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Kleines Land mit großer Wissenschaftstradition

Forschungspolitik. - Slowenien ist von den zehn Beitrittskandidaten eines der kleinsten, aber auch eines der weitesten entwickelten. Der Nachfolgestaat Jugoslawiens zwischen Alpen und Adria verfügt über eine lebendige Wissenschaftstradition. Sie wird im Rahmen der Serie "Zehn+" vorgestellt.

    Von Mirko Smiljanic

    Ljubljana ist eine kleine Hauptstadt in einem kleinen Land. Es geht gemütlich zu, wirklich Stress hat niemand. Links fließt die Ljubljanica, vorbei an der Statue des Dichters France Preseren, der wegen einer unglücklichen Liebe erst dem Alkohol und dann dem Wahnsinn verfiel: Sein Trinklied ist Sloweniens Nationalhymne. Rechts reiht sich ein Jugendstilhaus ans andere: Werke des Architekten Joze Pleznik, der vor über 100 Jahren das Bild Ljubljanas nachhaltig geprägt hat. 200.000 Einwohner zählt die Stadt, 40.000 sind Studenten. Letztere studieren an den zwei großen Wissenschaftseinrichtungen Sloweniens: An der Universität Ljubljana und am Jozef Stefan Institut, einem staatlichen Forschungszentrum, das 1949 als Kernforschungszentrum gegründet wurde und sich ausschließlich der naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung widmet.

    So, jetzt gehen wir ins Labor, da haben wir ein Entwicklungslabor für Detektoren, die wir für Teilchenphysik-Experimente vorbereiten, die Teilchenphysik ist ja ein Gebiet, wo man zu Hause nur die Detektoren vorbereiten kann und die Messung, das ganze Experiment findet dann aber an einem Beschleuniger statt.

    Peter Krizan ist Professor für Physik am Jozef Stefan Institut. Computer, Monitore, Messgeräte, Zangen, Schraubenzieher, ja sogar Lötkolben stehen auf den etwa zehn Arbeitstischen - es ist die Werkstatt der Arbeitsgruppe "Teilchenphysik". Acht Mitarbeiter bereiten zur Zeit zwei Experimente vor: Eines startet in wenigen Wochen am Deutschen Elektronen Synchrotron, DESY, in Hamburg, ein zweites an Japans Teilchenbeschleuniger in Tsukuba. Krizan:

    Also typischerweise sieht ein Entwicklungsstelle so aus, man hat einen Detektor vorbereitet, zum Beispiel hier gibt es eine Gaskammer, die mit Drähten ausgestattet ist, wo man die Teilchen, die durchgeflogen sind, detektiert. Dieser spezielle Detektor wurde für die Detektion von Photonen, also für Licht vorbereitet, das ist ein spezielles Instrument, das Tscherenkow-Zelle heißt, und sehr wichtig ist in der Teilchenphysik ist, weil man damit die Identität der Teilchen genau bestimmen kann,...

    ...ob man etwa ein Pion registriert hat oder doch ein Kaon, um zwei Vertreter des Teilchenzoos zu nennen. 30 Wissenschaftler arbeiten zur Zeit in Peter Krizans Arbeitsgruppe, das Jozef Stefan Institut insgesamt hat 500 Mitarbeiter. Kernforschung betreibt natürlich niemand mehr, heute liegen die Schwerpunkte in der Physik, Chemie, Elektrotechnik und Informatik. Alle Gebiete deckt das Institut nicht ab, dafür sind seine eingegrenzten Aktivitäten aber profund und konkurrenzfähig. Ein Grund dafür ist, dass Slowenien bis auf ein Scharmützel von Jugoslawiens Kriegswirren der 90er Jahre weitgehend verschont wurde. Und der Übergang in die 1991 ausgerufene Unabhängigkeit verlief ohne große Verwerfungen. Krizan:

    Eigentlich lief alles sehr sanft ab, weil die Wissenschaft schon seit eh und je in der Kompetenz der Teilrepubliken war und die ganze Finanzierung der Forschung und der Universitäten war unter slowenischer Obhut, es gab keine Probleme dabei. Die Gruppen sind langsam größer geworden, im allgemeinen war das ein sanfter Übergang.

