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Kleopatras Liebesstrategie

Turbulent geht's zu unter Jens-Daniel Herzogs Regie des Händelschen "Giulio Cesare in Egitto" an der Semperoper in Dresden. Das Werk über den Ägypten-Eroberer Caesar stammt aus Händels glücklichster Zeit als Komponist italienischer Opern in London, uraufgeführt 1724.

Von Georg Friedrich Kühn | 15.12.2009
    Da hat der Sicherheitsdienst wohl nicht richtig gecheckt. Zum "lieto fine", dem glücklichen Ende für das neue Superpaar Caesar und Kleopatra, landet auch eine Koffer-Bombe auf dem Brautbett. Alle stieben auseinander, und der mörderische Streit zwischen Eroberern und Eroberten verschärft sich erneut.

    Caesars Armee tanzt hier in Rommels Uniformen an, auf dem Thron Ägyptens sitzt als Ptolemäus ein von seiner Schwester Kleopatra zum Gespött gemachter Faruk, der sich aber zu rächen weiß und an Grausamkeit es mit den Eroberern gern aufnimmt.

    Turbulent geht's zu in Jens-Daniel Herzogs Einrichtung des Händelschen "Giulio Cesare in Egitto". Das Werk über den Ägypten-Eroberer Caesar stammt aus Händels glücklichster Zeit als Komponist italienischer Opern in London, uraufgeführt 1724. Sorgfältig wie nie zuvor strukturierte Händel die Handlungsfäden.

    An Dresdens Semperoper versucht man sich nach einem Dreiviertel-Jahrhundert erstmals wieder an einer Händel-Oper. Kraftlos kommt dieser Neu-Start nicht daher, wenn auch nicht gänzlich überzeugend.

    Zusammen mit dem Choreografen Ramses Sigl zeichnet Herzog die Ägypten-Eroberer eher als Operetten-Armee, die mit aufgesetzten Übungen ihrem Chef salutieren. Dabei sieht man gerade heute wieder, dass eher die Chefs die Lachnummern sind und das Fußvolk die bedauernswerten Opfer.

    In einem Lauer-Ballett umschleichen sich Eroberer und Eroberter samt Anhang und wünschen sich heimlich den Tod. Kleopatra bezirzt den Cesare unter falschem Namen mal als Bauchtanz-Sirene, mal als Schaumbad-Venus. Tolomeo, alias Ptolemäus, knallt seine Verräter mit aufgesetztem Pistolenschuss alle einzeln ab – und die Wächter fleddern dann die Leichen nach Wertgegenständen.

    Als eine Art "running gag" inszeniert Herzog die Parallelhandlung: wie Witwe und Sohn des Caesar-Konkurrenten und Ägypten-Flüchtlings Pompejus sich zu rächen versuchen an Tolomeo, dass er als Gastgeschenk für Caesar das Haupt ihres Ehemanns in einer Hutschachtel überreichen lässt.

    Pompejus steuert als Geist aus dem Jenseits gleichsam die ratternde Mordmaschinerie. Rache erzeugt Rache will das sagen, auch wenn es etwas unscharf bleibt.

    Die Bühne von Mathis Neidhardt ist ein lehmfarbener Kubus mit fallbeilartigen Schiffsschotten. So ist der Raum leicht veränderbar, wenn auch oft zu wenig definiert.

    Am Pult sorgt Alessandro De Marchi mit der Staatskapelle für einen weichen, dem Barock angenäherten vibrato-armen Klang. Von den Sängern können insbesondere Anke Vondung als überaus koloraturen-gelenkiger Cesare beeindrucken, aber auch Christa Mayer als die Pompejus-Witwe Cornelia und Janja Vuletic als ihr zum Morden unbrauchbarer Sohn Sesto.

    Etwas enttäuschend Laura Aikin als Kleopatra. Händel zeichnet sie anfangs als eher oberflächliches Wesen, das den Schmerz erst erfahren muss, um zu sich selbst zu finden. Überhaupt gibt es in dieser Oper neben den Kampfes-Arien Caesars überwiegend Nummern, die Einsamkeit und Todesqualen der Figuren beleuchten. Mit etwas leichter Hand geht die Regie darüber hinweg.

    Auch hätte eine behutsame Kürzung der Partitur dem inneren Fluss des fast vierstündigen Abends gutgetan. Das Regieteam musste denn auch am Ende einige Buhs einstecken für die ansonsten bejubelte Aufführung.