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Klima
Globale Erwärmung pausiert offenbar doch nicht

In der Klimaforschung besteht seit längerem die These, dass die globale Erwärmung seit 15 Jahren nachgelassen habe. Eine neue Studie will das nun widerlegen. Ihr Fazit: Eine Pause der Erwärmung habe es nie gegeben. Vielmehr sei dieser Eindruck durch Datenlücken hervorgerufen worden.

Von Volker Mrasek | 18.11.2013
    Er sei davon besessen, Probleme zu lösen. Das sagt Kevin Cowtan von sich selbst. Und das erklärt, wieso sich der britische Physiker von der Universität York jetzt dem Klima zuwendet. Eigentlich beschäftigt sich Cowtan nämlich mit Kristallographie und der Strukturaufklärung von Molekülen. Doch dann stieß er auf ein akutes Problem in der Klimaforschung:
    Seit anderthalb Jahrzehnten scheint die globale Erwärmung zu stagnieren – wobei drei verschiedene Datensätze existieren, aus denen man die Weltmitteltemperatur ableiten kann. Zwei in den USA, und einer in Großbritannien. Doch alle haben Lücken. Denn Messdaten der Temperatur gibt es nur von rund 85 Prozent der Erdoberfläche.
    "In der Kristallografie hab ich an ganz ähnlichen Problemen gearbeitet. Da ging es auch darum, Gesamtbilder aus unvollständigen Datensätzen zusammenzusetzen. Also dachte ich: Versuchst Du es auch hier mal!"
    Was bei Cowtans Abstecher in die Klimaforschung herauskam, ist ein echter Knüller! Die globale Erwärmung habe überhaupt keine Pause eingelegt, sagt der Physiker nach Abschluss seiner Studie, die er zusammen mit einem kanadischen Geografen erstellte:
    "Wir haben die Jahre 1997 bis 2012 betrachtet. Und kommen auf eine Erwärmungsrate von 0,12 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Das ist zwar etwas weniger als in den beiden Jahrzehnten davor. Aber im Prinzip hat sich die Erwärmungsrate kaum verändert."
    Um die globale Durchschnittstemperatur zu berechnen, wird am häufigsten der Datensatz des Britischen Wetterdienstes und der Universität von East Anglia herangezogen. In ihn fließen Tausende Messungen rund um den Globus ein – von Bodenstationen, Schiffen und Meeresbojen.
    Doch es gibt so gut wie keine Daten aus der Arktis. Und das, sagt Kevin Cowtan, sei das große Problem:
    "In den letzten 16 Jahren - also genau in der Zeit, in der der Klimawandel angeblich eine Pause machte - hat sich die Arktis besonders schnell erwärmt. Bis Ende der 90er-Jahre war die Veränderung noch moderat. Aber seither hebt die Temperatur in der Arktis regelrecht ab. Es gibt sogar eine Schätzung, wonach sie sich achtmal schneller erwärmt als der Rest der Welt."
    Ausgerechnet diese Region spart der britische Datensatz aus. Deswegen habe er die globale Erwärmung zuletzt unterschätzt, argumentiert Cowtan.
    Der Physiker aus York schließt diese geografische Lücke jetzt in seiner neuen Studie. Dafür benutzte er zusätzlich Satellitendaten und bestimmte Rechenverfahren, um aus ihnen Oberflächentemperaturen in der Arktis abzuleiten. Bezieht man das Gebiet mit ein, dann war die globale Erwärmung in den letzten 16 Jahren mehr als doppelt so stark - verglichen mit dem offiziellen britischen Datensatz.
    "Die Studie ist interessant! Ihre Methoden wurden auch schon in früheren, anderen Klima-Analysen angewandt. Ja, man kann ihnen vertrauen."
    So urteilt Colin Morice über die neue Studie. Der Ozeanograf arbeitet beim Britischen Wetterdienst, im Zentrum für Klimaforschung. Zu seinen Aufgaben zählt es, die Unsicherheiten in den heutigen Temperatur-Datensätzen zu verringern. Dazu trage die Arbeit von Kevin Cowtan zwar bei, sagt Morice. Doch sei die Erwärmungspause damit nicht plötzlich aus der Welt:
    "Regionen, von denen wir Beobachtungsdaten haben, zeigen eine verlangsamte Erwärmung! Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum Beispiel eine veränderte Wärmeverteilung in den Ozeanen und eine Schwächephase der Sonne. Die Datenlücke in der Arktis – das ist sicher nicht die ganze Geschichte."
    Auch kühlende Aschewolken nach einigen Vulkanausbrüchen gab es in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten. Und einen Pazifik ohne richtige Warmphase, bekannt als El Nino.
    Forscher müssen noch herausfinden, was es genau war, das den Klimawandel zuletzt abbremste. Auch wenn die Erwärmung offenbar nicht so stark stockte, wie bisher gedacht.