Bettina Klein: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat sein, ja soll man sagen, Veto gegen die Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen jetzt eingelegt, das umstrittene Betreuungsgeld bereits jetzt gesetzlich festzuschreiben. Der vorgelegte Referentenentwurf entspricht nicht eins zu eins den Absprachen in der Koalition, sagte Steinbrücks Sprecher der Berliner Zeitung. Die Interpretationen, worauf sich die Koalition nun wirklich verständigt hat, gehen im Moment irgendwie auseinander. Das Familienministerium jedenfalls besteht darauf, es habe seine Meinung mitnichten geändert und alle Absprachen eingehalten. Die veröffentlichte Meinung, so scheint es jedenfalls, steht überwiegend auf Seiten der SPD, die das als Herdprämie verschriene Betreuungsgeld nicht einführen möchte. Frauen sollen zum zu Hause bleiben angehalten werden, so ein Argument, ein weiteres, die Prämie wird gerade sozial schwache Familien dazu bringen, das Geld einzustecken und die Kinder nicht in die Kita oder Krippe zu geben. Ob das Geld dann bei den Kindern ankomme, sei keinesfalls gewiss.
Das Bundesland Thüringen hat als einziges eigentlich Erfahrungen mit einem ähnlichen Wahlmodell. Dort heißt es allerdings Erziehungsgeld. Und Thüringen hält es seit einigen Tagen als Beweis dafür her, dass die Argumente gegen das Betreuungsgeld zutreffend seien. Das statistische Landesamt dort stellte einen Rückgang fest bei der Betreuung der Zwei- bis Dreijährigen in einem Kindergarten. Um eine Zahl zu nennen, im Land werden derzeit etwa 12.660 Kinder betreut, vor einem Jahr noch waren es etwa 600 mehr. Ich habe vor der Sendung den Minister für Soziales, Familie und Gesundheit des Landes Thüringen, Klaus Zeh, gefragt, ob er vor dem Hintergrund dieser jüngsten Zahlen und Statistiken seine Entscheidung, Einführung des Erziehungsgeldes im Land, bereut.
Klaus Zeh: Ich denke, die Interpretation dieser Zahl ist so nicht zutreffend. Erstens mal gibt es eine Schwankungsbreite pro Jahrgang, die man immer in Erwägung ziehen muss. Da ist es meines Erachtens, wenn wir insgesamt 73,4 Prozent in einer Einrichtung in dieser Altersklasse haben, ist das ja bundesweit immer noch führend. Es ist ja, wenn sie andere Länder vergleichen, die würden sich wahrscheinlich wundern, dass Thüringen so hohe Zahlen hat. Also insofern sage ich erst mal, die Schwankungsbreite der Zahlen muss man da nicht so sehr gewichten. Andererseits sagen wir immer, wir wollen die Wahlfreiheit der Eltern. Wir wollen, dass die Eltern selbst entscheiden in der Situation, in der sie sich befinden, und in der Situation, in der sie auch für ihr Kind die Erziehung beziehungsweise auch den Besuch einer Einrichtung planen, dass man das den Eltern natürlich anheim stellt. Die Eltern haben die Verantwortung, die Eltern haben auch die Pflicht, das Beste für ihr Kind zu sehen. Und insofern ist das aus meiner Sicht eigentlich kein Beweis dagegen, sondern es werden vielleicht ein paar mehr Eltern diese Verantwortung wahrnehmen. Aber ob der Grund die 150 Euro sind, die sogenannte Herdprämie, die ich übrigens sehr diskriminierend empfinde, das kann ich so nicht bestätigen.
Klein: Herr Zeh, gibt es denn belastbare Zahlen im Moment darüber, wer das Betreuungsgeld in Anspruch nimmt? Also sind es Alleinerziehende, sind es Paare, die ohne Trauschein zusammenleben, sind es Ehepaare, die, wie ja auch ein Argument dagegen lautet, Ehepaare, die auch vom Ehegattensplitting profitieren. Weiß man das denn schon?
