ländern gibt es sehr starke nationalistische Strömungen. Es gibt eine patriotische Grundhaltung, die teilweise der Grund sind, warum eine engere Zusammenarbeit weiterhin schwierig ist."