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Kleine Fische, großer Grenzstreit

Zwischen Deutschland und Frankreich sind derzeit nicht nur die Beziehungen, sondern auch die "Leinen" angespannt. Grund ist ein Grenzstreit um das Angelrecht im elsässischen Rheintal.

Von Martin Durm | 09.06.2010
    Da steht er unten am Rheinufer, breitbeinig, in Gummistiefeln, so wie es sich für einen richtigen Angler gehört. Der Morgennebel verzieht sich im Schilf der deutsch-französischen Grenze, die Sonne bricht durch, lila Libellen flirren über dem Fluss. Perfekt, dieser Tag, wie geschaffen für Renald Jundt, der hier schon so manchen Zander und Hecht aus dem Rheinwasser fischt. Jetzt aber nicht mehr. Vor einigen Wochen wurde Rene Jundt die Freude am Angeln so richtig verdorben:

    "Da hat man unsereinem immer erzählt, wir seien in Europa, es gebe keine Grenzen mehr, und wenn man dann mal in Ruhe hier fischen will, kriegt man Probleme mit der Polizei. Das ist doch das Letzte, am liebsten würde ich gar nicht mehr herkommen."

    Was also ist da geschehen, was musste passieren, um aus einem überzeugten elsässischen Angler und Europäer über Nacht einen verbitterten Euroskeptiker werden zu lassen?

    "Ich war auf meinem Fischerboot, ich dachte, in Frankreich zu sein. Da kam die deutsche Wasserschutzpolizei angefahren. Ich steuerte zur Seite, um sie vorbei zu lassen. Aber sie blockierten mich, verlangten den Angelschein. Ich hab denen natürlich meinen französischen Schein gezeigt. Nein, sagten die, Sie sind hier in deutschen Gewässern."

    Laut polizeilichem Protokoll dümpelte Jundt mit seinem Fischerboot etwa zehn Meter jenseits der imaginären Wassergrenze herum, an Bord fünf Fische, vermutlich Barsche, gerade erst aus dem Rhein gezogen. Die Wasserschutzpolizisten hatte Jundt gewissermaßen auf frischer Tat ertappt:

    "Sie haben meine ganze Angelausrüstung konfisziert, drei Angeln im Wert von etwa 700 Euro. Ich wurde wie ein Verbrecher vor Gericht gestellt. Ich soll jetzt 750 Euro Strafe zahlen, und wenn ich nicht zahle, muss ich 30 Tage ins Gefängnis."

    Der Fall Jundt wurde vor dem Amtsgericht Offenburg verhandelt, zuständig war die Richterin Körner:

    "Die Grundlage ist Paragraf 293 des Strafgesetzbuches, nämlich die so genannte 'Fischwilderei'."

    Kein Kavaliersdelikt, sagt die Richterin Körner:

    "...und das Gesetz sieht vor, dass maximal Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, oder auch eine Geldstrafe verhängt werden kann."

    Der Fall Jundt geht jetzt in Revision. Und in der deutsch-französischen Grenzregion, die Politiker gerne als modellhaften Eurodistrikt präsentieren, warten nun die Angelvereine beidseits des Rheins höchst angespannt auf eine Grundsatzentscheidung.

    "Die Franzosen haben ein völlig freies Verhältnis zum Fischen."

    Klaus Herr, Vorsitzender des Angelsportvereins Kehl:

    "Da ist es selbstverständlich, dass fast jeder seine Angel ins Wasser hält. Das sind halt sehr unterschiedliche Rechtsverhältnisse."

    In Frankreich ist das Bürgerrecht auf freies Angeln gewissermaßen noch eine Errungenschaft der Revolution. In Deutschland hingegen verhakt sich der europäische Freizeitangler allzu leicht in den vielen Paragrafen des Tierschutz-, Naturschutz- und Strafgesetzes. Europäische Einigung hin, Vertrag von Lissabon her - das wirkliche Leben scheint den Brüsseler Bemühungen einer europäischen Harmonisierung doch immer wieder enge nationale Grenzen zu ziehen.

    "Wir haben uns hier an unsere Gesetze zu halten, und so lang es keine einheitliche Regelung gibt, steht es uns jetzt nicht zu, eigenmächtig eine europäische Regelung einzuführen","

    sagt Amtsrichterin Körner. Derweil hofft Renald Jundt, wenigstens seine drei Angeln zurück zu bekommen:

    ""Erst haben sie die Grenzen geöffnet. Und dann bist du auf dem Fluss und sollst wissen, welche Fische da drin nun deutsch sind und welche französisch."