Theaterklassiker sind gelb und billig. Sie passen bequem in die Gesäßtasche des Abiturienten oder ins Handtäschchen der Premierengängerin. Man kann sie unauffällig konsultieren, doch selbst wenn man’s öffentlich macht, schadet es dem Renommee keineswegs. Im Gegenteil, es weist einen als ehrlichen Asketen der Künste aus, dem das audiovisuelle Tohuwabohu unserer Tage auf die Nerven geht. Doch Hand aufs Herz: Wer liest die gelben Klassiker heute noch? Oder andersherum gefragt: Wer muss sie eigentlich lesen? Richtig - Schüler, Studenten, Lehramtsanwärter. Und die sind im allgemeinen nicht sehr asketisch gestimmt, sondern von Computer, Film, Fernsehen im Bilderrausch sozialisiert worden. Wie trägt man Theaterklassiker an sie heran?
"Wir stellen in dem Buch immer die Theateraufführung dem Original gegenüber. Das heißt, wir drucken immer zwei Texte ab. Wir drucken die Theaterfassung und dazu den Text der Nationalausgabe. Dass wir immer den Originaltext haben! Also nicht jeder ist ja in einer Nationalausgabe vertreten, aber den Originaltext, dass der Leser immer vergleichen kann. Das ist von uns so gewollt. Er muss Vergleichsmomente haben, so wie er dann auch, wenn dann die DVD und die CD dabei ist, dann hat er auch verschiedene Theaterstücke zum Vergleichen, also klassisch-historisch, da gibt sich eins dem anderen die Hand, also eine große Farbigkeit."
Der neue Theaterklassiker passt in keine Gesäßtasche mehr. Er ist ein opulenter Bildband im Kartonschuber, enthält zwei Fassungen des Stücktextes, einen Einführungsessay und einen auf die Klientel zugeschnitten Anmerkungsapparat. Er kostet nicht fünfzehn, nicht zwanzig, nicht fünfundzwanzig Euro, sondern nur derer acht - was dem schmalen Taschengelddeputat von Schülern entgegenkommt. Wer noch etwas drauflegt, erhält zusätzlich eine CD-Variante mit Hörbuch- oder Hörspielfassung, und wer das Theater wirklich liebt - oder zu lieben lernen will oder einfach einen verführerischen Unterricht gestalten will -, greift zur Luxusvariante auf DVD:
"Auf der DVD ist entweder die Aufführung des Theaters drauf oder eine klassische Verfilmung. Die sind jeweils mit Menüführung versehen. Die Seitenzahlen und die Zeilenzahlen aus dem Buch treffen sich dann auf der Menüführung der DVD und auf der CD wieder. Der Lehrer oder der Dozent oder der Kunstinteressierte auf der anderen Seite hat immer die Möglichkeit dann zu sagen "Ich möchte jetzt von Seite 121 Zeile 5 gern sehen". Dann kann er das mittels der Menüführung sofort sehen und hat das in Sekundenschnelle auf dem Bildschirm. Die gleiche Möglichkeit hat er bei der CD. (…) Das ist ein Hörbuch, aber auch mit Menüführung. (…) Und beim Hörbuch greifen wir auch wieder entweder auf historische Aufnahmen zurück oder wir produzieren die selber. Mit dem Schauspielensemble des jeweiligen Theaters."
Der kleine Erfurter Peter-Stein-Verlag - das ist nicht der Peter Stein, aber auch ein theaterbegeisterter Träger dieses Namens - startet mit seiner neuen Medienkombination ein ambitioniertes Projekt auf dem steinigen Feld der Klassikervermittlung. Unterstützt von Germanisten der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität und sekundiert vom "Thüringer Institut für Lehrerfortbildung" will man mindestens ein Dutzend Stücke pro Jahr aufbereiten und unters junge Volk bringen. Den Anfang macht Schillers "Kabale und Liebe", ein Dauerbrenner auf deutschen Bühnen und in den Schullehrplänen. Die Aufführung steuerte das Nationaltheater Weimar bei, die Fotos schoss Kurt Kalischke. Der nämlich ist Spiritus rector des Unternehmens.
"Ich bin ein gestandener Fotograf, der aus dem Film kommt. Und ich hab viele Filme jetzt in der Neuzeit fotografiert, im In- und Ausland."
Doch der umtriebige Mittfünfziger denkt dabei weniger an eine ABM-Maßnahme für sich selbst als an ein europaweites Pionierprojekt, dem sich nach erfolgreichem Start in Deutschland auch französische, englische, spanische Aufbereitungen anschließen sollen. Da staunt man nicht nur über den Mut, sondern vor allem über die Geschwindigkeit, mit der Kalischke namhafte Kooperationspartner um sich schart. Die "Hamlet"-Inszenierung wird von den Münchner Kammerspielen kommen, der "Faust" - natürlich! - von Peter Stein … dem richtigen diesmal:
"Peter Stein ist mein eingetragener Künstlername seit vielen, vielen Jahren."
