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Kleingärtner schließen Frieden mit dem Pflanzenschutzgesetz

Von einem Verwirrspiel reden Kleingartenverbände gern, wenn es um das Thema Pflanzenschutzgesetz geht: Wer darf wann, wo, welches Gift spritzen? Dabei ist eigentlich mit dem Gesetz seit 1998 alles viel einfacher geworden: Ein Blick in die Gebrauchsanleitung der Präparate gegen Milben oder Grauschimmel hilft: Da steht genau drin, wofür die Substanz verwendet werden darf und ob sie für den Hobbybereich zugelassen ist. Am Wochenende haben sich rund 400 Kleingartenfunktionäre, Fachjournalisten, Vertreter von Zulassungsbehörden und Industrie in Bremen zum 2. Deutschen Gartenfachberatertag getroffen. Sie wollten Bilanz ziehen, was das Pflanzenschutzgesetz gebracht hat.

Von Folkert Lenz |
    Der Pulverdampf hat sich verzogen. Vor vier Jahren noch waren die deutschen Kleingartenverbände Sturm gelaufen gegen das neue Pflanzenschutzgesetz. Die Friedenspfeife mit dem Gesetzgeber wollten die 400 Gartenfachberater in Bremen zwar nicht gerade rauchen. Doch ein Jahr, nachdem auch die letzten Übergangsfristen abgelaufen sind, und alle alten Spritzmittel vom Pflanzenschutzschrank in den Sondermüll gewandert sein müssen, zogen die Funktionäre der organisierten Freizeitgärtner Bilanz. Und die fiel nicht sonderlich kritisch aus. Jürgen Sheldon vom Bundesverband Deutscher Gartenfreunde:

    Das Pflanzenschutzgesetz als solches ist ja kein Knebel. Wir müssen nur quasi mit ihm umgehen lernen und es, wo Knackpunkte sind, erweitern.

    Deshalb fordert Sheldon eine Novellierung des Gesetzes. Der Griff zur Giftspritze soll doch wieder häufiger erlaubt sein, wenn die Ernte auf der eigenen Scholle ernsthaft bedroht ist. Damit nicht jeder Gartenfreund nach Herzenslust seine Beete einnebeln kann, will Sheldon den Pflanzenschutz in Expertenhand sehen: bei den Gartenfachberatern.

    Dass man also Anträge stellen kann um Zulassung für Schwerpunkte, die man mit normalen, ich sage mal: natürlichen oder ökologischen Mitteln nicht mehr bekämpfen kann. Zum Beispiel ein Rostbefall bei Himbeeren oder bei Kirschen, die es also dann nicht mehr ermöglichen, Kirschen zu ernten.

    Auf uneingeschränkte Zustimmung in den eigenen Reihen stößt Sheldon mit seinen Forderungen nicht. Denn viele Funktionäre haben es satt, dass der deutsche Kleingärtner als "Giftspritzer der Nation" angesehen wird. Es hat schon lange ein Umdenken eingesetzt, sagt Werner Heidemann vom Landesverband Westfalen-Lippe der Kleingärtner. Weil die Hobby-Gärtner keinem betriebswirtschaftlichem Diktat unterliegen und höchstens einen Lustgewinn als Ertrag einfahren müssen, sind sie auch offener für alternative Methoden des Pflanzenschutzes, glaubt Heidemann. Und das fängt bei der Auswahl der Pflanzen an.

    Ich komme aus Münster. Das ist eine Region, die eben nicht gerade vom Klima verwöhnt ist. Da käme jetzt ein Gartenfreund zu mir, der sagt: Ich habe dauernd diese Pilzkrankheiten, die Kräuselkrankheit an meinem Pfirsich. Ich würde versuchen, bei ihm einen Denkprozess auszulösen, indem ich ihm sage: Lieber Gartenfreund, denk doch mal drüber nach, ob der Pfirsich denn überhaupt in diese Region hineingehört.

    Auch die professionellen Züchter haben festgestellt, dass die Gartenpraktiker sich mehr Gedanken machen, was denn rund um die Laube wachsen soll. Darum wird auch nicht mehr so selbstverständlich zur chemischen Keule gegriffen wie früher, beobachtet Raimund Schnecking von der Kiepenkerl-Pflanzenzüchtung:

    Wir stellen fest, dass wir mit unseren resistenten und toleranten Pflanzen, die bisher hauptsächlich im Profibereich angeboten worden sind, auch im Hobby-Bereich einen sehr großen Erfolg haben. Und das zeigt eigentlich, dass nach Lösungswegen gesucht wird.

    Wer auf der Terrasse oder in der Laubenkolonie aber weiter mit Sprühmitteln gegen Obstbaumkrebs am Apfel, gegen Stachelbeermehltau oder Grauschimmel an den Erdbeeren zu Felde ziehen will, darf nur noch die Präparate benutzen, die ausdrücklich für den Hobby- und Kleingartenbereich zugelassen sind. Seit 1998 ist rund die Hälfte der herkömmlichen Mittel per Gesetz aus dem Verkehr gezogen worden, stöhnt mancher Gartenfreund. Zu Recht, findet aber Martin Hommes von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft. Schließlich hat es sich bei vielen der alt bewährten Substanzen schlicht um Gift gehandelt, das Natur, Wasser, aber auch den sprühenden Gärtner selbst bedroht hat, sagt Hommes:

    Sie erfordern deshalb spezielle Schutzausrüstung, zum Beispiel eine Halbmaske. Und diese Halbmaske ist in der Regel beim Haus- und Kleingärtner nicht vorhanden. Da steht zum Beispiel, dass bleibende Schäden möglich sind oder das Kind im Mutterleib geschädigt werden kann, wenn man das Mittel anwendet und einatmet. Und solche Mittel sind einfach grundsätzlich für den Haus- und Kleingartenbereich nicht geeignet.

    Eine klare Absage auch an die Hausmittel aus Eigenfabrikation. Kaliseife selbst zu mischen ist durch das neue Gesetz zum Beispiel schlicht verboten. Aber der Agrarwissenschaftler Hommes findet, dass sie im Kampf gegen Blattläuse auch gar nicht mehr nötig ist – eine Aussage, wegen der in Bremen einige Gartenpraktiker dann doch das Kriegsbeil gerne wieder ausgegraben hätten.

    Zum Beispiel: Blattläuse. Einfach mit dem normalen Wasserschlauch können die abgespült werden. Oder sie können mit der Hand zerdrückt werden. Es gibt da auch alternative Möglichkeiten.