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Kleine Krimigeschichten aus L.A.

Er ist Gitarrist, Sänger, Komponist, veröffentlichte rund 30 CDs und hat die Musik zu über 20 Filmen geschrieben, unter anderem für "Paris, Texas" von Wim Wenders. Jetzt lässt Ry Cooder in seinen Kurzgeschichten das Los Angeles der 40er und 50er Jahre aufleben.

von Knut Benzner | 21.04.2012
    Ein Mann im alten Mexikaner-Viertel ... Eine Frau in Bunker Hill ... Spielende Kinder neben der Straßenbahn ...

    Das alte Mexikaner-Viertel gibt es nicht mehr, Bunker Hill, diesen Stadtteil, der mal Downtown Los Angeles gewesen war, gibt es nicht mehr, und die Straßenbahn ...

    Los Angeles ist eine Auto-Stadt. Eine autogerechte, wie man damals meinte.

    Lange her, sagt Cooder, schwer, sich an all das zu erinnern.

    Arbeiter, die versuchen, ihr Leben zu meistern, Schneider, die keine Aufträge mehr bekommen, Propheten, die an der Ecke stehen, Vertreter, die von Tür zu Tür laufen. Vergessen, wie die Gegenden, in denen sich die Schicksale abspielen.

    Geschichten aus den 40ern und 50ern, jeweils 30, 40 Seiten lang, lakonisch erzählt, aphoristisch, treffend.

    Cooder liebt seine Heimat, er liebt diese Stadt, seine Liebe gilt allerdings dem, was mal war. Die 40er und 50er, und letztlich ist seine Literatur wie seine Musik: leise.

    Erinnern Sie sich an den Wim Wenders-Film "Paris, Texas"?

    Ein guter Soundtrack, meint er, ein bizarrer Film, wenn man ihn jetzt sieht.
    Der Soundtrack war von ihm, und der Film führt dort hin, wo Cooders Kurzgeschichten angesiedelt sind. Los Angeles. Manchmal, hier und da, mahnt Cooders Sprache an Charles Bukowski, natürlich ohne Bukowskis Bier und Brüste, ohne die "F"-Wörter. Manchmal weist Cooders Sprache auf die Hardboiled-Krimis hin – ohne zerstückelte Leichen, ohne zerteilte Körperteile.

    Gleichzeitig sind seine Geschichten Filme ...

    "Ich weiß nicht, warum, aber es war so normal, in Los Angeles zu leben, dort, wo die Filme nun mal herkommen, wo sie mit Filmmusik versehen werden, es ist einfach da."

    Es ist einfach da. Und ER ist einfach da: der Boulevard of Broken Dreams.
    Ein paar alte Bekannte kommen vor: John Lee Hooker, Charlie Parker, Johnny Mumford, Jazzmusiker. Sie kommen am Rande vor, sie sind keine Hauptpersonen.
    Die Idee zu "In den Straßen von Los Angeles" kam Cooder während seiner letzten drei CDs, seiner Kalifornien-Trilogie, auch hier: das Damals ...

    Und wie beschreibt er einen seiner vermeintlichen Helden?

    Seine Stimme war tief und bedrohlich und schien in seinem schmalen Körper nicht genug Platz zu haben; aber sein Gesicht war sanft, und seine Augen, die hinter den schmalen Schlitzen kaum zu erkennen waren, schienen amüsiert.

    Ry Cooder: "In den Straßen von Los Angeles"
    Aus dem Amerikanischen von Franz Dobler
    erschienen in der Edition Tiamat, Berlin, 287 Seiten, 18 Euro