Zeh: Also leider gibt es darüber noch keine belastbaren Zahlen. Aber wenn ich in meinem ganz eigenen Umfeld, und da kenne ich einige, mal schaue, da gibt es viele, die ganz bewusst sagen, ich möchte, bis das Kind drei Jahre alt ist, zu Hause bleiben. Das sind unter Umständen auch Familien, die zwei und mehr Kinder haben, auch das ist leider nicht erfasst. Das sind die sogenannten Zählkinder. Und wenn ich jetzt, das kann der Zufall der Statistik leider nicht nachweisen, mehrere Kinder habe, die schon Geschwister haben, dann ist die Entscheidung für Eltern, auch zu Hause zu bleiben, wesentlich höher als beim ersten Kind. Und insofern ist das leider ein Mangel an dieser statistischen Zahl, dass ich das nicht belegen kann. Also ich glaube, dass es zumindest in meinem Umfeld immer gerade die sind, die a) entweder mehr Kinder haben und deswegen zu Hause bleiben, weil sie das so wollen. Bei mir in der Verwaltung kenne ich einige, die ja auch gearbeitet haben, die diese Freistellungsphase in Anspruch genommen haben über drei Jahre und so weiter. Also die Gründe sind vielfältig.
Klein: Es gibt keine belastbaren Zahlen über die Motivation, sagen Sie jetzt selbst. Das heißt natürlich im Umkehrschluss auch, man weiß eben nicht, wer aus welchen Gründen lieber das Geld kassiert und die Kinder zu Hause betreut. Man weiß eben dann auch nicht, wie hoch die Zahl derer ist, die jetzt als Argument gegen das Betreuungsgeld herhalten müssen.
Zeh: Also ich gehe erst mal grundsätzlich davon aus, dass die Eltern auch die Verantwortung auf der einen Seite haben, aber die auch sehr verantwortlich wahrnehmen. Immer zu unterstellen, dass die sozial Schwachen zu Hause bleiben und dann die wichtige Erziehung in einer Krippe nicht bekommen, das halte ich per se für falsch. Ich gehe davon aus, dass die Eltern in hoher Verantwortung dies entscheiden, und die Frage letztlich, ist der Staat besser oder ist die Familie als Instanz besser, die würde ich gerne so beantworten für mich persönlich, dass ich einer Familie die Kompetenzen zutraue. Es gibt sicherlich einige, die das nicht können. Aber es gibt eine höhere Zahl, die es eben können. Und dann ist das nicht falsch.
Klein: Nun sagen die Sozialverbände, die vor Ort tätig sind, die teilweise auch Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen sind, wie etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband: Es kommt eben schon vor, dass genau jene Familien ihre Kinder abmelden, die eben von Hartz IV leben müssen, dass es eben tatsächlich solche Familien sind, die eben das Geld mehr lieber in der Haushaltskasse haben und wo dann eben wiederum Bildungsexperten sagen, gerade Kindern jener Familien würden wir eigentlich wünschen, dass sie in staatlichen Betreuungseinrichtungen bleiben.
Zeh: Aber dann ist doch die Strategie besser, dass wir die Eltern bei der Aufgabe der Erziehung unterstützen. Und deswegen hat Thüringen ein umfangreiches Paket geschnürt. Wir haben nicht nur das Erziehungsgeld, sondern wir haben eine Stiftung FamilienSinn. Und diese Stiftung soll genau in der Zielrichtung, auch Eltern bei der Aufgabe der Erziehung zu unterstützen, beistehen, gerade sozial Schwache. Dort werden Familienleistungen finanziert, wo auch Ausbildung, Qualifizierung, wo Lehrgänge stattfinden, die genau die Eltern im Blick haben, die es eben nicht so können. Und dort haben wir auch den Zuspruch, dass Eltern sich gerne auch dieser Lehrgänge annehmen, um dann diese Aufgabe auch bewältigen zu können. Also per se zu sagen, Hartz-IV-Empfänger sind die schlechteren Eltern, das halte ich für diskriminierend.
Klein: In einem Haushalt allerdings, wo es vielleicht nur insgesamt 600 Euro Einkommen gibt, um mal eine Zahl zu nennen, da sind 150 Euro wirklich eine riesengroße Menge Geld. Und da liegt natürlich auch die Überlegung auf der Hand, um das Geld zu bekommen, dann eben zu Hause zu bleiben, die Kinder zu Hause zu erziehen. Und das ist natürlich auch eine Art von Steuerung, die dadurch passiert, sagen Kritiker, nämlich eine Einflussnahme dahingehend, dass Eltern sich eben doch lieber entscheiden, das Kind eben nicht in die Krippe oder in den Kindergarten zu geben.
