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Klima-Manipulation mit Risiken

Klimaforschung. - Als erster brachte wohl der Nobelpreisträger Paul Crutzen die Idee auf, Schwefelsäuretröpfchen als Sonnenschutz in der Erdatmosphäre zu verteilen. Britische Forscher wollen jetzt einen Feldversuch machen. Allerdings haben Computersimulationen ergeben, dass der Ansatz unerwünschte Folgen für den Niederschlag haben könnte.

Von Max Rauner | 15.03.2012
    Hugh Hunt hat eine große Vision. Der Ingenieur vom Trinity College in Cambridge arbeitet an einem Notfallplan für die Abkühlung des Planeten Erde. Er und ein paar Kollegen von britischen Universitäten schlagen vor, reflektierende, schwefelhaltige Wassertröpfchen mit langen Schläuchen in die obere Atmosphäre zu sprühen. Dort – in der Stratosphäre – würden sie einen Teil des Sonnenlichts zurück ins All reflektieren und eine Art Sonnenschirm für die Erde aufspannen.

    "Wir gehen von 10 Millionen Tonnen Schwefeldioxid pro Jahr aus. Damit ließe sich die globale Durchschnittstemperatur um zwei Grad absenken. Diese Schätzung leitet man aus den Erfahrungen mit dem Pinatubo-Vulkan ab. Wenn man außerdem die Reflektion der Sonnenstrahlung ausrechnet, scheint die Zahl ganz gut zu stimmen."

    Der Pinatubo auf den Philippinen katapultierte 1991 viele Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre. Die globale Durchschnittstemperatur sank daraufhin um ein halbes Grad. Ein Vorbild für die Geo-Ingenieure. Hugh Hunt möchte nun, um das Prinzip zu testen, einen ein Kilometer langen Schlauch mit einem Ballon in die Luft ziehen und zunächst reines Wasser nach oben pumpen.

    "Wenn die Technologie funktioniert – und wir wissen noch nicht, ob sie das tut – dann wäre dies eine günstige Lösung. Das ist der Vorteil. Der Schlauch muss sehr stark sein, hier ist er, den wollen wir für den Ein-Kilometer-Test verwenden. Wir haben den Schlauch im Autozubehörladen gekauft. Man braucht so etwas für die Steuer-Hydraulik. Jeder kann das kaufen."

    Im Moment hat Hugh Hunt allerdings noch ein Problem. Umweltorganisationen haben gegen das Experiment protestiert. Sie fürchten, es könne Politikern als Ausrede dienen, weniger Kohlendioxid einzusparen. Der Versuch sollte im vergangenen Oktober starten, nun warten die Forscher auf die Ergebnisse eines Runden Tischs. Hugh Hunt versteht die ganze Aufregung nicht. Geoengineering, sagt er, sei doch wie eine Feuerversicherung für den Fall, dass das Haus einmal brennt.

    "Man würde niemanden zu seinem Haus rufen, damit er es nur so zum Spaß mit Wasser überschwemmt. Das macht man nur, wenn das Haus in Flammen steht. Ebensowenig würden wir einfach so Partikel in die Stratosphäre pumpen. Das würden wir nur tun, wenn der Planet Feuer fängt und in Gefahr ist."

    Das Feuerlöschen kann allerdings einigen Schaden anrichten. Hauke Schmidt vom Max Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg hat simuliert, wie sich eine künstliche Abschwächung der Sonnenstrahlung auf das weltweite Klima auswirken würde:

    "Was wir dann sehen ist, dass wir dadurch die global gemittelte Temperatur der Erde konstant halten können, dass sich das Klima aber sehr wohl deutlich verändert. insbesondere sehen wir global eine deutliche Reduktion des Niederschlags abhängig vom Modell etwa zwischen drei bis sechs Prozent."

    Über Europa und weiten Teilen Asiens würden sogar zehn bis 20 Prozent weniger Regen fallen – mit katastrophalen Folgen für die Landwirtschaft. Hauke Schmidt hält das Vulkan spielen vorerst für keine gute Idee.

    "Man muss sich auf jeden Fall klar darüber sein, dass man mit dem Geoengineering nicht ein vormals vorhandenes Klima wieder herstellen kann. Das heißt, selbst wenn man einen der Klimaparameter wie zum Beispiel die Temperatur auf ein vorheriges Niveau bringt, verändert man andere Parameter des Klimasystems."

    Das Abdunkeln der Erde ist also keinesfalls ungefährlich. Hauke Schmidt manipuliert das Klima jedenfalls lieber dort, wo er keinen Schaden anrichten kann: Auf dem Computer.