Helmholtzzentrum für Infektionsforschung, Braunschweig. In einem Labor der Sicherheitsstufe 2 experimentiert Dr. Vanessa Jensen mit Pseudomonas aeruginosa. Das Bakterium ist gefürchtet, weil es tödliche Infektionen auslösen kann.
"Wir haben hier etwas ganz Spannendes. Das kann man sich vorstellen wie einen Objektträger, der unterteilt ist in drei Kammern. Und durch diese Kammern lassen wir ein Medium die ganze Zeit kontinuierlich laufen und impfen eine ganz kleine Anzahl an Bakterien da rein – in eine solche Kammer. Und die Bakterien bilden dann künstlich einen Biofilm auf dieser Plastikoberfläche, und auf diese Weise können wir im Mikroskop ganz wunderbar die Biofilmstrukturen beobachten."
Der sogenannte Biofilm, mit dem sich die zwölfköpfige Forschergruppe beschäftigt, besteht aus zuckerartigen Polysacchariden, DNA, Proteinen und Wasser. Äußerlich betrachtet eine schleimige, mosaikartige Struktur, in der die Bakterien eingebettet sind. Während die weiter unten angesiedelten Erreger ihren Stoffwechsel eingestellt haben, um zu überdauern, sind die randständigen Bakterien fleißig dabei, sich zu vermehren und neues Matrixmaterial auszuscheiden, um den Biofilm dicker und dicker werden zu lassen. Jensen:
"Und das ist natürlich einmal zum Zusammenhalt der Bakterien wichtig, aber auch zum Schutz der Bakterien. Denn das verhindert das Eindringen zum Beispiel von Antibiotika. Also es gibt eine Hürde, die damit dann die Bakterien in dem Biofilm schützt."
Durch den Biofilm ist dem tödlichen Erreger nur schwer beizukommen – vor allem bei Infektionen der Lunge. Das bakterielle Schutzschild kann im Extremfall die gesamte Lungenoberfläche bedecken. Wissenschaftler können über die Überlebenskünstler nur staunen. An der Medizinischen Hochschule Hannover nimmt Professor Burkhard Tümmler das Bakterium genetisch unter die Lupe.
"Wir können mit den neuen Sequenziertechnologien innerhalb kürzester Zeit das gesamte Genom sequenzieren. Wir sammeln dann Isolate während einer Infektion, beispielsweise vom Intensivpatienten über mehrere Tage, und dann werden diese Isolate totalsequenziert. Und dann sehen wir die genetischen Anpassungsmechanismen. Dass diese Erreger plötzlich anfangen mit höherer Frequenz zu mutieren. Die erwerben Veränderungen in ihrem Genom, mit dem sie besser in der Lage sind, Antibiotika zu bekämpfen. Damit haben sie einen Fitnessvorteil, weil sie optimale Anpassungsstrategien entwickelt haben."
Jede Zellteilung ist mit Ablesefehlern bei der Duplizierung der DNA verbunden. Spezielle Reparaturmechanismen reduzieren diesen Fehler auf eins zu 100 Millionen. Das heißt: Bei 100 Millionen Zellteilungen entsteht normalerweise eine Mutation. Pseudomonas aeruginosa kann durch gezieltes Abschalten des genetischen Reparaturmechanismus die Mutationsrate auf eins zu 10.000, also um vier Zehnerpotenzen erhöhen, so der Wissenschaftler und Tagungspräsident von "Pseudomonas 2009".
"Das ist die Besonderheit bei diesen Infektionen, dass die Bakterien sehr schnell in einen sogenannten Mutatorlebensphänotyp umschalten. Das heißt, dass sie viel häufiger als unter normalen Umweltbedingungen in ihrem eigenen Genom mutieren, um in der ungewohnten Umgebung eines Organs des Menschen optimal persistieren zu können."
Mittlerweile ist das Bakterium mit Antibiotika kaum noch zu besiegen. Professor Tümmler befürchtet, dass Pseudomonas aeruginosa in einiger Zeit sogar eine "Pan-Resistenz" entwickelt: Sämtliche Antibiotika könnten ihm dann nichts mehr anhaben. Die Zeit drängt – für neue Strategien: So wird auf der Tagung unter anderem von einem neuen Spray berichtet, das den Biofilm in der Lunge auflösen soll, um so besser an die tückischen Bazillen heranzukommen.