    Inklusive internationaler Kontakte: Peter Krizan war am DESY in Hamburg Humboldt-Stipendiat. Das ist ein Grund für seine guten Deutschkenntnisse, allerdings nicht der einzige: Deutsch ist wegen der Nachbarschaft zu Österreich wichtig. Jozef Stefan selbst, ein slowenischer Physiker des 19. Jahrhunderts, hat in Wien gearbeitet. Unter anderem mit Maxwell Bolzmann: Zusammen formulierten sie das nach ihnen benannte Stefan-Bolzmann-Gesetz, das die Strahlungsdichte aus schwarzen Körpern bestimmt. Damals hatte Slowenien keine eigene Universität - aus politischen aber auch aus finanziellen Gründen. Heute hat sich die Situation grundlegend geändert, auch wenn Peter Krizan die Frage, ob er genug Geld habe, so beantwortet:

    Man hat ja nie genug Geld, das ist glaube ich eine normale Antwort auf die Frage, aber die Finanzierung der Forschung war eigentlich immer gut geregelt hier. Man hat immer so ein Expertensystem gehabt, das dafür gesorgt hat, das dafür gesorgt hat, dass zumindest in den Naturwissenschaften gute Projekte genügend finanziert waren, natürlich könnte es besser sein, wenn wir etwas mehr Geld hätten, aber eigentlich sind wir ganz gut finanziert.

    Verglichen mit Kroatien, Bosnien und den anderen Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawiens, ist Sloweniens Forschungslandschaft sogar bestens ausgestattet: Das Forschungszentrum Vinca in Belgrad etwa kann kaum die allernotwendigsten Reparaturen der Gebäude bezahlen - von konkurrenzfähiger Forschung ganz zu schweigen. Ähnlich gut sieht die Situation an den Hochschulen aus.

    Universität Ljubljana, Hauptgebäude. Kein Jugendstil, eher Zweckbauten aus den 60er und 70er Jahren. Die Uni verteilt sich über die gesamte Stadt, sie bietet das komplette Spektrum an Lehre und Forschung und sie hat erstaunlich gute Lehrbedingungen.

    Also das ist ein Studentenlabor, wo die Laborübungen durchgeführt werden, und wir arbeiten in Gruppen von zwei Studenten zusammen, wir haben acht Messplätze wo wir also verbinden klassische Messinstrumente und PC-unterstützte Messungen,...

    Marko Topic ist Professor für Elektrotechnik. Mit 35 Jahren einer der jüngsten. Knapp zwei Jahre hat er als Stipendiat der Humboldt-Stiftung am Forschungszentrum Jülich gearbeitet, sein Schwerpunkt sind Dünnfilmhalbleiter für Solarzellen.

    Zwei Studenten sitzen vor einer Platine und hadern mit den Messresultaten: Die Induktivität einer Drossel mit Eisenkern spiegelt sich einfach nicht in den Zahlen wider. Topic:

    In den letzten Jahren haben wir bemerkt, dass sich die besten Studenten für Jura und für Wirtschaft entscheiden, also die Durchschnittsnote der Studenten, die sich einschreiben im Bereich Technik, geht langsam nach unten, und das ist schlecht, das macht uns große Sorgen.

    Kein Unterschied also zu westeuropäischen Ländern - wenngleich sich in Deutschland eine leichte Erholung anbahnt: Der Business-Hype ist verflogen, technische Fächer legen leicht zu. Auch dieser Prozess wird in Slowenien ablaufen - ein paar Jahre zeitversetzt - auf jeden Fall gefördert von Deutschland. Marko Topic etwa hat im Mai für ein größeres Forschungsprojekt von der Humboldt-Stiftung ein 20.000 Euro teures Messgerät bekommen. Ein Projekt übrigens, an dem sich auch das Forschungszentrum Jülich beteiligt, geplant ist auch der Austausch von Studenten und Wissenschaftlern. Länderübergreifendes Arbeiten - so selbstverständlich es bei Peter Krizan und Marko Topic im ersten Moment auch wirkt - ist allerdings in Slowenien eher schwach ausgeprägt. Topic:

    Slowenien hat eine Tradition, dass unsere Mobilität sehr klein ist, sie geht in nur eine Richtung, und zwar nach Ljubljana, in die Hauptstadt. Warum das so ist, weiß ich nicht, natürlich gibt es Leute, die nach draußen in die Welt gehen und dort Karriere machen, aber die Zahlen sind nicht so dramatisch. Ein Grund ist vielleicht, dass unsere ökonomische Situation nicht so schlimm war und dadurch gibt es auch gute Möglichkeiten, einen guten Job zu finden, so dass man auch eine Perspektive hat, in Slowenien zu arbeiten.

    In diesem Punkt wird das kleine, zukünftige EU-Land Slowenien von seinen großen Nachbarn noch lernen: Ohne internationalen Austausch läuft gar nichts!