… verrät Kurt Kalischke nun doch sein Geheimnis.
"Und ich trag den Namen in meinen ganzen Veröffentlichungen. Der Zufall wollte es, dass wir plötzlich mit dem Theater in Berührung kamen. Das war wirklich blanker Zufall, dass der Stein-Verlag auch Stein verlegt. Ohne dass wir was voneinander wussten."
Wie aber schafft es das kleine Unternehmen, derart preisgünstige Bücher herzustellen? Ein Bildband für acht Euro, das setzt doch eigentlich Massenauflagen im internationalen Vertrieb voraus? Eben nicht, kontert Kurt Kalischke alias Peter Stein, wo man in Masse produziert, muss man auch mit enormen Streuverlusten und Rückläufen rechnen. Der Thüringer geht exakt den entgegen gesetzten Weg und stellt die Bücher nach Bedarf im auflagenunabhängigen Digitaldruck her:
"Wir haben uns dem Direktversand verschrieben. Das heißt, Sie können es übers Internet bestellen, Sie können es über die Schulen bestellen oder direkt bei uns im Verlag. Dann kriegen Sie es von uns direkt über eine Spedition zugeschickt."
Nun ertrinken im Ozean des Internets schon viele glücklose Kleinverlage, doch das ist auch nicht der Clou des Geschäftsmodells, sondern eher ein Service an Theaterliebhaber, die keine schulpflichtigen Kinder mehr besitzen. Der günstige Preis errechnet sich aus dem Direktvertrieb über die Schulen, die naturgemäß ganze Klassensätze kaufen - das spart den Buchhandel mit seiner nicht unerheblichen Gewinnspanne ein:
"Jeder Handel hat sein Recht, seinen Obolus zu verdienen. Das ist so, und das achten wir auch. Aber da wir uns hier an eine gezielte Richtung wenden, sagen wir, der Direktversand ist für uns der preiswerteste Versand. Sonst müssten wir den Schüler, den Lehrern und Studenten ganz schön in die Tasche greifen."
Wird die noch namenlose Klassikerreihe des Peter-Stein-Verlags auf lange Sicht die gelben Reclambändchen verdrängen? In einem Punkt zumindest sind die Bild-Text-Editionen der Thüringer den schwäbischen Heftchen klar unterlegen: Ob ihrer perfekten Aufmachung laden sie nicht zum Hineinkritzeln und Herummalen ein - bekanntlich die letzte Fluchtmöglichkeit in langweiligen Unterrichtsstunden. Wenn es nach Kurt Kalischke alias Peter Stein geht, wird Langeweile ohnehin nie mehr aufkommen: Da sei sein kombinierter Einsatz von gedrucktem Wort, belebtem Bild und Rezitation vor! Wer das überprüfen will, besucht die Webseite "www.peter-stein-verlag.de".
"Wir stellen in dem Buch immer die Theateraufführung dem Original gegenüber. Das heißt, wir drucken immer zwei Texte ab. Wir drucken die Theaterfassung und dazu den Text der Nationalausgabe. Dass wir immer den Originaltext haben! Also nicht jeder ist ja in einer Nationalausgabe vertreten, aber den Originaltext, dass der Leser immer vergleichen kann. Das ist von uns so gewollt. Er muss Vergleichsmomente haben, so wie er dann auch, wenn dann die DVD und die CD dabei ist, dann hat er auch verschiedene Theaterstücke zum Vergleichen, also klassisch-historisch, da gibt sich eins dem anderen die Hand, also eine große Farbigkeit."
Der neue Theaterklassiker passt in keine Gesäßtasche mehr. Er ist ein opulenter Bildband im Kartonschuber, enthält zwei Fassungen des Stücktextes, einen Einführungsessay und einen auf die Klientel zugeschnitten Anmerkungsapparat. Er kostet nicht fünfzehn, nicht zwanzig, nicht fünfundzwanzig Euro, sondern nur derer acht - was dem schmalen Taschengelddeputat von Schülern entgegenkommt. Wer noch etwas drauflegt, erhält zusätzlich eine CD-Variante mit Hörbuch- oder Hörspielfassung, und wer das Theater wirklich liebt - oder zu lieben lernen will oder einfach einen verführerischen Unterricht gestalten will -, greift zur Luxusvariante auf DVD:
"Auf der DVD ist entweder die Aufführung des Theaters drauf oder eine klassische Verfilmung. Die sind jeweils mit Menüführung versehen. Die Seitenzahlen und die Zeilenzahlen aus dem Buch treffen sich dann auf der Menüführung der DVD und auf der CD wieder. Der Lehrer oder der Dozent oder der Kunstinteressierte auf der anderen Seite hat immer die Möglichkeit dann zu sagen "Ich möchte jetzt von Seite 121 Zeile 5 gern sehen". Dann kann er das mittels der Menüführung sofort sehen und hat das in Sekundenschnelle auf dem Bildschirm. Die gleiche Möglichkeit hat er bei der CD. (…) Das ist ein Hörbuch, aber auch mit Menüführung. (…) Und beim Hörbuch greifen wir auch wieder entweder auf historische Aufnahmen zurück oder wir produzieren die selber. Mit dem Schauspielensemble des jeweiligen Theaters."