Zeh: Was wäre denn die Alternative? Kein Erziehungsgeld zu bezahlen. Kein Erziehungsgeld ist schlechter, als Erziehungsgeld zu bezahlen. Wenn ich keine Leistungen den Familien gewähre, dann habe ich das nächste, das ist dann Kinderarmut, die Diskussion. Wir wollen eben, dass wir ein Stück weit dazu beitragen, das Thema Kinderarmut zu begleiten. Wir wahren damit eine Maßnahme. Und dann muss man sich auch mal anschauen, um welches Alter es sich handelt. Es handelt sich um das Alter zwischen zwei und drei Jahre. Wenn ich ab drei Jahre für viele Kinder auch sehe, dass Sozialbezüge zu anderen Kindern wichtig sind, weil oftmals nur ein Kind in der Familie ist, das mal einen Spielkameraden braucht, dann ist das vollkommen richtig. Aber in einem Alter zwischen zwei und drei, da kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Gruppe, wo fünf oder sechs Kleinstkinder sind in einem Alter zwischen zwei Jahre, dass da eine schlechtere Versorgung sein soll, als wenn die eben zu Hause stattfindet. Das ist doch dann nicht zum Schaden für das Kind, wenn sie eben auch auf die 150 Euro Wert legen, das mag ja wohl dann sein, aber dass dann auch eine Betreuung zu Hause stattfindet. Wer sagt denn, dass diejenigen, die auf die 150 Euro auch angewiesen sind, gleich die schlechtesten und schlechteren Eltern sind? Sie sind in dem Alter zwischen zwei und drei sicherlich auch sehr gute Eltern.
Klein: Sie haben gerade noch mal darauf hingewiesen, bitte keine allgemeine Diskriminierung von Eltern, die eben nur von Hartz IV leben müssen. Gibt es für Sie eine Grenze, wenn sich in einer Untersuchung herausstellen würde, dass es eben keine Einzelfälle sind wie die, die viele Kritiker jetzt im Auge haben nach dem Motto, da werden eben 150 Euro kassiert, das fließt in die Haushaltskasse für Zigaretten oder sonst irgendetwas und kommt eben nicht den Kindern zugute. Wenn sich herausstellen würde, dass das eben keine Einzelfälle sind, sondern dass das eben wirklich vor allem diejenigen sind, die auf das Betreuungsgeld zurückgreifen, würden Sie dann sagen, das ist so ein Punkt, dann müssten wir noch mal darüber nachdenken?
Zeh: Also wenn man den Jugendämtern, den Statistiken glaubt, dann sind etwa fünf Prozent das dann als Eltern. Und wenn ich dann die große Mehrheit betrachte, dann kommt das den Kindern zugute, wenn sie zu Hause bleiben. Auch das Geld. Denn wenn jemand zu Hause ist, hat er ja auch Aufwendungen zu Hause, die leicht nachvollziehbar sind. Und insofern, es ist eine geringe Zahl. Und dort haben wir im Gesetz verankert, dass wenn Kindeswohl gefährdet ist, dass dann [auf] das Geld kein Anspruch besteht. Diese Bremse haben wir eingebaut, weil wir wohl sehen, dass es welche gibt, die diese Aufgabe unter Umständen nicht können oder auch nicht richtig wahrnehmen, dass dann das Jugendamt sagen kann: Nein, für den Fall ist kein Anspruch auf das Erziehungsgeld vorhanden.
Klein: Ein anderes Argument gegen das Betreuungsgeld, dass im Moment sehr stark in der Diskussion ist, ist eben, es soll eben doch, vielleicht ideologisch begründet, wie auch immer, dazu führen, dass man dann den Trend doch dahin bekommt, Frauen dazu anzuhalten, zu Hause zu sein, zumindest die ersten Jahre für ihr Kind und eben nicht berufstätig zu sein. Wie sind die Erfahrungen in Thüringen? Ist das falsch?
Zeh: Wir wollen kein Modell präferieren, wir wollen, dass die Eltern die Wahlfreiheit haben. Und wenn wir über 70 Prozent Belegungsquote im Alter zwischen zwei und drei haben, dann ist die Antwort damit schon gegeben. Wir haben in Thüringen einen Trend, dass die Berufstätigkeit, die wahrscheinlich Ursache ist für so eine hohe Belegungsquote, wer zu Hause ist, wird wahrscheinlich die Kinder dann auch zu Hause belassen - dass dann eigentlich ein solcher Trend nicht zu beobachten ist. Es wurde ja prophezeit, es wird massenweise Abmeldungen geben, massenweise Abmeldungen sind überhaupt nicht eingetreten. Wir haben eine Schwankungsbreite, die statistisch noch nicht einmal signifikant ist. Und deswegen bin ich eigentlich optimistisch, dass wir dem Thema Wahlfreiheit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mit dieser Maßnahme ein großes Stück näher gekommen sind und auch unterstützend für das Thema Kinderarmut eine Hilfe gegeben haben für die, die wirklich zu Hause sind, von denen ich aber ausgehe, dass die Eltern auch die Verantwortung wahrnehmen.
