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Kleiabbau im Nationalpark Wattenmeer

"Mit jeder Flut kommt das Wasser in die Pütte und in diesem Wasser befinden sich Ton- und Schlickpartikel, die in diese Pütte eingetragen werden. Bei Stillstand des Wassers, das heißt zum Zeitpunkt des Hochwassers, können diese Partikel aus der Wassersäule nach unten sinken und lagern sich am Boden der Pütte ab. "

Von Andreas Klose |
    Geologin Martina Karle vom Senckenberg Institut in Wilhelmshaven steht auf einem Holzsteg, der vom Rand des Deichs über einen braunen mit kleinen grünen Pflanzen bewachsenen rissigen Boden führt. Pütte ist das plattdeutsche Wort für Brunnen oder Pfütze. Dort wird etwas abgeschöpft, aber auch wieder aufgefüllt. Die "Pütte Petersgroden" war eine Salzwiese und ist heute noch umrahmt von Salzwiesen. Dann wurde der schlickartige Boden - der Klei - abgebaggert, um den Deich abzudichten. Jetzt strömt bei Flut das Wasser über die Fläche, bei Ebbe ist sie dagegen trocken. Die Pütte verlandet nach und nach. Der Klei, der sich auf die Art neu bildet, soll später wieder für den Deichbau verwendet werden. Martina Karle beobachtet die Entwicklung:

    "Wir haben hier ein sehr junges Sediment, das noch sehr nass ist, einen hohen Feuchtigkeitsgehalt hat und so noch nicht verbaut werden kann. Mit der Zeit kommt es durch Setzung und Entwässerung zu einer Verfestigung des Sedimentes und es ist durchaus wahrscheinlich, dass man das Sediment aus der Pütte wieder für den Deichbau verwenden kann. "

    Bleibt die Frage "Wann". Geologin Karle zeigt auf eine benachbarte Salzwiese. Eine ehemalige Pütte, die bereits vor vierzig Jahren ausgehoben wurde. Der Klei dort habe jetzt wieder ähnliche Eigenschaften, wie der einer unberührten Salzwiese. Gebaggert wurde in Petersgroden bis 1998. Wissenschaftler beobachten seit 1999 die Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt. Die Pütte fällt immer länger trocken, sagt Alexander Bartholomä vom Senckenberg Institut. Schnecken und Würmer des Wattbodens sind auf dem Rückzug. Insekten der umliegenden Salzwiesen wandern ein. Immer mehr Pflanzen besiedeln das Gebiet:

    "Mit zunehmender Verlandung gewinnt sozusagen der Landanteil von Pflanzen und Tieren wieder an Gewicht. Im Vergleich zu den klassischen Salzwiesen und den alten Pütten zeigt sich, dass sowohl bei den Pflanzen als auch bei den Tieren die Artenvielfalt in den Bereichen der Püttenregion deutlich höher ist als in den klassischen Salzwiesen, das heißt man könnte sogar dahingehend eine Aussage treffen, das Pütten die Artenvielfalt erhöhen. "

    Aber es geht Brutplatz für seltene Vögel wie Rotschenkel, Schafstelze und Feldlerche verloren. Die können hier erst wieder brüten, wenn die Pflanzendecke hochgewachsen ist. Das zeigt das Beispiel Petersgroden. Bis 2008 wird im Auftrag der niedersächsischen Wattenmeerstiftung und dem 3. Oldenburgischen Deichband weitergeforscht, um Natur- und Küstenschutz aufeinander einzustimmen. Klei aus Salzwiesen zu entnehmen, ist kostengünstiger als ihn im Hinterland abzubauen und heranzufahren. In Zeiten von Klimawandel und Meeresspiegelanstieg muss aber über Alternativen nachgedacht werden, fordert Alexander Bartholomä:

    "Man kann natürlich die Deiche bis zu einem gewissen Maß erhöhen. Mit der Erhöhung geht aber eine massive Verbreiterung der Deiche einher, das bedeutet, sie müssen also riesige Flächen freistellen, auf denen sie diesen Deichsockel aufbauen können. Zum anderen ist die Frage, ob das überhaupt finanzierbar ist, und ich denke, diese Studie ist eine gute Diskussionsgrundlage, um über alternative Konzepte zwischen Deicherhöhung, möglicherweise Deichöffnungen, Rückbau und solche Dinge nachzudenken. "

    Niedersachsens Umweltminister Hans Heinrich Sander begrüßt die bisher vorliegenden Forschungsergebnisse. Sie unterstützen sein Anliegen, Klei aus dem Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" zu entnehmen, gegenüber der Kritik von Umweltverbänden. Grundsätzlich ist der Kleiabbau möglich, allerdings soll er die Ausnahme bleiben. Darauf hatten sich Landesregierung, Deichbände und Naturschützer bereits 1995 in einem Zehn-Punkte-Programm geeinigt. Hans Heinrich Sander:

    "Es gibt so einige Bereiche, wo wir das so verkomplizieren, dass wir uns das, unter den gegebenen, auch finanziellen Vorrausetzungen in dieser Form nicht mehr erlauben können. Und dort, wo Kleientnahme aus dem Deichvorland möglich ist, wo durch die Entnahme sich neue Salzwiesen wieder bilden würden, da ist es absolut sinnvoll, das zu machen, und dann wird man das machen müssen. "