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Klettern und Naturschutz
Ein schwieriges Verhältnis

Von Stefan Michel | 03.09.2014
    Ganz im Süden des französischen Zentralmassivs liegt ein kleiner Tafelberg namens Thaurac. Er ist eines der ausgedehntesten Klettergebiete Europas. Zugleich ist der Taurac ein biologischer Hotspot. In den wenigen Felswänden, die für Kletterer gesperrt sind, brüten Wanderfalken und die extrem seltenen Schmutzgeier. Frage an den Autor des Kletterführers für den Thaurac, Fabien Roumanille, ob dieses enge Nebeneinander von Klettersportlern und bedrohten Arten funktioniert?
    "Probleme mit brütenden Vögeln gibt es in Bereichen ohne Klettereinrichtungen, wo trotzdem geklettert wird. Aber ich habe noch nichts von Klagen der Ornithologen über Leute gehört, die am Thaurac Vögel stören würden. Nicht weit von dort ist ein Habichtsadler gestört worden, aber nichts dergleichen rund um den Thaurac."
    Die Chefin der örtlichen Naturschutzorganisation namens Goupil, Marie-Pierre Puech, bestätigt das und erklärt auch gleich, warum das Nebeneinander von Greifvögeln und Kletterern hier klappt.
    "Mit den Sportlern gibt es keinen Konflikt, mit ihnen wird Verständnis für das Tier aufgebaut, Wertschätzung und Achtung. Wir sind auf der sicheren Seite, indem wir vermitteln, Kenntnis und Interesse wecken und alle dazu bringen, Verantwortung zu zeigen."
    Auch gut tausend Kilometer weiter nördlich sind Kletterer und Naturschützer miteinander im Gespräch. Aber hier, im nordrhein-westfälischen Sauerland, ist das eher ein Feilschen um die wenigen hohen Felswände. Bloß fünf Prozent der natürlichen Felsen würden von Kletterern beansprucht, erklären die Vertreter des Deutschen Alpenvereins. Für Martin Lindner vom Naturschutzbund ist das eine Milchmädchenrechnung.
    Totales Kletterverbot im Hönnetal
    "Diese paar Felsen, diese fünf Prozent, das sind die wenigen ganz großen Felsen, die es in NRW gibt. An diesen kommen eben diese Flechtenarten vor oder die Wanderfalken und die Uhus oder solche Arten."
    Im sauerländischen Hönnetal gibt es Dutzende natürlicher Felstürme. Das Hönnetal ist ein traditionelles Klettergebiet. Und es ist ein FFH-Gebiet, ein Naturschutzgebiet nach europäischem Recht. Deshalb ist es komplett für die Kletterei gesperrt worden. Die zuständige Bezirksregierung klagt, offene Feuerstellen und Trampelpfade wiesen auf illegales Klettern hin. Streng geschützte Vögel hätten deshalb ihre Nester verlassen.
    Noch mehr als die Sperrung der Hönnetalfelsen erbost die Kletterer das Verbot an den Bruchhauser Steinen. Das sind vier Felstürme mitten im Wald, an denen seit 1930 geklettert wurde. Jetzt ist das komplett verboten. Denn hier brüten nicht nur Uhu und Wanderfalke, so rechtfertigt Naturschützer Lindner das totale Kletterverbot.
    "Bei diesen beiden Arten könnte man durchaus auch so eine Regelung finden, dass man sagt: Während der Brutzeit wird nicht geklettert. Dort kommen aber Arten vor wie die Alpengänsekresse. Das ist eine Art, die man als Eiszeitrelikt einstuft. Und die hat an den Bruchhauser Steinen ihr nördlichstes Vorkommen in Deutschland."
    Sportler für den Naturschutz in Verantwortung nehmen
    Wegen der stetig steigenden Zahl der Kletterer nimmt der Druck auf die Felsbiotope weiter zu. Naturschützer Lindner sieht einen Lösungsansatz darin, weitere stillgelegte Steinbrüche fürs Klettern zu erschließen und so die für den Naturschutz weitaus wichtigeren Naturfelsen zu entlasten. Ob das allein ausreicht, um die illegale Kletterei zu stoppen, ist aber zweifelhaft. Denn so, wie es in Deutschland zwischen Kletterern, Behörden und Naturschützern läuft, werden statt Verständnis für die Natur häufig Trotzreaktionen gefördert. Der Alpenverein pflegt ein Selbstbild, wonach Kletterer per se Naturfreunde seien, und stellt die Kletterverbote als völlig überzogen dar. Und die Naturschützer haben nicht genügend Ehrenamtliche, um den direkten Kontakt zu den Kletterern in den jeweiligen Felsgebieten zu pflegen. Das gelingt natürlich auch in Frankreich nur an wenigen Orten. Der Thaurac ist einer davon, und dort hat Naturschützerin Puech schon ihr nächstes großes Aufklärungs-Projekt vor Augen:
    "Bei dem Dorf Montoulieu ist ein hübsches kleines Haus der Natur im Entstehen begriffen, wo es Museumsdidaktik geben wird mit Betreuung und Erläuterung, was Geier sind und welchen Nutzen sie haben. Es wird ein Ort der Vermittlung sein, des Verstehens und Beobachtens, aber ohne die Tiere zu stören."
    Im neuen Naturhaus werden sie dann die Kletterer und andere Freizeitsportler noch intensiver als bisher für den Schutz der Natur in die Verantwortung nehmen.