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Klima
Asynchrone Erderwärmung

Zwar ist oft vom globalen Klimawandel die Rede, tatsächlich verläuft die Erderwärmung aber äußerst verschieden. Eine neue Studie im Fachmagazin "Nature" zeichnet ein Bild vom Klimawandel der unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf den Kontinenten.

Von Volker Mrasek | 05.05.2014
    Eine beleuchtete Weltkugel (Globus) mit Blick auf Afrika und Europa.
    Die Landmassen des Nordens und des Südens erwärmen sich keineswegs zeitsynchron. (picture alliance / dpa - Caroline Seidel)
    Wie einen Marathonlauf, bei dem manche das Tempo vorgeben und andere zurückhängen, vielleicht, weil sie erst gar keinen guten Start erwischt haben - so kann man sich die Erwärmung der Kontinente im 20. Jahrhundert vorstellen. Die Nordhalbkugel rennt vorneweg, die Südhemisphäre hinterher. Und auch die Landmassen des Nordens und des Südens erwärmen sich keineswegs zeitsynchron.
    Das berichten US-amerikanische und chinesische Forscher jetzt in ihrer neuen Studie. Unter ihnen Zhaohua Wu, Assistenzprofessor für Atmosphärenwissenschaft an der Staatsuniversität von Florida in den USA:
    "In den ersten Jahrzehnten ist der Erwärmungstrend über Land zunächst sehr schwach. Zwischen 1940 und 1980 in etwa beschleunigt er sich dann und wird immer stärker. Seither ist der Trend wieder schwächer, nimmt aber weiterhin konstant zu. Das ist das globale Bild, das wir von der Erwärmung haben. Wenn man sich aber individuelle Regionen anschaut, dann sieht man: Die Tropen kühlen sich sogar bis nach der Jahrhundertmitte ab. Und in den Anden in Südamerika gibt es einen Bereich, da ist das bis heute so."
    Klimaerwärmung beginnt auf Nordhalbkugel
    Die Tropen sind also ein Spätstarter in Sachen Klimawandel. Viel früher nimmt die Erwärmung in höheren nördlichen Breiten Fahrt auf, wie Wu sagt:
    "Die Klimaerwärmung beginnt auf der Nordhalbkugel, und zwar in den Subtropen und in höheren, polaren Breiten. Dieses Muster ändert sich dann aber im Verlauf des 20. Jahrhunderts, und es sind die mittleren nördlichen Breiten, die sich am Ende am stärksten erwärmen. Also Länder wie China und Russland. Und auch Westeuropa."
    Während die Erwärmung im Norden schließlich alle Kontinente erfasst, fällt sie auf der Südhalbkugel moderater aus. Hier gibt es bis heute größere Regionen ohne merklichen Temperaturanstieg, in Südamerika und Westafrika zum Beispiel. Offenbar wirkt hier das Meer als Wärmepuffer.
    "Ich kann da nur spekulieren. Auf der Südhalbkugel gibt es jedenfalls nur wenig Land. Und viel Wasser. Nach unseren Daten erwärmt sich der Ozean zwar auch, aber viel schwächer, denn er hat eine hohe Wärmekapazität."
    Dass der Klimawandel nicht überall synchron abläuft, erkannten Wu und seine Kollegen durch ein neues Verfahren für die statistische Analyse längerer Zeitreihen. Die Methode erlaubt es, episodische Schwankungen herauszufiltern, die einen langfristigen Trend überlagern können. Im Fall der globalen Erwärmung sind das vor allem natürliche Klimazyklen. Aber auch Einflüsse des Menschen wie zum Beispiel die Luftverschmutzung der Nachkriegsära in Europa, als Kohlekraftwerke noch keine Staubfilter hatten und der Schmutz in der Atmosphäre zeitweilig abkühlend wirkte.
    Warum die niedrigen und die hohen nördlichen Breiten beim globalen Klima-Marathon davonpreschten, dann aber von den mittleren Breiten abgehängt wurden – für die Forscher ist das ein Rätsel, wie sie einräumen. Sie vermuten dahinter Veränderungen der allgemeinen Luftzirkulation, hervorgerufen durch den zunehmenden Treibhauseffekt. Sicher sei das aber nicht, so Atmosphärenforscher Wu:
    "Ich würde sagen: Durch unsere Studie ergeben sich mehr neue Fragen als Antworten auf alte! Ich weiß zum Beispiel nicht, warum das globale Erwärmungsmuster so aussieht, wie wir jetzt feststellen. Und ich denke, wir müssen das Klimasystem noch besser verstehen, damit unsere Projektionen für die Zukunft vertrauenswürdiger werden."
    Nach der Analyse der Forscher gibt es in mittleren nördlichen Breiten Gebiete, die sich schon um zwei Grad Celsius erwärmt haben. Auch deshalb ist es wichtig zu wissen, dass der Klimawandel nicht überall synchron abläuft. Sondern dass es Flecken auf der Erde gibt, die stärker betroffen sind als andere. Nur so lässt sich die Bedrohung durch den Klimawandel von Region zu Region realistisch einschätzen.