Archiv


Klaus Staeck: Ohne Auftrag. Unterwegs in Sachen Kunst und Politik.

Er selbst nennt sich "Einmischer". Die Rede ist vom streitlustigen Heidelberger Politikkünstler und Grafiker Klaus Staeck. Mit chamäleonartiger Souveränität agiert er seit nunmehr drei Jahrzehnten zwischen Bild und Wort, Politik und Kunst. Er mischt sich ein, ist stets dabei, wenn es darum geht, für die Ziele der SPD zu werben. Und Klaus Staeck produziert in schwindelerregender Schnelligkeit. In nur einem halben Jahr schrieb er seine Autobiografie, die jetzt im Steidl-Verlag erschienen ist. "Ohne Auftrag - unterwegs in Sachen Politik und Kunst" rezensiert Renate Faerber-Husemann

Renate Faerber Husemann |
    In den letzten zehn Jahren gab es regelmäßig milden Spott aus den eigenen Reihen: Nur Klaus Staeck schien noch an einen irgendwann möglichen Sieg der SPD zu glauben - unter Ausblendung der Realität-, die für viele müde gewordene Mitstreiter so aussah: Helmut Kohl war immer Kanzler, Helmut Kohl wird immer Kanzler sein. Und Staecks beharrliches Anrennen gegen diese Lethargie, diese Unlust an der Politik insgesamt , hatte schon etwas vom Kampf gegen Windmühlenflügel. 62 Jahre alt ist der Mann , der in "Europas dreckigster Stadt", in Bitterfeld , aufgewachsen ist und von dort in den Westen floh, weil ihm wegen politischer Unzuverlässigkeit der Zugang zur Universität verwehrt wurde. Er wirkt heute nicht anders als vor 20 oder 30 Jahren: Hager, spitznasig, die Augen hinter den Brillengläsern ihr Gegenüber intensiv fixierend. Und wie immer ist der Wahl-Heidelberger rastlos unterwegs, meist in der deutschen Provinz, hier eine Ausstellung organisierend, dort eine Plakataktion, dazwischen Podiumsdiskussionen, Medientreffen, Konferenzen. Mit einer fast naiv anmutenden Sturheit kämpft er (ob sie das will oder nicht) für die SPD und wirkt dabei zwischen ihren heutigen Leitfiguren fast ein wenig altmodisch. Warum er 1960 in die SPD eingetreten ist und unbeirrbar an ihr fest hält, hat er in seinem neuen Buch "Ohne Auftrag", einer Art Lebensbilanz, so beschrieben:

    "So kam ich nach intensiver Beobachtung aller im Angebot befindlichen Gruppen und Parteien - unter besonderer Berücksichtigung der menschlichen Natur und ihrer Grenzen zu dem Ergebnis, dass die gesellschaftlichen Vorstellungen der Sozialdemokratie wohl das Äußerste an Altruismus sind, was man Menschen zumuten kann, aber auch muss. Alle anderen Weltbeglückungsmodelle und Träume vom neuen Menschen in irdischen Paradiesen enden dagegen erfahrungsgemäß stets in neuen Zwangssystemen."

    Beim Blättern in dem üppigen Prachtband - wunderschön gestaltet vom Freund, Drucker und Verleger Gerhard Steidl - taucht man ein in die längst vergangenen Zeiten, als Politik die Menschen noch aufregen konnte, noch leidenschaftliches Gesprächsthema war. Klaus Staeck wurde bewundert und gehasst für seine oft genau den Nerv treffenden Montagen zu Umweltthemen und Waffenschiebereien, zur "Bild"-Zeitung , zu Franz-Josef Strauß, Hans Filbinger oder Helmut Kohl. Bekannt wurde der Künstler Anfang der 70er Jahre durch sein Plakat "Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen. Satire als Mittel der politischen Auseinandersetzung - das war neu in Deutschland. Vor allem junge Leute waren begeistert von den subversiven Bildern und Texten und begriffen, dass der Einsatz von Ironie und Satire punktgenauer trifft als ödes Labern in Kneipenhinterzimmern unter Gleichgesinnten. Seine größten Erfolge aber verdankt Staeck eher seinen Gegnern als seinen Anhängern, etwa 1976 den konservativen Bilderstürmern rund um den CDU-Abgeordneten Philipp Jenninger. Angetrunken und rasend vor Zorn rissen sie während einer Ausstellungseröffnung in der Parlamentarischen Gesellschaft Staeck-Plakate von den Wänden und trampelten wie ein Trupp Rumpelstilzchen darauf herum. Ihr Pech: Zahlreiche Journalisten und - schlimmer noch - ein Fernsehteam waren Zeugen. Von der Prawda bis zur New York Times wurde berichtet. Staeck in seinem Buch:

    "Nüchtern betrachtet verdanke ich Philipp Jenninger, einem engen Vertrauten Helmut Kohls, die erfolgreichste Public-Relations-Action, die jemals von den Unions-Parteien für mich gestartet wurde. Diese Feststellung gehört auch zur allgemeinen Fairness."

    Fairness, die er selbst damals nicht erlebte. Man verglich in beispiellosen Hetzkampagnen seine Plakate und Poster mit denen im "Stürmer", dem ekligsten Hetzblatt der Nazis. Die Gleichsetzung der Staeck'schen Provokationen mit dem Faschismus kam in den späten siebziger Jahren in Mode. Die Folgen waren für den Künstler brisant: Längst geplante Ausstellungen fanden nicht statt, auf Einladungen folgten Ausladungen. Noch schwieriger aber waren die politischen Klimaveränderungen seit den frühen 80er Jahren. Nichts schien die Leute mehr aufzuregen. Versuche, politischen Streit anzuzetteln, scheiterten am Gähnen der Angegriffenen. Gewiss, Staeck hat immer noch Aufmerksamkeit, aber er braucht Gegner, die sich an ihm reiben, und die scheinen ihm abhanden zu kommen. Alles ist unscharf geworden. Nun ist auch Kohl noch vom Sockel gestürzt, Heiner Geissler eher ein Linker, in Berlin lauter schicke Pragmatiker, die sich als Zielscheiben wenig eignen. Die politische Welt hat sich verändert, Staeck aber ist geblieben , was er immer war: ein altmodischer Sozialdemokrat, der die Welt verbessern will. Die Freunde Böll und Beuys sind tot, geblieben ist Günther Grass, und der hat Anfang dieses Jahres über sich und Staeck gesagt:

    "Der Klaus und ich sind das geblieben, was wir schon immer waren, zwei Steinewälzer. Unser einziger Heiliger, den wir beide haben, heißt Sisyphus - sonst glauben wir an nichts."

    Für politisch Interessierte ist der dicke Band eine Fundgrube: Die Älteren können in Erinnerung schwelgen an Zeiten, als sie noch daran glaubten, dass wirklich jede Stimme zählt und Veränderungen möglich sind. Die Jüngeren lesen an den Postkarten, Aufklebern, Plakaten ab, was die Republik wann stürmisch bewegte, Zeitgeschichte eben, und weitaus amüsanter als im Schulbuch.

    Soweit Renate Faerber-Husemann. Sie rezensierte die Autobiografie von Klaus Staeck: "Ohne Auftrag - Unterwegs in Sachen Politik und Kunst. Erschienen ist das Buch im Steidl-Verlag. Göttingen 2000. Es umfaßt 290 Seiten und kostet 49 Mark 80.