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Kleine Weltpolitik im Netz

Auf dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft 2005 in Tunis wurde das Internet Government Forum ins Leben gerufen – ein offener Arbeitskreis, angesiedelt beim Generalsekretär der Vereinten Nationen, der sich unverbindlich mit den Fragen der Internet-Verwaltung beschäftigen soll. Diese Woche nun tagte das Internet Government Forum in Hyderabad, in Indien.

Von Pia Grund-Ludwig | 06.12.2008
    In Deutschland und auch anderen westlichen Industrieländern ist der Zugang zu schnellen Datennetzen immer noch nicht für alle Bürger eine Selbstverständlichkeit. Noch viel weniger ist er es in den Ländern auf der südlichen Halbkugel. Das war eines der prägenden Themen auf der Tagung des Internet Governance Forum im indischen Hyderabad. Dort haben sich Vertreter von Politik, Wissenschaft und Industrie getroffen, es war sozusagen eine Art Weltgipfel der Informationsgesellschaft. Er ist heute zu Ende gegangen. Gerade bei der Frage des Netzzugangs für möglichst viele Menschen könne das Internet Governance Forum wirklich etwas bewegen, sagte Nitin Desai, Sonderberater des UN-Generalsekretärs für Netzpolitik und -verwaltung.

    "Ich würde sagen, dies ist einer der Bereiche, in denen ein solches Diskussionsforum nützlich ist. Durch internationale Gesetze lässt sich hier wenig regeln, vielleicht noch bei den Kosten für die Infrastruktur. Aber die wichtigen Punkte werden auf nationaler Ebene entschieden. Aber sie benötigen eine Zusammenarbeit zwischen den Regierungen, die für die Gesetze zuständig sind und den Service Providern, die die Infrastruktur zur Verfügung stellen."

    Ein Ziel der Treffen sei es, sehr konkrete Erfahrungen darüber auszutauschen, wie diese Zusammenarbeit am besten funktioniert. So versucht man in Desais Heimat Indien beispielsweise, über neue Organisationsmodelle schneller Mobilfunknetze aufzubauen.

    "Wir haben den Besitz der Sendemasten und den Betrieb der Dienste getrennt. Die Türme werden von Unternehmen aufgestellt, die sich darauf spezialisiert haben. Sie vermieten den Platz an unterschiedliche Provider. So spart man beim teuersten Stück der Infrastruktur für mobile Netze, den Sendemasten."

    Das könne auch für andere Entwicklungsländer eine Chance sein, schneller mobile Datennetze zu installieren:

    "Man kann eine gute Abdeckung realisieren. Wenn jeder Provider eigene Anlagen aufbaut, führt das zu Chaos und Interferenzen, und man bekommt keinen guten Service, weil man mehr Masten aufstellen kann."

    Doch aus Sicht des Kenianers Brian Munyao Longwe ist die Infrastruktur nur einer kleiner Teil der Herkulesaufgabe, der nächsten Milliarde Menschen Zugang zu internationalen Datennetzen zu verschaffen. Longwe ist Internet-Unternehmer und in Afrika für die zentrale Verwaltung der Netznamen verantwortlich. Er mahnte an, dass es beim Internet-Zugang auch darum gehe, Inhalte zu erstellen, die wirklich den Bedürfnissen dieser neuen Benutzer entsprechen:

    "Wenn man das Ziel erreichen will, die nächste Milliarde Menschen an das Internet anzuschließen, ist aus meiner Sicht die größte Hürde das Fehlen geeigneter Inhalte. Es muss Inhalt geben, der den Interessen und der Lebensweise der Bürger entspricht, die man gewinnen will."

    Die Frage, welche Rolle das Internet Governance Forum überhaupt bei der Bewältigung dieser Aufgabe spielen soll, war in Hyderabad heftig umstritten. Der Generalsekretär der International Telecommunication Union (ITU), Hamadoun Toure, hatte zu bereits zu Beginn der Konferenz die Versäumnisse des IGF unterstrichen, sich zum Sprecher der Regierungen gemacht und deren angebliche Unzufriedenheit mit dem IGF zum Ausdruck gebracht. Dabei vertritt er aber auch und vor allem eigene Interessen. Die ITU möchte selbst mehr bei der Verwaltung des Internet mitmischen. Seine Attacke machte klar, dass eine Reihe von Regierungen, aber auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen in Zukunft von den Treffen mehr erwarten als ein Dialogforum. UN-Sonderberater Desai meinte, dass nun die Phase des gegenseitigen Kennenlernens der unterschiedlichen Akteure vorbei sein müsse:

    "Diesen Schritt haben wir hinter uns. Die wirkliche Herausforderung ist es, eine Qualität der Gespräche zu erreichen, die über die Möglichkeit hinausgeht, Freunde zu treffen."

    Die Internet-Community habe zwar mit dem Aufbau der Datennetze einen guten Job getan, betont Desai. Nun gehe es aber darum, sich auf die Bedürfnisse der neuen Akteure aus den Entwicklungsländern stärker einzustellen.

    "Die Debatten vermitteln einen Eindruck, wie sich das Internet vor allem in den Entwicklungsländern entwickelt, dass die dort gesprochene Sprache eben nicht nur Englisch ist, dass es nicht nur für die bekannten wirtschaftlichen Zwecke entwickeltwurde, sondern auch für viele andere Dinge."

    Die Frage, wer bei diesem Aufbau der Infrastrukturen die Richtung angeben wird, blieb auch in Indien offen. Wieder einmal.