" Mein eigenes Beispiel: Ich hatte begonnen, ich hatte Wirtschaftswissenschaften studiert, und nach dem Examen habe ich Chinesisch gelernt. Das war in jener Zeit wirklich ein Orchideenfach. Und heute unterrichte ich dieses Fach Wirtschaft Ostasiens mit den Schwerpunkten China und Japan. Und die Studenten, die jetzt zu mir kommen, sind Leute, die in der Regel sehr gute bis exzellente Berufschancen haben. Das heißt also, das, was früher wirklich eine Ressourcenverschwendung hätte sein können, erwies sich langfristig doch als eine sehr gute Investition."
An der Hochschule gibt es eine eigene asienwissenschaftliche Fakultät. Neben der Wirtschaft Ostasiens werden hier Fächer wie die Geschichte Japans, japanische Linguistik, chinesische Sprache oder auch Philosophie gelehrt. Lange Jahre war man stolz auf diesen Luxus. In Zeiten knapper Kassen mehren sich jedoch die Stimmen, die zumindest einzelne Bereiche dieser Fakultät abschaffen oder zusammenlegen wollen. Auf der Streichliste stehen vor allem die Fächer, die nur wenige Studentenzahlen vorweisen können. Das Fach Wirtschaft Ostasiens hat dabei wenig zu befürchten: Zur Zeit studieren an diesem Lehrstuhl mehr als 300 Studierende.
" Ich bin eigentlich ziemlich zuversichtlich, dass dieses Fach nicht den Kürzungsvorhaben zum Opfer fallen wird. Einfach deswegen, weil die Studenten ziemlich gute Berufsmöglichkeiten haben, weil die Ausbildung in enger Kooperation mit Unternehmen, die im ostasiatischen Bereich tätig sind, geschieht und mit verschiedenen Unternehmerverbänden."
Dennoch ist die Stimmung bei den Bochumer Asienwissenschaftlern schlecht. Dass die Asienwissenschaften sparen müssen, gilt als sicher. Jedes Fach möchte am liebsten ohne Kürzungen weiter bestehen. Da das aber nicht funktioniert, finden zur Zeit regelrechte Grabenkämpfe unter den betroffenen Lehrstuhlinhabern statt, beschreibt Wolfgang Klenner die derzeitige Situation.
" Wir haben eine komplizierte Situation: eine Art der Kooperation bei einer gleichzeitigen Konkurrenz. Man kooperiert, um gemeinsam gegen Kürzungsvorhaben vorzugehen. Und wenn die Kürzungsvorhaben in der Luft stehen, konkurriert man natürlich. Dann versuchen die einzelnen Fakultäten, sich gegen die anderen zu profilieren."
Auch die Universität Leipzig ist für ihr üppiges Angebot an Orchideenfächern bekannt. Neben größeren Gewächsen wie der Japanologie und der Sinologie befinden sich hier auch exotische Pflanzen wie die Indologie, Graecistik, Latinistik und Altorientalistik. Die kleinen Fächer haben an der Leipziger Universität seit nahezu 600 Jahren Tradition. Deshalb soll gerade dieses Fächerangebot allen Sparvorhaben zum Trotz weiterhin erhalten bleiben, rät Charlotte Schubert, Prorektorin für Lehre und Studium an der Universität Leipzig:
" Wir haben uns in unserer Entwicklungskonzeption ganz nachdrücklich zu unserer Fächervielfalt bekannt. Und dazu gehören auch eben gerade diese so genannten kleinen Fächer, die unser Profil ganz besonders bestimmen und die auch sehr gut vernetzt sind. Also die sind nicht nur untereinander, sondern auch mit Nachbarfächern anderer Fakultäten, und, das ist eben auch typisch für kleine Fächer, über den Raum Leipzig hinaus gut vernetzt. Und insofern tragen solche Fächer eben ganz besonders auch zur Außenwirkung einer Uni bei."
Doch auch in Leipzig geht es um den so genannten Output. Das heißt: Für das Überleben eines Faches sind vor allem die Studierenden- und Absolventenzahlen ausschlaggebend. Deshalb haben auch hier nicht alle Orchideenfächer überlebt. Charlotte Schubert:
" In der letzten Streichrunde, das war unter anderem die Niederlandistik, das war auch das Fach Logik und Wissenschaftstheorie, und das waren verschiedene Aufbaustudiengänge. Aber gerade in Hinblick auf die Niederlandistik und Wissenschaftstheorie muss ich sagen, das waren sehr schwierige Prozesse, auch sehr schmerzhaft, das hat uns viel Kraft gekostet. Und ich denke, wenn man das einmal durchgemacht hat und auch sieht, nicht nur wie schwer das ist, sondern welche Verluste man dann auch hinnehmen muss. Ich glaube, das ist eine Erfahrung, die möchte man nicht wiederholen, und das spornt um so mehr an, gerade für die kleinen Fächer etwas zu tun."
Noch schmerzlichere Erfahrungen hat die Universität Hamburg hinter sich. Durch den von Wissenschaftssenator Jörg Dräger vorgegebenen Sparkurs fühlen sich nicht nur die kleinen, sondern nahezu alle geisteswissenschaftlichen Fächer in ihrer Existenz bedroht, sagt Holger Fischer, Vizepräsident der Universität Hamburg.
" Es gab hier so eine Art Generalangriff gegen Geistes- und Kulturwissenschaften insgesamt, und durch bestimmte Verknüpfungen, dass die großen geisteswissenschaftlichen Fächer, auch die Lehrerausbildung nicht berührt werden durfte, hat das zum Ergebnis gehabt, das die auferlegten Sparmaßnahmen primär auf die kleinen Fächer umgelegt werden mussten. Wir haben es hier in Hamburg an der Universität nicht mitgemacht. Wir haben also dann nach Sparmöglichkeiten in anderen Bereichen gesucht und konnten deshalb die kleinen Fächer zum großen Teil schonen oder retten vor diesen Sparmaßnahmen, aber hundertprozentig ist es uns nicht gelungen."
Nicht gerettet werden konnte zum Beispiel das Fach Altamerikanistik und Mesoamerikanistik; innerhalb der Archäologie wird es den Teilbereich Vor- und Frühgeschichte nicht mehr geben, die Skandinavistik wird nur in reduzierter Form weiter bestehen. Selbst die Zukunft des Faches Äthiopistik - ein kleines Fach, das deutschlandweit nur in Hamburg studiert werden kann - ist noch ungewiss. Die Hamburger Universität will nicht noch weitere kleine Fächer auf die rote Liste setzen. Sie fürchtet jedoch, dass sie von ihrem Wissenschaftssenator zu weiteren Kürzungen gezwungen werden könnte, so Holger Fischer:
" Auch durch die zahlreiche Gesetzgebung, die Dräger in den Jahren seiner Amtszeit bisher initiiert hat können wir eigentlich nur erkennen, dass die Eingriffe in die Belange der Universität stärker geworden sind."
" Und da gibt es eben dieses eine Fach nur einmal in Deutschland, einmal in Großbritannien, vielleicht noch zweimal in den USA, und das ist es dann. Und das wäre eine Katastrophe, wenn man solche Fächer unter sehr kurzfristigen ökonomischen Gesichtspunkten schließen würde. Weil sie wieder zu eröffnen, ist ein sehr viel teureres Unterfangen und geradezu aussichtslos, als sie doch zu versuchen, am Leben zu erhalten."