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Kleinmeister ganz groß

Großmeister der Wiener Klassik wie Haydn, Mozart und Beethoven lassen uns häufig vergessen, dass um sie herum zeitgleich an vielen Fürstenhöfen in Europa das Musikleben ebenfalls boomte und eine Vielzahl von Komponisten Beachtliches leistete. Doch deren geschichtliches Schicksal wurde es, an diesen Titanen gemessen zu werden, was in den meisten Fällen zu einer Einordnung als Kleinmeister führte.

Von Ludwig Rink |
    Doch ohne ihre Vorarbeit, ohne diese gesellschaftliche Breite des Musikmachens, ohne die Professionalität der meist sowohl als Interpreten wie als Komponisten tätigen Musiker wäre vermutlich auch vieles von Haydn, Mozart und Beethoven nicht entstanden. Von einem dieser "Kleinmeister" soll heute die Rede sein, von Peter von Winter, der von 1754 bis 1825 lebte. Carl Maria von Weber nannte ihn noch zu seinen Lebzeiten einen "bedeutenden Meister", und als er starb, widmete ihm die in Leipzig erscheinende "Allgemeine Musikalische Zeitung" immerhin einen 14 Seiten langen Nachruf.

  • Musikbeispiel: Peter von Winter - 3. Satz "Rondo allegro" (Anfang) aus der Sinfonie Nr. 2 F-Dur:

    Peter von Winter, Sohn eines Brigadiers am kurfürstlichen Hof in Mannheim, zeigte so früh musikalisches Talent und Fertigkeit im Geigenspiel, dass er schon als Zehnjähriger im Hoforchester mitspielen durfte. Hier empfing er vermutlich die wichtigsten Eindrücke für seine künstlerische Zukunft. Denn bei Theater- und Konzertaufführungen dieses fortschrittlichen Strömungen verpflichteten Ensembles lernte er die Eigentümlichkeiten des "Mannheimer Stils" ebenso kennen wie die Besonderheiten von französischem Singspiel, italienischer Oper oder deutschem Melodram.

    Als sein Kurfürst Karl Theodor 1778 seinen Hof nach München verlegte, ging Peter von Winter mit und wurde dort Orchesterdirektor. Hatte er bisher nur Instrumentalmusik komponiert, schrieb er jetzt auch erfolgreich für die Bühne - sein auch heute noch am ehesten bekanntes Bühnenwerk ist die Oper "Das unterbrochene Opferfest", zeitlich angesiedelt zwischen Mozarts "Zauberflöte" und Carl Maria von Webers "Feischütz". Von Winter machte weiter am Hof Karriere und sein Fürst war klug genug, ihn auch einmal für kompositorische Arbeiten oder Opernaufführungen anderswo vom Dienst freizustellen. So konnte er in Wien, Berlin, London und Paris Opernerfolge feiern und seine Bühnenwerke, allen voran das "Opferfest", machten ihn darüber hinaus auch in Bern, Amsterdam, Budapest, Warschau, St. Petersburg, Moskau und Stockholm bekannt.

    Erstaunlich, dass es von einem solchen Musiker heute kaum Schallplatten-Einspielungen gibt: Eine "Sinfonia concertante" wurde in den 70er Jahren einmal aufgenommen, auch ein Concertino für Fagott und Orchester und ein Septett findet man in älteren Archiven. Umso begrüßenswerter, dass jetzt das Label Orfeo eine Aufnahme des Südwestrundfunks herausbringt, die ein Konzert für Klarinette und Orchester Es-Dur, die Sinfonien Nr. 2 und 3 sowie eine Arie für Sopran, Klarinette und Streicher bietet. Mit von der Partie ist der Klarinettist Dieter Klöcker, ein besonders eifriger Pionier in Sachen Ausgrabung von zu Unrecht vergessenen Klassikern, dann die Sopranistin Isolde Siebert und das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim unter der Leitung von Johannes Moesus.

  • Musikbeispiel: Peter von Winter - 3. Satz "Rondo allegro" (Ende) aus der Sinfonie Nr. 2 F-Dur

    Soweit der letzte Satz aus Peter von Winters 2. Sinfonie F-Dur, ein "Rondo allegro". Seit drei Jahren gibt es ein Peter-Winter-Archiv, ein freies musikwissenschaftliches Forschungsinstitut finanziert aus privaten Mitteln. Dessen zentrale Aufgabe ist die Erschließung des bis heute weitestgehend unbekannten Instrumentalwerks. Die Leitung dieses Archivs liegt in den Händen von Thomas Gebhard, der zur vorliegenden CD auch den Einführungstext verfasst und das hier erstmals eingespielte Klarinettenkonzert aufgespürt und herausgegeben hat. Gebhard vermutet, dass Winters Klarinettenkonzert etwa aus der Zeit um 1780 stammt und damit zeitlich zwischen die Solokonzerte von Carl Stamitz und Wolfgang Amadeus Mozart einzuordnen wäre.

    Winter wurde im Opernbereich besonders wegen seiner gesanglichen Melodien geschätzt - diese Erfindungsgabe zeigt auch die Klarinettenstimme. Hinzu treten rhythmisch scharf akzentuierte Begleitfiguren, dynamische Kontrastwirkungen, harmonische Überraschungen. Der Solist eilt höchst virtuos durch den gesamten Umfang seines Instruments, überrascht mit Registersprüngen, die seiner Melodik große Weite verleihen, zeigt neben den dynamischen Kontrasten auch Gegensätze in der Stimmungslage auf engstem Raum: virtuoses Figurenwerk wird abgelöst durch verhaltene, fast scheu zu nennende Passagen, neben Gesangliches tritt im nächsten Augenblick heftig auftrumpfendes Staccato-Spiel. All dies bietet in anschaulicher Weise der relativ groß dimensionierte erste Satz dieses Klarinettenkonzertes.

  • Musikbeispiel: Peter von Winter - 1. Satz "Allegro moderato” aus dem Konzert für Klarinette und Orchester Es-Dur


    Titel: "Peter von Winter: Klarinettenkonzert, Sinfonien No. 2 & 3"
    Solisten: Isolde Siebert, Sopran
    Dieter Klöcker, Klarinette
    Orchester: Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim
    Leitung: Johannes Moesus
    Label: Orfeo
    Labelcode: LC 08175
    Bestellnr.: C 192 041 A