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Klein aber fein - Weinanbau in Belgien

Kulinarisches aus Belgien: Das sind Pralinen, ungewöhnliche Biere, Fritten. Damit ist die Liste der Köstlichkeiten auch fast schon abgeschlossen. Aber da gibt es noch was: Belgische Weine. Angebaut wird zwar nur in einer kleinen Region, aber mit guter Qualität.

Von Sven-Claude Bettinger |
    Vor 15 Jahren war der niederländische Geschäftsmann Jaap van Rennes mit seinem Leben unzufrieden. Er verkaufte seine Supermarktkette und erwarb in der Nähe der belgischen Stadt Tongeren das Schloss Genoels-Elderen. In alten Archiven entdeckte er Hinweise darauf, dass hier einst Wein angebaut worden war. Der Weinkenner ließ einen befreundeten Winzer aus dem Burgund kommen und stellte fest:

    "Der Terroir ist sehr spezial hier. Das ist das Glück, das wir haben. Das ist ein Stückchen Erde, das ist durch Gott geschaffen für Weinbau, sage ich immer."

    Unter einer Lößschicht liegen Kalkböden. Die sanften Hügelrücken um Genoels-Elderen gehen nach Süden und Westen. Mit Hilfe französischer Önologen und Facharbeiter experimentierte Jaap van Rennes:

    "Was hier gut wächst - meine Erfahrung, hier - ist Pinot gris, geht prima, Auxerrois, geht prima, Kerner, Müller-Thurgau, das wächst hier alles gut, hier auf diesem Kalkgrund Chardonnay."

    Die edle Rebsorte Chardonnay machte das Rennen. Die Stöcke werden stark geschnitten, um gute Trauben zu bekommen. Sie werden in Genoels-Elderen später als in südlicheren Gefilden geerntet und dann mit den modernsten Anlagen und Methoden gekeltert. Anschließend reift der beste Wein in neuen, französischen Eichenholzfässern. Denn die Devise lautet hier:

    "Wir tun alles, was möglich ist, um die beste Qualität zu machen. Und was der Wein kosten muss, das muss er kosten."

    Je nach Lage, Alter und Jahrgang sind das zwischen 7,50 Euro und 25 Euro. Weinkenner haben das für "Château Genoels-Elderen" übrig. Und der Chardonnay steht inzwischen auf den Weinkarten aller belgischen Sternerestaurants und wird zusehends auch in Gourmettempeln in Paris oder an der Côte d’Azur kredenzt. Von einem halben Hektar ist die Anbaufläche auf 16 Hektar gestiegen.

    Der Erfolg des Pioniers hat stimulierend gewirkt. Eine ganze Reihe von kapitalkräftigen belgischen Unternehmern und Geschäftsleuten sind seinem Beispiel gefolgt und bewirtschaften ähnlich große Weingüter. So wird in Meerdael bei Löwen aus Chardonnaytrauben nach der Champagnermethode der erste belgische Qualitäts-Schaumwein hergestellt. Im flämischen Hageland, Haspengau und Heuvelland, in Wallonien an den Hängen über der Maas und der Sambre steigen zusehends auch Landwirte auf Weinbau um.

    Die Landwirtschaftsministerien haben reagiert und ein Gütesiegel eingeführt. Es beruht auf dem französischen und italienischen System der "kontrollierten und garantierten Herkunft". Allerdings: Belgien wird nie zum Konkurrenten der großen Weinländer werden. Denn nur ein kleiner Teil seiner Böden und Lagen eignet sich zur Anpflanzung edler Rebsorten. Diese Grundstücke können Neu-Winzer nicht ohne weiteres kaufen, und wenn, dann für teures Geld. Das meiste Know-how muss importiert werden. So werden belgische "Grand crus" zu kostbaren Raritäten mit einem gewissen Snob-Appeal - aber das, wie "Château Genoels-Elderen" oder "Domaine Meerdael" beweisen, mit beachtlichem Erfolg.