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Kleine und große Juwelen

Moritz Moszkowski war an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert ein gefeierter Pianist und Komponist - und er war wie sein Bruder, der Satiriker Alexander Moszkowski, auch ein rechter Spaßvogel, der seine musikalischen Parodien unter dem Titel "Anton Notenquetscher am Klavier" veröffentlichte. Unter Moszkowskis 20 Klavierbearbeitungen bekannter Orchesterwerke finden sich aber auch ernsthafte Auseinandersetzungen, die mit den Originalen auf Augenhöhe stehen.

Von Ruth Jarre |
    Musik von Wagner und Brahms, Mozart und Beethoven, Offenbach und Bizet, Händel und Chopin auf einer CD? Kein Problem für den Pianisten Christoph Keymer: Er hat jetzt bei Berlin Classics ein Album, zugegeben: ein Doppelalbum, veröffentlicht mit sämtlichen Klaviertranskriptionen von Moritz Moszkowski. Das ist heute früh im Deutschlandfunk unsere Neue Platte, und dazu begrüßt Sie am Mikrofon Ruth Jarre.

    Die Ungarischen Tänze von Johannes Brahms haben im Laufe der Zeit manche Bearbeitung über sich ergehen lassen müssen - ganz nah an der orchestralen Originalfassung bleibt Moritz Moszkowski:

    " Moritz Moszkowski / Johannes Brahms
    Ungarischer Tanz Nr. 10, E-Dur "

    Der Ungarische Tanz Nr. 10 in E-Dur von Johannes Brahms, für Klavier bearbeitet von Moritz Moszkowski, gespielt von Christoph Keymer.

    Moszkowski, 20 Jahre jünger als Brahms, war ein gefeierter Pianist und Komponist und hat auch rund 20 Klaviertranskriptionen hinterlassen, die meisten sind heute kaum bekannt. Mit seiner Gesamteinspielung von Moszkowskis Klaviertranskriptionen geht der Pianist Christoph Keymer, Dozent an der Hochschule für Musik und Theater Hannover, nun in die "Moszkowski-Offensive". Seit 25 Jahren beschäftigt er sich schon mit Moszkowskis Transkriptionen, entdeckt hat er sie im Studium und war sofort fasziniert. Seitdem arbeitet er daran, sie wieder allgemein bekannt zu machen. Wenn das langsam aber sicher glückt, dann ist das zum großen Teil das Verdienst von Christoph Keymer. Beim Zuhören wird schnell klar: Diese Bearbeitungen sind echte Überraschungen, kleine und große Juwelen, längst nicht nur dazu da, mit der eigenen Virtuosität zu glänzen, sondern ernsthafte Auseinandersetzungen mit den Originalen auf Augenhöhe.

    So blieb etwa Moszkowski nah an der Brahmsschen Orchesterpartitur, anders als Brahms selbst, der seine Ungarischen Tänze äußerst virtuos für Klavier bearbeitet hat. Moszkowskis Version ist die einfachere, wenn auch nicht anspruchslose - auch von Nicht-Profis zu bewältigen.

    Das ist auch das Prinzip bei der Bearbeitung der Romanze aus dem d-moll-Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart: Meisterwerke raus aus dem Konzertsaal, rein in den Salon - ohne an ihrer Substanz zu kratzen:

    " Moritz Moszkowski / W.A. Mozart
    Romanze aus dem Klavierkonzert d-moll, KV 466 "

    So einfach wie möglich, so originalgetreu wie nötig - das war die Romanze aus dem d-moll-Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart in der Kurzfassung, mit nur einfachen Begleitharmonien versehen - von Moritz Moszkowski, Christoph Keymer spielte.

    Diesem Prinzip der Vereinfachung, zum praktischen Gebrauch für das häusliche Klavierspiel folgen auch Moszkowskis Bearbeitungen einiger Sätze aus Werken Ludwig van Beethovens. So etwa das "Fragment aus dem Klavierkonzert Nr. 5 in Es-Dur", eine mutige Reduktion des 2. Satzes dieses machtvollen Konzerts.

    Christoph Keymer bringt es fertig, diese entschlackten Zusammenfassungen mit einer Ernsthaftigkeit und Innigkeit zu spielen, dass man die Originale nicht vermisst, sondern sich ganz auf die musikalische Essenz konzentriert.