Das Bundesland Thüringen hat als einziges eigentlich Erfahrungen mit einem ähnlichen Wahlmodell. Dort heißt es allerdings Erziehungsgeld. Und Thüringen hält es seit einigen Tagen als Beweis dafür her, dass die Argumente gegen das Betreuungsgeld zutreffend seien. Das statistische Landesamt dort stellte einen Rückgang fest bei der Betreuung der Zwei- bis Dreijährigen in einem Kindergarten. Um eine Zahl zu nennen, im Land werden derzeit etwa 12.660 Kinder betreut, vor einem Jahr noch waren es etwa 600 mehr. Ich habe vor der Sendung den Minister für Soziales, Familie und Gesundheit des Landes Thüringen, Klaus Zeh, gefragt, ob er vor dem Hintergrund dieser jüngsten Zahlen und Statistiken seine Entscheidung, Einführung des Erziehungsgeldes im Land, bereut.
Klaus Zeh: Ich denke, die Interpretation dieser Zahl ist so nicht zutreffend. Erstens mal gibt es eine Schwankungsbreite pro Jahrgang, die man immer in Erwägung ziehen muss. Da ist es meines Erachtens, wenn wir insgesamt 73,4 Prozent in einer Einrichtung in dieser Altersklasse haben, ist das ja bundesweit immer noch führend. Es ist ja, wenn sie andere Länder vergleichen, die würden sich wahrscheinlich wundern, dass Thüringen so hohe Zahlen hat. Also insofern sage ich erst mal, die Schwankungsbreite der Zahlen muss man da nicht so sehr gewichten. Andererseits sagen wir immer, wir wollen die Wahlfreiheit der Eltern. Wir wollen, dass die Eltern selbst entscheiden in der Situation, in der sie sich befinden, und in der Situation, in der sie auch für ihr Kind die Erziehung beziehungsweise auch den Besuch einer Einrichtung planen, dass man das den Eltern natürlich anheim stellt. Die Eltern haben die Verantwortung, die Eltern haben auch die Pflicht, das Beste für ihr Kind zu sehen. Und insofern ist das aus meiner Sicht eigentlich kein Beweis dagegen, sondern es werden vielleicht ein paar mehr Eltern diese Verantwortung wahrnehmen. Aber ob der Grund die 150 Euro sind, die sogenannte Herdprämie, die ich übrigens sehr diskriminierend empfinde, das kann ich so nicht bestätigen.
Klein: Herr Zeh, gibt es denn belastbare Zahlen im Moment darüber, wer das Betreuungsgeld in Anspruch nimmt? Also sind es Alleinerziehende, sind es Paare, die ohne Trauschein zusammenleben, sind es Ehepaare, die, wie ja auch ein Argument dagegen lautet, Ehepaare, die auch vom Ehegattensplitting profitieren. Weiß man das denn schon?
Zeh: Also leider gibt es darüber noch keine belastbaren Zahlen. Aber wenn ich in meinem ganz eigenen Umfeld, und da kenne ich einige, mal schaue, da gibt es viele, die ganz bewusst sagen, ich möchte, bis das Kind drei Jahre alt ist, zu Hause bleiben. Das sind unter Umständen auch Familien, die zwei und mehr Kinder haben, auch das ist leider nicht erfasst. Das sind die sogenannten Zählkinder. Und wenn ich jetzt, das kann der Zufall der Statistik leider nicht nachweisen, mehrere Kinder habe, die schon Geschwister haben, dann ist die Entscheidung für Eltern, auch zu Hause zu bleiben, wesentlich höher als beim ersten Kind. Und insofern ist das leider ein Mangel an dieser statistischen Zahl, dass ich das nicht belegen kann. Also ich glaube, dass es zumindest in meinem Umfeld immer gerade die sind, die a) entweder mehr Kinder haben und deswegen zu Hause bleiben, weil sie das so wollen. Bei mir in der Verwaltung kenne ich einige, die ja auch gearbeitet haben, die diese Freistellungsphase in Anspruch genommen haben über drei Jahre und so weiter. Also die Gründe sind vielfältig.
