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Klein, renovierungsbedürftig, astronomisch teuer

14 Quadratmeter Studentenbude - Regelfall in Deutschland. In Rom teilen sich im Extremfall vier Studierende ein ebenso kleines Zimmer - mit zwei Betten. Für 250 Euro. Benvenuto in bella Roma.

Von Thomas Migge |
    Pünktlich zum Beginn der Jagdsaison gibt es auch einen Song. Die Rede ist von einer einsamen Studentin im ersten Semester, die in einem schmuddeligen Loch in der Großstadt Rom sitzt und sich, so das Lied, "sauunwohl" fühlt, weil die Matratze des Bettes ausgeleiert ist, das Klo am Ende eines langen Korridors liegt und die böse Vermieterin den Besuch von Freunden untersagt.

    Matilda Canisi aus Benevento beginnt Ende September mit ihrem ersten Semester in Philosophie an der römischen La Sapienza. Seit drei Wochen sucht sie eine Bleibe:

    "Eine menschenwürdige Unterkunft suche ich. Das ist doch das Mindeste! Das ist aber nicht an der Tagesordnung! Was man akzeptieren kann, ist entweder zu teuer oder total mies."

    Zusammen mit einer Freundin, ebenfalls aus Benevento, scheint sie eine Miniwohnung im Viertel San Giovanni gefunden zu haben. Großer Vorteil: die U-Bahn-Station Richtung Uni liegt gleich um die Ecke. Großer Nachteil: die 50 Quadratmeter große Wohnung ist renovierungsbedürftig. Sie kostet die beiden Studierenden 1.300 Euro im Monat.

    Das Beispiel von Matilda und ihrer Freundin ist kein Einzelfall. Jeder italienische Semesterbeginn ist auch der Beginn einer Wohnungsjagd, die regelmäßig dramatisch ausfällt. Es gibt zwar reichlich freien Wohnraum, doch die Mieten sind exorbitant hoch. Zu hoch für Studierende. Vermieter nutzen die Notlage aus, weil sie ja genau wissen, wie dringend Wohnraum gesucht wird. Wenn Papa und Mamma nicht zahlen oder Studierende ihre Wohnung nicht mit einem Job finanzieren können, sieht es böse aus. Studiendarlehen wie das deutsche BAföG gibt es nicht und Studentenwohnheime sind selten – und ein Zimmer bekommt dort sowieso nur, wer die richtige Connection hat.

    Carla Contini hat weder Beziehungen noch wohlhabende Eltern:

    "Ich bin gezwungen, was in der Nähe der Uni zu suchen, denn so spare ich mir die öffentlichen Verkehrsmittel. Für ein Moped habe ich kein Geld. Was mich bei der ganzen Suche so ärgert, ist auch der Umstand, dass unsere Politiker, linke und rechte Bildungspolitiker, sich überhaupt nicht um das Wohnungsproblem mit den unverschämt hohen Mieten kümmern. Ich zum Beispiel kann mir maximal 400 Euro erlauben, mehr nicht."

    Carla wohnte die ersten beiden Semester in einer Unterkunft, die sie als "höllisch" bezeichnet. Sie teilte sich, für 250 Euro im Monat, ein circa 14 Quadratmeter großes Zimmer mit drei anderen Studierenden. Das Zimmer verfügte nur über zwei Betten. Man schlief also abwechselnd. Während zwei Kommilitoninnen schliefen, konnten die beiden anderen den Doppelschreibtisch benutzen. Den Duschraum inklusive Toilette mussten sich die vier Studierenden mit zwei anderen Kommilitonen im Nachbarzimmer teilen. Unzumutbare Zustände überall, klagt auch Luca Perego vom italienischen Studentenverband. Er studiert im dritten Jahr Mathematik in Rom:

    "Die Universität als das Zentrum der Studien und der Ausbildung hat eigentlich auch die Aufgabe sich um eine Unterbringung zu kümmern. Dafür stehen sogar Finanzmittel bereit die aber nicht oder anderweitig ausgegeben werden. Das ist ein Skandal. Wie kann es in Rom mit rund 350.000 Studierenden nur 200 Unterkünfte in Studentenheimen geben? Was ist denn mit all denen, die von auswärts kommen?"

    Antworten auf diese Fragen gibt es von institutioneller Seite nicht. So versucht jeder Studierende, irgendwie über die Runden zu kommen.

    Dem italienischen Studentenverband zufolge hausen mindestens 55 Prozent aller Kommilitonen in (fast) menschenunwürdigen Unterkünften: auf engstem Raum, mit zu wenig Toiletten, ohne Privatsphäre und mit astronomisch hohen Mieten. Zustände, gegen die sich nicht viel unternehmen lässt. Rektoren, Bildungs- und Kommunalpolitiker interessieren sich einfach nicht für die Wohnungsproblematik.