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Kleinere Narben dank neuer Techniken

Schilddrüsenleiden gehören zu den häufigsten hormonellen Erkrankungen. Jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat Probleme mit der Schilddrüse: seien es Wucherungen, Fehlentwicklungen, Über- und Unterfunktion. Die Ursache ist häufig Jodmangel. Infolgedessen müssen rund 100.000 Patienten jedes Jahr operiert werden – die meisten davon Frauen. Mittlerweile hat sich auch hier die minimalinvasive Chirurgie durchgesetzt: Die Ärzte operieren durch kleine Schnitte und schonen dadurch das Gewebe. Ein Chirurg in Berlin wendet jetzt eine neue Methode an, durch die am Hals überhaupt keine Narbe zurückbleibt.

Von Andrea Kalbe |
    Eine Schilddrüsen-Operation. Das Organ der Patientin hat nicht mehr genügend Hormone produziert. Die aber sind lebenswichtig, steuern sie doch viele Körperfunktionen wie Stoffwechsel, Verdauung und Wachstum. Zum Ausgleich regt das Gehirn an, verstärkt Hormone zu produzieren. Die Schilddrüse ist deshalb gewachsen. Krankhaft gewachsen – in dem Gewebe haben sich Knoten gebildet. Da die Frau nur kleine Knoten hat, operieren die Ärzte minimalinvasiv: Statt wie bisher den Hals über etwa sechs Zentimeter aufzuschneiden, reichen ihnen jetzt zwei Zentimeter. Durch diesen Mini-Schnitt führen sie feine Instrumente direkt an die Schilddrüse heran. Eine winzige Videokamera überträgt das vergrößerte Bild auf einen Monitor. Dr. Eckhard Bärlehner, Chefarzt der Chirurgischen Klinik am Helios-Klinikum in Berlin-Buch, hat die minimalinvasive Schilddrüsenoperation vor zwei Jahren als einer der ersten in Deutschland eingeführt.

    "Der Patient hat ein geringes Weichteiltrauma. Das Gewebe wird geschont, es wird kein Gewebe durchtrennt. Er hat eine kleine Wunde, in der Regel eine kosmetisch sehr ansprechende Narbe. Und er hat weniger Schmerz. Und er hat einen ganz geringen Blutverlust. Und er ist am nächsten Tag wieder intakt. Eigentlich kann er die Klinik am nächsten Tag wieder verlassen."

    Vor kurzem ist Eckhard Bärlehner dann noch einen Schritt weitergegangen: Mit einer neuen minimalinvasiven Operationsmethode verhindert er die Narben am Hals völlig. Denn Instrumente und Kamera schiebt er nun durch winzige Schnitte an den Brustwarzen und unter einer Achselhöhle. Bei der neuen Methode spielt vor allem die Kosmetik eine Rolle.

    "Im Warzenvorhof an der Grenze zur Haut ist ja eine Verfärbungsgrenze und wenn man genau dort eingeht, dann sieht man die Narbe später nicht mehr. Und in der Axilla sieht man die Narbe für gewöhnlich auch nicht, es sei denn, man rennt immer mit dem Arm über dem Kopf rum. Aber für gewöhnlich, wenn die Narbe richtig in den Hautfalten und Hautlinien angelegt wird, dann sieht man auch dort die Narbe später nicht mehr."

    Darüber freut sich Heike Rockenschuh. Sie ist bisher die einzige Patientin, die der Mediziner mit der neuen Methode behandelt hat. Irgendwann fing ihre Schilddrüse an, unkontrolliert Hormone zu produzieren. Dabei entstanden mehrere Knoten. Bei einigen befürchteten die Ärzte, dass daraus Krebs entstehen könnte. Als sich die Hormonwerte verschlechtern und sie wegen der Knoten nicht mehr richtig schlucken kann, rät ihr Hausarzt zur Operation. Eine Narbe wollte die 38-Jährige aber unbedingt vermeiden.

    "Also der erste Blick ins Gesicht einer Frau ist ja Gesicht, Hals, Dekolleté. Und ich habe nun durch meinen Beruf als Steuerfachangestellte viele vor mir sitzen und habe öfter auch eine Frau gesehen, die einen Schilddrüsenschnitt am Hals hat und ich fand das irgendwo nicht schön."

    Selbst eine Zwei-Zentimeter-Narbe am Hals wollte Heike Rockenschuh nicht haben und stimmte dem Eingriff über Brustwarzen und Achselhöhle sofort zu. Abgesehen vom kosmetischen Ergebnis verläuft auch diese Operation schonender. Durch das vergrößerte Bild auf dem Monitor und die nahe Lichtquelle haben die Mediziner auch eine gute Sicht auf den sensiblen Stimmbandnerv. Allerdings sind beide minimalinvasive Verfahren nicht für jeden geeignet.

    "Was operiert wird, sind also kleine Schilddrüsen: 30 Milliliter große Schilddrüsen, Schilddrüsenknoten, die so in etwa 25 Millimeter Durchmesser haben. Das Problem ist nicht, dass wir sie nicht frei präpariert bekommen, sondern die Bergung durch diese kleine Hautinzision. Wenn die Schilddrüse sehr viel größer ist als die Inzision, die wir machen, dann kriegen wir eben die Schilddrüse nicht heraus und dann müssen wir den Schnitt vergrößern."

    Auch bösartige Knoten werden nicht minimalinvasiv operiert. Stellen die Ärzte Schilddrüsenkrebs fest, müssen sie umfangreich operieren und die Lymphknoten herausnehmen. Heike Rockenschuh ist froh, dass bei ihr alles glatt gelaufen ist. Nicht nur ihr Hals ist unversehrt geblieben, auch die Symptome der Schilddrüsenüberfunktion sind verschwunden.

    "Ich gehe mit Stress anders um, bin ruhiger geworden. Selbst meine Tochter sagt das: Mutti, die OP hat sich gelohnt, du bist ganz anders geworden. Und mir geht’s auch besser – ich kann auch besser schlafen wieder."