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Klein und gemein

Chemie. - Vor einem Jahr sorgten Meldungen über erhöhte Konzentrationen so genannter perfluorierter Tenside im Trinkwasser für Aufsehen. Doch die schwer abbaubaren Verbindungen sind mitnichten allein. Immer mehr Chemiker und Klärwerker haben mit immer mehr widerspenstigen Substanzen in der Umwelt zu kämpfen.

Von Arndt Reuning |
    In Feuerlösch-Schaum, zum Imprägnieren von Schuhen und Textilien, bei der Herstellung von Antihaft-Beschichtungen und bei der Papierveredelung. Dort überall werden sie benutzt, die perfluorierten Verbindungen. Und weil sie besonders stabil sind, gelangen sie in die Umwelt und verbleiben dort eine lange Zeit. Seit dem Jahr 2003 überwachen daher Wissenschaftler vom Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe die Konzentrationen dieser Stoffe in deutschen Flüssen. Unter ihnen der Chemiker Frank Thomas Lange:

    "Flächendeckend kann man sagen, dass in Deutschland die Trinkwässer im Allgemeinen extrem niedrig belastet sind. Auf dem untersten, gerade noch messbaren Nanogramm-pro-Liter-Bereich. Es gibt allerdings auch, wie wir letztes Jahr in dem Skandal in Nordrhein-Westfalen kennen gelernt hatten, Hot Spots, bei denen dann die Empfehlungswerte vom Umweltbundesamt erreicht oder teilweise überschritten wurden."

    Mit Hilfe von Bakterien können diese Substanzen nicht abgebaut werden. Aber vielleicht könnten sie doch auf natürliche Weise im Boden festgehalten werden. Zum Beispiel durch die so genannte Uferfiltration im Sediment von Flussläufen. Eduard Hoehn vom Schweizer Institut für Gewässerschutz und Wassertechnologie, EAWAG, in Dübendorf, hat feststellen müssen, dass die synthetischen, fluorhaltigen Stoffe sich diesem natürlichen Filter entziehen.

    "Da gibt’s natürlich das alte Sprichwort: "Fließt das Wasser über sieben Stein, ist es wieder rein." Und wir stellen je länger, je mehr fest, dass es halt unter den künstlich hergestellten organischen Stoffen solche gibt, wo das eben nicht stimmt."

    Dabei sind es nicht nur die perfluorierten Verbindungen, die den Experten Kopfzerbrechen bereiten. Die Forscher sprechen hier von der Klasse der Mikroverunreinigungen. Stoffe, die in niedriger Konzentration im Wasser zu finden sind, aber manchmal deutliche Wirkungen zeigen. Zum Beispiel hormonähnlich Substanzen oder Medikamente, sagt Walter Giger. Er hat bei der EAWAG auf diesem Forschungsgebiet Pionierarbeit geleistet.

    "Das sind eigentlich so genannte ignorierte Verbindungen, die Verunreinigungen. Das hat man auch gewusst, dass die im Abwasser sind. Weil, viele dieser Arzneimittel werden ausgeschieden, und die landen dann im Abwasser. Man hat aber erst seit kürzerer Zeit, und das heißt so etwa zwölf, fünfzehn Jahre, die analytischen Möglichkeiten, diese Substanzen nachzuweisen. Man hat viele dieser Verbindungen gefunden im Abwasser. Und man hat heute auch Kenntnisse darüber, welche Substanzen jetzt schlechter abbaubar sind. Das heißt, welche in der normalen Abwasserreinigung nicht richtig entfernt werden."

    Dabei ist die Langlebigkeit vieler Wirkstoffe natürlich von den Pharmazeuten so gewollt. Denn das Medikament soll ja im Körper nicht sofort wieder abgebaut werden. Künstliche Stabilität, das ist auch ein Konzept für einen neuartigen Süßstoff, den Walter Giger als zukünftige Mikroverunreinigung kommen sieht. Ausgangsstoff ist normaler Haushaltszucker. An dessen Molekülgerüst binden die Chemiker Chloratome.

    "Das bewirkt dann, dass dieses chlorierte Zuckermolekül nicht mehr abgebaut wird im Körper und folglich auch keine Kalorien oder Joules liefert. Wird aber vollständig ausgeschieden, eben nicht abgebaut, und die Kenntnislage bezüglich Umweltverhalten ist eigentlich relativ schlecht. Man muss aber davon ausgehen, dass diese Substanz in der Umwelt schlecht bis gar nicht abgebaut wird. Und es gibt bereits einen ersten Bericht, dass man die Substanz nachweisen kann im Fjord von Oslo, glaub ich, ist es."

    Und auch neuartige Nanomaterialien könnten in Zukunft Schwierigkeiten machen. Dabei handelt es sich im Grunde genommen um sehr, sehr feinen Staub, der normalerweise nicht wasserlöslich ist. Aber auch hier arbeiten Forscher daran, die Oberflächen der Partikel chemisch für bestimmte Anwendungen zu verändern.

    "Mit dem Zweck, sie eben löslich zu machen. Und dann plötzlich hat man sehr mobile Teilchen. Und das Gebiet ist von einer Risikobeurteilung her noch völlig offen."

    Konferenz MICROPOL & ECOHAZARD