    Doch auch das Virtuosentum kommt auf dieser Doppel-CD nicht zu kurz, schließlich verdiente Moszkowski vorwiegend als Klaviervirtuose seinen Lebensunterhalt. In seinen Transkriptionen leistete er sich durchaus brillante Spielereien, die auf der Bühne Eindruck machen. Der Walzer in cis-moll von Frédéric Chopin, auch bekannt als "Minutenwalzer", war ihm wohl nicht schwierig genug: ihn versah er kurzerhand mit zusätzlichen Terzen. In dieser Fassung ist er zwar in einer guten Minute nicht mehr zu schaffen, aber ohne Frage effektvoll:

    " Moritz Moszkowski / Frédéric Chopin
    Walzer cis-moll, op. 64 Nr. 1 "

    So wird Chopins "Minutenwalzer" zur Terz- und Sexten-Etüde - Christoph Keymer spielte diese Bearbeitung von Moritz Moszkowski.

    Während die erste CD des Doppel-Albums Moszkowkis Transkriptionen von Instrumentalwerken versammelt, geht es auf der zweiten CD vorwiegend um Opern: "Chanson Bohème" aus Bizets "Carmen" gibt's da, "Isoldens Tod", die Schluss-Szene aus Wagners "Tristan und Isolde", eine nachkomponierte Szene, "Venusberg", aus dem Tannhäuser, dazu die "Barcarolle" aus "Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach. Und hier werden die beiden Prinzipien Reduktion und raumgreifendes Virtuosentum auf geniale Weise verbunden.

    Wer allerdings donnernde Tastenraserei erwartet, der sieht sich überrascht von dem differenzierten und eher poetischen als auftrumpfenden Spiel Christoph Keymers: langsam baut er Spannungsbögen auf, gestaltet Charaktere und Stimmungen - und schafft so den Raum, den etwa die vielen kleinen, romantisierenden Wendungen und Windungen in der Bearbeitung dieses Chores aus Händels Oper "Judas Maccabaeus" brauchen:

    " Moritz Moszkowski / Georg Friedrich Händel
    Chor (Tochter Zion) aus "Judas Maccabaeus" "

    Eine romantisch-versponnene Version dieses Chores aus Händels Oper Judas Maccabaeus, vor allem auch bekannt als "Adventslied-Auskopplung" "Tochter Zion".

    Dass Moritz Moszkowski auch ziemlich humorvoll gewesen sein muss, und dazu ein begnadeter musikalischer Kabarettist, beweisen seine Parodien, die er unter dem Titel "Anton Notenquetscher am Klavier" veröffentlicht hat: Auf einen damals bekannten Berliner Gassenhauer hat er kurze Variationen im Stile unter anderem von Brahms, Weber, Clementi, Bach und Liszt geschrieben - und dabei so genau deren jeweiligen Ton getroffen, dass man schmunzelnd staunen muss. Hier zunächst kurz das Thema:

    " Moritz Moszkowski:
    Thema (Ausschnitt) aus: "Anton Notenquetscher - musikalische Parodien "

    Das soll als Eindruck genügen - und gleich hinterher Moszkowskis Variationen im Stile von Brahms und Chopin. Man findet sich sofort in der weit verzweigten, vergrübelten Klangwelt eines Brahmsschen Intermezzos wieder - um gleich darauf die große As-Dur-Polonaise von Chopin auf anderthalb Minuten schrumpfen zu hören:

    " Moritz Moszkowski
    Ausschnitt aus "Anton Notenquetscher - musikalische Parodien
    a la Brahms und Chopin) "

    Musikalische Parodien von Moritz Moszkowski - hier zu Brahms und Chopin, zu finden auf einer Doppel-CD mit sämtlichen Klaviertranskriptionen von Moritz Moszkowski, eingespielt von Christoph Keymer. Diese Neue Platte ist bei Berlin Classics erschienen - vorgestellt hat sie Ihnen Ruth Jarre.

    Moritz Moszkowski: Sämtliche Klaviertranskriptionen
    Christoph Keymer, Klavier
    Berlin classics
    0016402 BC
    LC: 06203