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Klassenziel nicht erreicht

Nur ein Viertel der Arbeitskräfte in Portugal kann ein Schulabschlusszeugnis vorweisen. Das hat tiefgreifende Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung im Land. Jochen Faget berichtet.

    Seit fast einem halben Jahr ist die 27-jährige Susana Correia arbeitslos. Und das dürfte sich in der nächsten Zeit auch nicht ändern: Susana hat weder einen Schulabschluss, noch eine Berufsausbildung. Und die portugiesische Wirtschaft steckt in der Dauerkrise.

    "Ich mache jede Arbeit. Ich kann es mir nicht aussuchen. Ich nehme jeden Job,"

    meint die junge Frau aus der nordportugiesischen Industriestadt Braga. Nur findet sie eben nichts.

    Tausenden Portugiesen geht es wie Susana: Weil sie schlecht ausgebildet sind, kommen sie - wenn überhaupt - nur als Gelegenheitsarbeiter unter - zu Niedrigstlöhnen, die um 400 Euro im Monat liegen. Nur ein Viertel der Arbeitskräfte im westlichsten Land Europas kann ein Schulabschlusszeugnis vorweisen und hat damit äußerst schlechte Karten auf dem Arbeitsmarkt. Der ohnedies enge Grenzen setzt, denn die Arbeitslosenquote in Portugal ist zuletzt auf acht Prozent angestiegen.

    Es dürfte noch schlimmer kommen: Denn obwohl die Politiker immer wieder betonen, wie wichtig gute Erziehung und solide Ausbildung seien, leistet Portugal sich den Luxus der höchsten Zahl von Schulabbrechern in Europa.

    Zum einen, sagt der Soziologe Paulo Peixoto von der Universität Coimbra, liege das an dem völlig überalterten Schulsystem. Zum anderen an der Regierung, die es bei Lippenbekenntnissen belasse:

    "Sicher spricht die Regierung immer wieder von neuen Technologien und Kompetenzverbesserung. Aber bis jetzt hat sie noch keine vernünftigen Investitionen im Ausbildungs- und Erziehungsbereich dafür getätigt."

    Und von nichts komme eben nichts, sagt Peixoto: Portugals Gesellschaft sei noch immer rückständig und ländlich ausgerichtet. Darum schaffe das Land es nicht, moderne Industriebereiche aufzubauen, die im Armenhaus Europas mehr Wohlstand schaffen könnten:

    "Der Großteil der Portugiesen ist weiterhin sehr schlecht ausgebildet. Und was die Arbeitsplätze betrifft, gibt es die vor allem, ja fast ausschließlich nur im Niedriglohnbereich."

    Darunter wiederum leiden die wenigen, die studiert haben: Akademiker arbeiten oft weit unter ihren Qualifikationen, sogar als Verkäufer in Supermärkten oder Call-Centern und verdienen dort kaum mehr als 500 Euro im Monat. Der Student Carlos Brigadeiro klagt:

    "Nach dem Studium finden viele junge Leute keine Arbeit. Es gibt immer weniger Arbeitsplätze für uns. Meine Kollegen und ich blicken mit großer Sorge in die Zukunft."

    Nicht ohne Grund: Rund ein Viertel der Jungakademiker Portugals ist arbeitslos und macht gezwungenermaßen sogar ungelernten Billigarbeitern wie Susana Correia aus Braga auf dem Arbeitsmarkt Konkurrenz. Die Konsequenz: Immer mehr gut ausgebildete Portugiesen verlassen ihre Heimat, gehen als Gastarbeiter ins Ausland. Viele Akademiker und selbst der Student Carlos denken darüber nach, sich nach dem Studium einen Job in der Fremde zu suchen. Auch Susana Correia will weg aus Portugal:

    "Immer mehr Menschen emigrieren. Es ist wieder so, wie früher. Aber die Lage im Land lässt uns kaum Alternativen. Ich überlege mir auch, ob ich weggehen soll. Ich sehe eigentlich keinen anderen Ausweg. Hier geht es uns zu schlecht. Hier gibt es nichts, das mich hält."