Klein: Es gibt keine belastbaren Zahlen über die Motivation, sagen Sie jetzt selbst. Das heißt natürlich im Umkehrschluss auch, man weiß eben nicht, wer aus welchen Gründen lieber das Geld kassiert und die Kinder zu Hause betreut. Man weiß eben dann auch nicht, wie hoch die Zahl derer ist, die jetzt als Argument gegen das Betreuungsgeld herhalten müssen.
Zeh: Also ich gehe erst mal grundsätzlich davon aus, dass die Eltern auch die Verantwortung auf der einen Seite haben, aber die auch sehr verantwortlich wahrnehmen. Immer zu unterstellen, dass die sozial Schwachen zu Hause bleiben und dann die wichtige Erziehung in einer Krippe nicht bekommen, das halte ich per se für falsch. Ich gehe davon aus, dass die Eltern in hoher Verantwortung dies entscheiden, und die Frage letztlich, ist der Staat besser oder ist die Familie als Instanz besser, die würde ich gerne so beantworten für mich persönlich, dass ich einer Familie die Kompetenzen zutraue. Es gibt sicherlich einige, die das nicht können. Aber es gibt eine höhere Zahl, die es eben können. Und dann ist das nicht falsch.
Klein: Nun sagen die Sozialverbände, die vor Ort tätig sind, die teilweise auch Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen sind, wie etwa der Paritätische Wohlfahrtsverband: Es kommt eben schon vor, dass genau jene Familien ihre Kinder abmelden, die eben von Hartz IV leben müssen, dass es eben tatsächlich solche Familien sind, die eben das Geld mehr lieber in der Haushaltskasse haben und wo dann eben wiederum Bildungsexperten sagen, gerade Kindern jener Familien würden wir eigentlich wünschen, dass sie in staatlichen Betreuungseinrichtungen bleiben.
Zeh: Aber dann ist doch die Strategie besser, dass wir die Eltern bei der Aufgabe der Erziehung unterstützen. Und deswegen hat Thüringen ein umfangreiches Paket geschnürt. Wir haben nicht nur das Erziehungsgeld, sondern wir haben eine Stiftung FamilienSinn. Und diese Stiftung soll genau in der Zielrichtung, auch Eltern bei der Aufgabe der Erziehung zu unterstützen, beistehen, gerade sozial Schwache. Dort werden Familienleistungen finanziert, wo auch Ausbildung, Qualifizierung, wo Lehrgänge stattfinden, die genau die Eltern im Blick haben, die es eben nicht so können. Und dort haben wir auch den Zuspruch, dass Eltern sich gerne auch dieser Lehrgänge annehmen, um dann diese Aufgabe auch bewältigen zu können. Also per se zu sagen, Hartz-IV-Empfänger sind die schlechteren Eltern, das halte ich für diskriminierend.
Klein: In einem Haushalt allerdings, wo es vielleicht nur insgesamt 600 Euro Einkommen gibt, um mal eine Zahl zu nennen, da sind 150 Euro wirklich eine riesengroße Menge Geld. Und da liegt natürlich auch die Überlegung auf der Hand, um das Geld zu bekommen, dann eben zu Hause zu bleiben, die Kinder zu Hause zu erziehen. Und das ist natürlich auch eine Art von Steuerung, die dadurch passiert, sagen Kritiker, nämlich eine Einflussnahme dahingehend, dass Eltern sich eben doch lieber entscheiden, das Kind eben nicht in die Krippe oder in den Kindergarten zu geben.