Der kleine Erfurter Peter-Stein-Verlag - das ist nicht der Peter Stein, aber auch ein theaterbegeisterter Träger dieses Namens - startet mit seiner neuen Medienkombination ein ambitioniertes Projekt auf dem steinigen Feld der Klassikervermittlung. Unterstützt von Germanisten der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität und sekundiert vom "Thüringer Institut für Lehrerfortbildung" will man mindestens ein Dutzend Stücke pro Jahr aufbereiten und unters junge Volk bringen. Den Anfang macht Schillers "Kabale und Liebe", ein Dauerbrenner auf deutschen Bühnen und in den Schullehrplänen. Die Aufführung steuerte das Nationaltheater Weimar bei, die Fotos schoss Kurt Kalischke. Der nämlich ist Spiritus rector des Unternehmens.
"Ich bin ein gestandener Fotograf, der aus dem Film kommt. Und ich hab viele Filme jetzt in der Neuzeit fotografiert, im In- und Ausland."
Doch der umtriebige Mittfünfziger denkt dabei weniger an eine ABM-Maßnahme für sich selbst als an ein europaweites Pionierprojekt, dem sich nach erfolgreichem Start in Deutschland auch französische, englische, spanische Aufbereitungen anschließen sollen. Da staunt man nicht nur über den Mut, sondern vor allem über die Geschwindigkeit, mit der Kalischke namhafte Kooperationspartner um sich schart. Die "Hamlet"-Inszenierung wird von den Münchner Kammerspielen kommen, der "Faust" - natürlich! - von Peter Stein … dem richtigen diesmal:
"Peter Stein ist mein eingetragener Künstlername seit vielen, vielen Jahren."
… verrät Kurt Kalischke nun doch sein Geheimnis.
"Und ich trag den Namen in meinen ganzen Veröffentlichungen. Der Zufall wollte es, dass wir plötzlich mit dem Theater in Berührung kamen. Das war wirklich blanker Zufall, dass der Stein-Verlag auch Stein verlegt. Ohne dass wir was voneinander wussten."
Wie aber schafft es das kleine Unternehmen, derart preisgünstige Bücher herzustellen? Ein Bildband für acht Euro, das setzt doch eigentlich Massenauflagen im internationalen Vertrieb voraus? Eben nicht, kontert Kurt Kalischke alias Peter Stein, wo man in Masse produziert, muss man auch mit enormen Streuverlusten und Rückläufen rechnen. Der Thüringer geht exakt den entgegen gesetzten Weg und stellt die Bücher nach Bedarf im auflagenunabhängigen Digitaldruck her:
"Wir haben uns dem Direktversand verschrieben. Das heißt, Sie können es übers Internet bestellen, Sie können es über die Schulen bestellen oder direkt bei uns im Verlag. Dann kriegen Sie es von uns direkt über eine Spedition zugeschickt."
Nun ertrinken im Ozean des Internets schon viele glücklose Kleinverlage, doch das ist auch nicht der Clou des Geschäftsmodells, sondern eher ein Service an Theaterliebhaber, die keine schulpflichtigen Kinder mehr besitzen. Der günstige Preis errechnet sich aus dem Direktvertrieb über die Schulen, die naturgemäß ganze Klassensätze kaufen - das spart den Buchhandel mit seiner nicht unerheblichen Gewinnspanne ein:
"Jeder Handel hat sein Recht, seinen Obolus zu verdienen. Das ist so, und das achten wir auch. Aber da wir uns hier an eine gezielte Richtung wenden, sagen wir, der Direktversand ist für uns der preiswerteste Versand. Sonst müssten wir den Schüler, den Lehrern und Studenten ganz schön in die Tasche greifen."
Wird die noch namenlose Klassikerreihe des Peter-Stein-Verlags auf lange Sicht die gelben Reclambändchen verdrängen? In einem Punkt zumindest sind die Bild-Text-Editionen der Thüringer den schwäbischen Heftchen klar unterlegen: Ob ihrer perfekten Aufmachung laden sie nicht zum Hineinkritzeln und Herummalen ein - bekanntlich die letzte Fluchtmöglichkeit in langweiligen Unterrichtsstunden. Wenn es nach Kurt Kalischke alias Peter Stein geht, wird Langeweile ohnehin nie mehr aufkommen: Da sei sein kombinierter Einsatz von gedrucktem Wort, belebtem Bild und Rezitation vor! Wer das überprüfen will, besucht die Webseite "www.peter-stein-verlag.de".