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Klassiker von der Insel am Rhein

Monumental liegt das mittelalterliche Klostergebäude im dunstigen Abendnebel. Altehrwürdige Mauern mit Türmchen und Zinnen, innerhalb derer bärtige Greise verängstigte Kinder zum Abendessen in den riesigen, hohen Klostersaal treiben. Britisches Internat - bei dem Stichwort ersteht vor unserem geistigen Auge ein Traditionsgemäuer, das Harry Potters Hogwarts in nichts nachsteht. Das britische Internat im Kölner Süden, das einzige in Deutschland, kann keines dieser Klischees bedienen.

Von Sandra Pfister |
    Zweistöckige, schlichte gelbe Gebäudekomplexe, ein rotes Dach - und innen alles noch ein wenig kahl, schließlich ist die St. George's School noch ein Neubau, die Außenanlagen sind eine einzige Baustelle, Schul- und Internatsbetrieb laufen erst seit Januar. Die Schulleiterin Alice von Spee.

    "Natürlich kam das mit einem Kostenfaktor zusammen, dass wir etwas Funktionales genommen haben, aber dennoch in einem traditionellen Baustil, man sieht einfach diesen hufeisenförmigen Baustil mit einem inner courtyard, also das ist schon britisch anmutend, aber dennoch modern, aber es passt dennoch gut in die Landschaft hier."

    Wenn schon nicht die Architektur - was ist es dann, was den Reiz dieser Eliteschule ausmacht? Denn dass sie sich an die Elite richtet, an die Finanzelite zumindest, das steht außer Frage. Um 15:30 Uhr fahren hier die Eltern vor, um ihre Kinder abzuholen: Ein Oberklassewagen reiht sich an den nächsten, gelegentlich durchbricht ein britischer Mini-Cooper das Bild. Ein "Term" an diesem Internat, also drei Monate, kostet inklusive Unterbringung und Verpflegung zwischen 9500 und 11.000 Euro - je nachdem, welchen Abschluss die Schüler machen wollen. Das sei verglichen mit anderen internationalen Privatschulen moderat, versichert die Schulleiterin Alice von Spee - und schließlich bekomme man ja auch was für sein Geld:

    "Das ist eines unserer wichtigsten Prinzipien, kleine Klassen. Maximal 20 Kinder, Schüler. Wir machen es auch oft, wenn die Klasse auf die 20 zugeht, dass wir die Klassen trennen und man dann 13 Schüler in einer Klasse hat."

    Kleine Klassen, junge Lehrer, die mit Oxford-English aufgewachsen sind, ein britischer Lehrplan und das internationale Abitur: Das sind die Vorzüge, die sich die Eltern hier erkaufen. 50 Prozent der Schüler haben deutsche Eltern, der Rest kommt aus 35 verschiedenen Nationen. Im Internat würden sie manchmal besser betreut als zuhause, preist die Internatsleiterin Nicky Hollow die Vorzüge ihrer Einrichtung.

    "Ich denke, wir haben Schüler hier aus allen sozialen Schichten. Wir haben hier im Internat Leute aus den Vereinigten Staaten, aus China, aus dem Iran, aus Japan. Sie kommen hier, weil sie Unterricht in Englisch suchen. Ich glaube, es sind nicht nur Leute mit Geld, die denken, sie können ihre Kinder in eine Privatschule schicken. Sie sehen das eher als eine Gemeinschaft, die ihnen Hilfe auch beim Lernen bietet. Und wenn sie zuhause sind, in den Ferien, dann ist einfach Spaß angesagt, Zeit mit der Familie."

    Gute Schulen und Internate auf der Insel verfolgen ein ganzheitliches Konzept; sie wollen die ganze Persönlichkeit erziehen und individuell fördern, und die Lehrer lernen ihre Schüler auch am Nachmittag kennen. Nicky Hollow:

    "Wir machen nicht nur adademic, wir machen die ganze Kind. Wir machen viele Freizeit, die können alles machen, was sie wollen, Sport oder Musik, aber sie müssen auch arbeiten."

    Neben der privilegierten Lehrsituation und dem englischsprachigen Unterricht sei das für viele Eltern das ausschlaggebende Kriterium, vermutet Alice von Spee, die Leiterin der Schule. Viel Leerlauf haben die Schüler in Rondorf deshalb nicht, schildert Jannik Busbach aus Leverkusen, einer von derzeit sechs Internatsschülern, 70 sollen es mal werden. Jannik war vorher zwei Jahre in den USA, wo sein Vater beruflich zu tun hatte. Der 16-Jährige möchte hier das Internationale Abitur machen. Sein Tag beginnt um 7:15 Uhr - mit kollektivem Wecken.

    ""Ich kann relativ lang schlafen, das ist ganz gut, weil wir direkt an der Schule wohnen, Frühstück, Schule, wir haben bis 3:30 Uhr Schule von 8:30 Uhr an, und nach der Schule haben wir erst mal ein bisschen Freizeit. Wir haben auch Clubs nach der Schule, wenn man einen Club macht, und dann um fünf bis sechs Uhr haben wir alle unsere Hausaufgabenzeit, dann sechs bis sieben ist Abendessen, und dann von sieben bis acht ist noch mal Hausaufgabenzeit, und danach haben wir wieder bis abends Freizeit."

    Das britische Internatsleben ist von strengen Regeln geprägt: Alkohol und Zigaretten sind verboten; es herrscht Melde- und Anwesenheitspflicht, und in der Schule wird selbstverständlich die blaue Schuluniform getragen. Die Schulleiterin unterstreicht, dass ein englisches Internat eben auch Sekundärtugenden fördere.

    "So Dinge, die man vielleicht oft nicht mitbekommt in anderen Schulsystemen, gutes Benehmen, Pünktlichkeit, eine fröhliche Disziplin, denn gutes Benehmen steckt einfach an."

    Jannick allerdings versichert, Drill herrsche deshalb aber noch lange nicht. Von einer offenen Atmosphäre zeugen auch die Zimmer: Entgegen dem Klischee sind die Zweier-Zimmer freundlich eingerichtet, mit Holzmöbeln in warmen Farbtönen und Toilette und Dusche auf dem Zimmer. Kalte Duschen waren früher, heute sind auch Internatsschüler Warmduscher, und raue Rituale, bei denen ältere Schüler Neuankömmlinge piesacken, gehören offenbar der Vergangenheit an.

    "Also von der Schule her ist es schon streng und strukturiert, aber es ist nicht allzu streng; was ich super finde, ist, wir haben überhaupt keine Klingel, das heißt man muss selber darauf achten, dass man pünktlich zur nächsten Stunde kommt."

    Wenn in Deutschland ein Kind aufs Internat geschickt wird, dann steckt meistens ein Problem dahinter. In Großbritannien hingegen wird der Besuch eines Internat als Auszeichnung verstanden; so empfindet es auch Jannick Busbach.

    "Also als Strafe würde ich das nicht sehen. Es ist mehr ein Privileg, würde ich sagen, wenn man auf ein Internat gehen darf und die Ausbildung kriegt."