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Klassensprecher des Jahres
Gute Konfliktlöser für den Klassenraum

Gute Klassensprecher lösen Konflikte, sie gestalten, verändern, verbessern ihre Schule. In Workshops können sie die Skills trainieren, die sie für den Schulalltag brauchen. In Berlin werden jetzt die Klassensprecherin und der Klassensprecher des Jahres gekürt.

Von Manfred Götzke | 19.06.2019
Vollgeschriebene Schultafel mit mathematischen Gleichungen.
Wer ist Berlins beste Klassensprecherin, wer der beste Klassensprecher? Berlin wählte per Online-Abstimmung (imago stock&people/Michael Gottschalk)
"Wo begegnet euch Konflikt im Schulalltag? Habt ihr da Situationen?"
Christoph Waleschs Klassensprecher-Klasse ist an diesem heißen Nachmittag etwas kleiner als sonst. An den Tischen ihm gegenüber sitzen heute Maxi Barow und Felix Stephanowitz. Beide gehen in die 9. Klasse an Berliner Gymnasien und sind schon seit mehreren Jahren Klassensprecher.
"Ich finde, da die meisten Konflikte aufkommen durch Meinungsverschiedenheiten, sollte das wichtigste sein, dass beide Meinungen auch gehört werden."
Wie tickt die eigene Klasse? Wie ticken Jugendliche?
Hier in den Workshops, die der 31-jährige Rhetorik-Trainer für den Verein "Empati" in Berlin-Neukölln gibt, trainieren sie regelmäßig die Skills, die sie in ihrem Schulpolitiker-Alltag so brauchen. Thema heute: Wie löse ich Konflikte richtig?
"Es kommt immer auf die Gruppen an, wobei man als Klassensprecher wissen sollte, wie tickt denn die eigene Klasse, wie ticken Jugendliche in dem Alter."
"Genau, ich kann Streit und Konflikte eher lösen, wenn ich von meiner Sichtweise erstmal abweiche und die andere probiere zu verstehen, ähnlich wie du es schon gesagt hast, Felix..."
Dabei sind die beiden Gymnasiasten eigentlich schon ziemlich gut im Konfliktlösen – schließlich ist Maxi für den Titel Klassensprecherin des Jahres nominiert. Und Felix sitzt in der Jury.
"Meiner Meinung nach sollte ein guter Klassensprecher Engagement zeigen, sich für seine Klasse einsetzen, selbst wenn es nicht seiner eigenen Meinung entspricht, er sollte sich für die Schülerschaft einsetzen und dieses Engagement im besten Fall über die Schule hinaus weitertragen."
"Ein guter Klassensprecher sollte auf jeden Fall noch ausdauernd sein, denn wenn man immer mal Niederlagen erlebt, dann darf man nicht einfach aufgeben!"
Jury aus Schülern, Eltern, Wissenschaftlern und Politikern
Die beiden Vorzeige-Klassensprecher lösen nicht nur Konflikte zwischen Schülern und Schülern oder Schülern und Lehrern. Sie gestalten, verändern, verbessern ihre Schule. Auch das mache einen guten Klassensprecher aus, meint Maxi. Sie hat in den letzten Jahren gleich mehrere AGs gegründet – und Schulprojekte gestartet.
"Wir hatten letztens ein Projekt, das wirklich sehr erfolgreich war. Wir haben probiert, dass weniger Plastik in der Schule verwendet wird, und dass wirklich alle Schüler darauf achten, weniger Plastik zu verwenden. Und das war ein großer Erfolg."
Für ihr Engagement wird sie heute vielleicht mit dem Titel Klassensprecherin des Jahres belohnt. In den vergangenen Wochen konnten die Berliner Schüler online für ihre Klassensprecher abstimmen. Die zehn mit den meisten Stimmen sind wie Maxi in die Endrunde gekommen. Wer gewinnt, entscheidet eine Jury aus Schülern, Eltern, Wissenschaftlern und Politikern. Erster Preis: eine Reise für die ganze Klasse. Doch darum gehe es eigentlich nur am Rande, sagt Rhetorik-Trainer Walesch, der den Wettbewerb mitorgansiert.
"Ziel ist, zu zeigen: Egal ob es darum geht eine spektakuläre Klassenfahrt zu organisieren oder ob wir sagen wir müssen auf die Straße gehen und für unser Klima kämpfen: Der entscheidende Punkt ist, solange Schüler nicht ernst genommen werden in ihrem Engagement und auch nicht gesehen werden, sind die Chancen gering, etwas zu bewegen, auf Schulebene auf Landesebene.Wir wollen das Engagement stärken, um Schülern zu zeigen: Demokratie ist was Positives."
Aber eben auch das sprichwörtliche Bohren dicker Bretter, wie Klassensprecher Felix vor ein paar Wochen mal wieder erlebt hat. Tagelang hat der Neuntklässler mit der Schulleitung verhandelt, ob die Schüler für die fridays for future Demos offiziell freigestellt werden.
"Wir wollen dahingehen, wollen, dass es möglich ist fürs Klima einzustehen. Und die Schulleitung sagte eben: "Nnein, das wollen wir nicht...weil es ne Grauzone ist"...
Mehr als einfach nur Schüler sein
Rausgekommen ist ein typischer Kompromiss, erzählt er.
"Man hat eine Art Konsens gefunden, sich eben krank stellen zu lassen von den Eltern, um dahin zu gehen. Ich persönlich finde das schwierig, aber es ist immerhin eine Möglichkeit. Wir machen was für unsere Zukunft, denn wenn die anderen es nicht auf die Reihe kriegen, müssen wir ausdauernd sein und kämpfen!"
Felix kämpft nicht nur in seinem Gymnasium für die Interessen der Schüler, er macht auch auf Bezirks- und Landesebene Schulpolitik. Ist stellvertretender Landesschülersprecher.
"Ich wollte immer schon mehr als einfach nur Schüler sein. Ich wollte zeigen, was Jugendliche alles können und was Jugendliche tun dürfen sollten, was sie für ne Stimme haben. Denn Kinder sind nicht nur klein und unwissend. Jugendliche haben verdammt viel zu sagen – und diese Meinung sollte erhört werden!"