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Kleiderkammern
Die Füße der Flüchtlinge

Alle zwei Tage kommt an der sogenannten Drehscheibe am Köln-Bonner Flughafen ein Sonderzug mit Flüchtlingen an. Die brauchen jetzt Winterkleidung und vor allen Dingen warmes Schuhwerk. Denn es sind nicht nur die Schuhsohlen, die durch die oft monatelange Flucht stark mitgenommen sind, sondern auch die Füße selbst.

Von Sabine Büttner |
    Blick auf die Füße von mehreren Männern mit zerschlissenen Schuhen oder barfuß
    Sind die Schuhe allzu kaputt, müssen Flüchtlinge manchmal sogar barfuß laufen. (DLF / Benjamin Hammer)
    Sie sind gelaufen – Tausende Kilometer, durch verschiedene Länder, tagein, tagaus. Und so sehen auch die Schuhe der Flüchtlinge aus, die am Köln-Bonner Flughafen ankommen: Sie haben Löcher, die Sohlen sind durch. Oft sind die Sohlen sogar mit Bindfäden wieder angenäht, weil sie sich schon einmal komplett gelöst hatten. Viele Flüchtlinge sind auf der Flucht auch durch Wasser gelaufen – ihre Schuhe sind durchnässt. Und dementsprechend sehen die Füße der Menschen aus, sagt Tanja Schmieder von der Kleiderkammer an der Drehscheibe:
    "Man kennt das selber, wenn man lange in der Badewanne gelegen hat, und das dann nochmal hochgerechnet auf mehrere Tage, mehrere Nächte. Dann kann man sich ungefähr vorstellen wie die Füße aussehen. Die sind weiß, aufgequollen, Haut ist wund, aufgeplatzt."
    Wenn die Flüchtlinge am Flughafen aus ihrem Zug steigen, werden sie medizinisch versorgt. Sie bleiben dort meist nur einige Stunden, dann werden sie mit Bussen in die Notunterkünfte gebracht. Zeit genug, um etwas Warmes zu essen und neue Kleidung zu bekommen. Die Helfer aus der Kleiderkammer gehen durch die Zelte und schreiben bei jedem auf, was er braucht; also zum Beispiel Schuhe in Größe 44, eine Hose, eine Jacke. Die Männer brauchen oft eher kleinere Größen, erzählt Tanja Schmieder:
    "Zum einen sind die syrischen Männer eher kleiner. Schon von der Statur her. Und dann muss man auch noch sehen: Viele haben bis 35 Kilo abgenommen, an denen ist ja nichts mehr dran."
    "Dicke Wintersocken sind ein bisschen ein Problem"
    Die Ehrenamtler versuchen, für jeden Flüchtling etwas zum Anziehen zu finden. Es passiert aber auch, dass es zum Beispiel einfach keine passenden Schuhe gibt.
    "Dann haben wir ein großes Problem, das macht uns natürlich sehr traurig. Nichts desto trotz müssen wir hoffen, dass, wenn er mit den Bussen in die Camps kommt, dass er da ein Paar Schuhe bekommt."
    Reporterin: "Der muss dann barfuß los?"
    "Ja, er müsste theoretisch auch barfuß los oder er zieht einfach seine eigenen, nassen Schuhe wieder an."
    Eine Zeit lang waren viele Kleiderkammern in Nordrhein-Westfalen proppevoll. Das hat sich vielerorts geändert, die Hilfsorganisationen brauchen wieder neue Kleiderspenden. Dicke Winterkleidung, für Männer auch in kleineren Größen wie S und M, außerdem neue Unterwäsche und Socken. Dicke Wollsocken sind gut gemeint – hier aber nicht das Richtige:
    "Dicke Wintersocken sind ein bisschen ein Problem, weil die oft auch sehr hart und grob gestrickt sind. Das tut weh an den Füßen. Deshalb: Ganz normale Socken, Hauptsache frisch und neu, die wir den Menschen anziehen können, sodass sie auch mit ihren aufgequollenen und aufgeschwemmten Füßen in die Schuhe reinkommen."
    Tanja Schmieder weiß inzwischen genau, was den Menschen hilft. Als die Drehscheibe am Flughafen im September eingerichtet wurde, hat sie sich über Facebook mit anderen zusammengetan, um zu helfen. Sie hat gerade keinen Job, will aber etwas Gutes tun. Wenn Tanja Schmieder über die Flüchtlinge spricht, dann tut sie das, ohne etwas zu beschönigen. Ja, die Schuhe riechen fast unerträglich – aber wie soll das auch anders sein, nach Wochen der Flucht? Auch viele Helfer stoßen da schon mal an ihre Grenzen. Und dann? Dann machen sie weiter. Damit möglichst jeder, der aus dem Zug steigt, etwas Frisches zum Anziehen bekommt.