Zeh: Was wäre denn die Alternative? Kein Erziehungsgeld zu bezahlen. Kein Erziehungsgeld ist schlechter, als Erziehungsgeld zu bezahlen. Wenn ich keine Leistungen den Familien gewähre, dann habe ich das nächste, das ist dann Kinderarmut, die Diskussion. Wir wollen eben, dass wir ein Stück weit dazu beitragen, das Thema Kinderarmut zu begleiten. Wir wahren damit eine Maßnahme. Und dann muss man sich auch mal anschauen, um welches Alter es sich handelt. Es handelt sich um das Alter zwischen zwei und drei Jahre. Wenn ich ab drei Jahre für viele Kinder auch sehe, dass Sozialbezüge zu anderen Kindern wichtig sind, weil oftmals nur ein Kind in der Familie ist, das mal einen Spielkameraden braucht, dann ist das vollkommen richtig. Aber in einem Alter zwischen zwei und drei, da kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Gruppe, wo fünf oder sechs Kleinstkinder sind in einem Alter zwischen zwei Jahre, dass da eine schlechtere Versorgung sein soll, als wenn die eben zu Hause stattfindet. Das ist doch dann nicht zum Schaden für das Kind, wenn sie eben auch auf die 150 Euro Wert legen, das mag ja wohl dann sein, aber dass dann auch eine Betreuung zu Hause stattfindet. Wer sagt denn, dass diejenigen, die auf die 150 Euro auch angewiesen sind, gleich die schlechtesten und schlechteren Eltern sind? Sie sind in dem Alter zwischen zwei und drei sicherlich auch sehr gute Eltern.
Klein: Sie haben gerade noch mal darauf hingewiesen, bitte keine allgemeine Diskriminierung von Eltern, die eben nur von Hartz IV leben müssen. Gibt es für Sie eine Grenze, wenn sich in einer Untersuchung herausstellen würde, dass es eben keine Einzelfälle sind wie die, die viele Kritiker jetzt im Auge haben nach dem Motto, da werden eben 150 Euro kassiert, das fließt in die Haushaltskasse für Zigaretten oder sonst irgendetwas und kommt eben nicht den Kindern zugute. Wenn sich herausstellen würde, dass das eben keine Einzelfälle sind, sondern dass das eben wirklich vor allem diejenigen sind, die auf das Betreuungsgeld zurückgreifen, würden Sie dann sagen, das ist so ein Punkt, dann müssten wir noch mal darüber nachdenken?
Zeh: Also wenn man den Jugendämtern, den Statistiken glaubt, dann sind etwa fünf Prozent das dann als Eltern. Und wenn ich dann die große Mehrheit betrachte, dann kommt das den Kindern zugute, wenn sie zu Hause bleiben. Auch das Geld. Denn wenn jemand zu Hause ist, hat er ja auch Aufwendungen zu Hause, die leicht nachvollziehbar sind. Und insofern, es ist eine geringe Zahl. Und dort haben wir im Gesetz verankert, dass wenn Kindeswohl gefährdet ist, dass dann [auf] das Geld kein Anspruch besteht. Diese Bremse haben wir eingebaut, weil wir wohl sehen, dass es welche gibt, die diese Aufgabe unter Umständen nicht können oder auch nicht richtig wahrnehmen, dass dann das Jugendamt sagen kann: Nein, für den Fall ist kein Anspruch auf das Erziehungsgeld vorhanden.
Klein: Ein anderes Argument gegen das Betreuungsgeld, dass im Moment sehr stark in der Diskussion ist, ist eben, es soll eben doch, vielleicht ideologisch begründet, wie auch immer, dazu führen, dass man dann den Trend doch dahin bekommt, Frauen dazu anzuhalten, zu Hause zu sein, zumindest die ersten Jahre für ihr Kind und eben nicht berufstätig zu sein. Wie sind die Erfahrungen in Thüringen? Ist das falsch?
Zeh: Wir wollen kein Modell präferieren, wir wollen, dass die Eltern die Wahlfreiheit haben. Und wenn wir über 70 Prozent Belegungsquote im Alter zwischen zwei und drei haben, dann ist die Antwort damit schon gegeben. Wir haben in Thüringen einen Trend, dass die Berufstätigkeit, die wahrscheinlich Ursache ist für so eine hohe Belegungsquote, wer zu Hause ist, wird wahrscheinlich die Kinder dann auch zu Hause belassen - dass dann eigentlich ein solcher Trend nicht zu beobachten ist. Es wurde ja prophezeit, es wird massenweise Abmeldungen geben, massenweise Abmeldungen sind überhaupt nicht eingetreten. Wir haben eine Schwankungsbreite, die statistisch noch nicht einmal signifikant ist. Und deswegen bin ich eigentlich optimistisch, dass wir dem Thema Wahlfreiheit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mit dieser Maßnahme ein großes Stück näher gekommen sind und auch unterstützend für das Thema Kinderarmut eine Hilfe gegeben haben für die, die wirklich zu Hause sind, von denen ich aber ausgehe, dass die Eltern auch die Verantwortung wahrnehmen.
