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Kleine Bausteine für große Häuser

Technik. - Die Nanotechnik kommt immer schneller in Fahrt. Nicht nur Industrie und Pharmazie setzen auf die Kleinstteile, sondern auch Ingenieure mit Sinn fürs Grobe: Jetzt entdeckt das Bauwesen die Vorzüge von Nano-Teilchen. Das beweist eine Fachschau der Nanotechnik in Düsseldorf. Der Wissenschaftsjournalist Mathias Schulenburg im Gespräch mit Gerd Pasch.

Gerd Pasch im Gespräch mit Mathias Schulenburg |
    Gerd Pasch: Herr Schulenburg, Welche Nanotechnik eignet sich denn für welche Anwendung im Bauwesen?

    Mathias Schulenburg: "Es werden grundsätzlich alle Arten von Gebäuden davon profitieren können, beispielsweise durch neuartige funktionelle Beschichtungen. So könnten etwa Außenwände überzogen werden mit Substanzen, die verhindern, dass sie verschmutzen. Altbekannt ist etwa der Lotuseffekt, bei dem Schmutz einfach abperlt. Das Phänomen hatte indes bei der Fachmesse "Nanotecture 2006" des VDI keine allzu gute Presse, weil diese Nano-Noppenstruktur, die dort notwendig sind, schnell verschleißen und der Effekt verloren geht. Es gibt aber ein vergleichsweise neues Prinzip zur Reinhaltung von Oberflächen. Dazu gehören die Stichworte Photooxidation und photokatalytischer Effekt. Das ist aber etwas, wie im Vortrag von Professor Helmut Schmidt aus Saarbrücken zu erfahren war, das in Japan derzeit wahre Triumphe feiert. Dabei geht es um die neue Karriere eines alten Materials - Titandioxid, jedem gut bekannt durch herkömmliche Anstreichfarbe. Die Substanz, ebenfalls altbekannt, ist photoelektrisch aktiv: fällt Licht darauf, dann entstehen darin freie Elektronen, die in Löcher wandern können. Aber herkömmliche Titanoxidkristalle sind so groß, dass die elektrischen Teilchen sehr rasch in entsprechende Löcher fallen, noch bevor sie an der Oberfläche etwas ausrichten können. Nanopartikel sind jedoch so winzig, dass Elektronen und Löcher schnell an die Oberfläche kommen und hier Wirkung entfalten können: Sie erzeugen aus Luftsauerstoff hoch reaktiven Sauerstoff, der wiederum Dreck einfach "wegoxidiert". Außerdem wird eine Hyperbenetzbarkeit angestrebt, das heißt, die so veredelte Schicht ist ständig mit einem Wasserfilm benetzt, dass - wenn Tau oder Regenwasser dazu kommen, aufgelagerter und oxidierter Schmutz weggespült wird. "

    Pasch: Wo kommt denn so ein Material zum Einsatz?

    Schulenburg: "Grundsätzlich kann man es für alle Außenwände einsetzen, sie bleiben damit sauber. Besonders interessant ist die Möglichkeit, in Krankenhäusern die Wände mit solchen photokatalytisch aktiven Substanzen zu streichen, denn sie wirken extrem antimikrobiell: Untersuchungen ergaben, dass man darauf kaum noch Bakterien findet. Das ist ja für Kliniken immens wichtig."

    Pasch: Wie steht es denn um die Perspektiven solcher Techniken?

    Schulenburg: "Auf lange Sicht sind die Perspektiven ausgesprochen gut. Was indes beklagt wurde in Düsseldorf, dass Deutschland zwar Spitze ist in der Forschung, aber doch recht zögerlich in der Umsetzung. Zwar liegt das auch daran, dass diese nanotechnologisch wirksamen Materialien praktisch in "Pfunden" gehandelt werden, während die chemische Industrie gewohnt ist, ihre Produkte in Tonnen abzusetzen und damit viel Geld zu machen. Jemand, der diese kleinen Mengen einsetzt, muss aber eigentlich an der gesamten Wertschöpfungskette beteiligt sein, sonst rechnet sich die Sache nicht. Da fehlt deutschen Unternehmen offenbar der Mut. Japaner dagegen, technikbegeistert, wie sie sind, sind sofort dafür: in Tokio fahren bereits viele Taxis herum, die photokatalytisch beschichtete Stoffe in ihrem Inneren haben. Raucht jemand darin, bemerkt der nächste Fahrgast davon nichts mehr, denn der Rauch wird durch das Material zersetzt und die Luft ist rein."