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Klein, aber fein

Mal hier, und mal dort studieren können, die Sprache seiner Nachbarn lernen und das Ganze ohne Zeitverzug und bürokratische Hürden. Möglich ist das am Internationalen Hochschulinstitut Zittau. Seit zehn Jahren gibt es dort eine Europa-Universität, nur kennt sie kaum jemand. Während die Viadrina in Frankfurt/Oder von Politik und Öffentlichkeit immer gehätschelt wurde, war es mit dem bundesweiten Interesse an der Europa-Uni Zittau nicht weit her. Dabei gibt es nirgends sonst in Deutschland eine so stabile und intensive Zusammenarbeit zwischen polnischen, tschechischen und deutschen Hochschulen. So ist die Europa-Universität in Zittau zwar klein, aber in Sachen europäischer Zusammenarbeit ist sie den meisten Unis in Deutschland meilenweit voraus.

Von Mark Michel |
    Zur Atmosphäre hier möchte ich sagen, dass die mir sehr gut gefällt. Es ist etwas ganz anderes als ich aus Polen kenne. Es ist hier familiär, es ist eine sehr kleine Universität. Es werden zum Beispiel sehr viele Feste gefeiert. Die Professoren sind hier eigentlich viel offener, man kann sie viel einfacher ansprechen und sie antworten auch gerne und sind überhaupt sehr zugänglich.

    Miek Mitulski ist Pole und studiert an Sachsens kleinster Universität, dem Internationalen Hochschulinstitut in Zittau, kurz IHI genannt. Treu der Devise "klein, aber fein" studieren hier im Dreiländereck nur ungefähr 300 Studenten in den Fächern BWL, Umwelttechnik, Sozialwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen. Wer sein Studium am IHI absolviert, den erwarten ganz besondere Studienbedingungen. Albert Löhr, der Direktor des IHI in Zittau erklärt warum:

    Die Attraktivität ist zweifelsohne darin, dass man sagen kann, nach einem Grundstudium an einer beispielsweise polnischen Universität, wo ich vielleicht schon mal einen ersten Abschluss erworben habe, gehe ich dann nach Zittau, ergänze das durch ein geeignetes Aufbaustudium oder einen zweiten Abschluss. Und dann stelle ich nach einigen Jahren des Studiums plötzlich fest, dass ich drei, vier, fünf Fremdsprachen fließend beherrsche, dass ich nicht nur Betriebswirtschaftslehre, sondern auch Ingenieur- oder Sozialwissenschaften kenne, dass ich gewissermaßen interkulturell fit bin. Und zwar nicht bloß durch einen zweimonatigen Auslandsaufenthalt in Berlin oder einen Gasthörerstatus für ein halbes Jahr in London, sondern dass ich tatsächlich in verschiedenen Kulturen mit verschiedenen Studenten gemeinsam einen Weg gegangen bin.

    Interkulturelle Kompetenz wird am Internationalen Hochschulinstitut Zittau also groß geschrieben. So ist es mittlerweile völlig normal, auf den Gängen des Instituts ein Sprachengewirr aus Polnisch, Tschechisch, Deutsch und Englisch zu vernehmen. Denn die meisten hier kommen aus Polen, Tschechien oder Deutschland. Möglich wurde das Ganze durch das Konzept eines Hochschulverbundes. Der wurde bereits 1993 gegründet. Laut Direktor Löhr war das damals allerdings ein wagemutiges Experiment:

    Unsere Partneruniversitäten kommen ja aus Tschechien, also TU Liberec, und aus Polen, also Gliwice und Wroclaw, und das war ja damals noch EU-Ausland und sozusagen eine sehr mutige Entscheidung der sächsischen Landesregierung zu sagen, dass sind Universitäten deren Rektoren vertrauen wir in der Kooperation soweit, dass wir sie in den Senat dieses Instituts mit Sitz und Stimme rein setzen. Also wenn die die Hand heben, dann beschließen sie auch über unser Budget mit. Und das schon zu Zeiten als diese EU-Osterweiterung, so wie wir sie jetzt seit ersten Mai haben gar nicht absehbar war.

    Das Experiment wird in der deutschen Hochschullandschaft mittlerweile als erfolgreich angesehen. Denn ein Hochschulverbund hat im Wettbewerb der Universitäten viele Vorteile: der Studentenaustausch untereinander geschieht problemloser und vor allem unbürokratischer. Doch ein Problem hat man in Zittau. Denn anders, als die große Schwester-Uni Viadrina in Frankfurt an der Oder, ist man bundesweit nicht allzu sehr bekannt.

    Wenn man an der Viadrina über die Gänge des Rektorats schlendert, und sich dort die Türschilder anschaut, dann wird man feststellen, dass hinter großen Eichenholztüren bei fünf Türen dort steht Referat für Öffentlichkeitsarbeit. So was werden sie bei uns nicht finden. Unsere Konstruktion war zunächst darauf angelegt unsere Partneruniversitäten ernst zu nehmen und deren Wünsche zu befriedigen Aber es ist in der Tat so, wenn man über keine Ressourcen verfügt Marketing zu betreiben, dann kann man dass auch nicht tun.

    Das soll sich in Zukunft ändern. Bisher hat man aber auch ohne groß Werbung zu machen, keine Probleme gehabt genügend Studenten nach Zittau zu locken. Denn in Sachen Internationalität ist man den meisten Hochschulen im Bundesgebiet meilenweit voraus. Der interkulturelle Austausch ist es, der das Studieren in der Grenzregion so reizvoll macht. Und Miek Mitulski, der polnische Student aus Wroclaw meint, dass man diesen Austausch nicht nur im Institutsgebäude beobachten kann:


    Es gibt auch schon viele Pärchen, gemischte Pärchen, ziemlich viele die in letzter Zeit entstanden sind. Auf den Partys sieht man dass eigentlich schon am besten, obwohl irgendwie da fehlen immer ein paar Deutsche.

    Doch trotz der wirklich europäischen Atmosphäre am Institut, bleibt die große Frage wie Europa zusammenwachsen kann für viele noch offen. Für Direktor Löhr reicht es nicht aus wenn am 1. Mai die Staatsoberhäupter mit Sekt und Feuerwerk die EU- Osterweiterung feierten:

    Das ist nicht der Punkt, bloß sozusagen die symbolische Spitze, sondern die wird nur dadurch gewährleistet dass sich die Menschen selber zusammenfinden, Firmen gründen, miteinander studieren, Dokumentationen fassen und solche Dinge machen an der Basis. Und das müssen wir auf alle Fälle unterstützen.