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Klimaarchiv in der Südsee

Paläoklimatologie. - Was die klimatische Zukunft bringen kann, sagen uns nur Computersimulationen oder der Blick in die Vergangenheit. Denn in Sachen Klima hat sich fast alles, was wir befürchten, schon einmal in der Erdgeschichte zugetragen. Deshalb suchen Geowissenschaftler in aller Welt nach Archiven der Klimageschichte, und finden sie im Eis der Polkappen, in den Böden von Meeren und Seen und in den Korallenriffen wie etwa denen um die französische Südseeinsel Tahiti.

Von Dagmar Röhrlich |
    Hoch ragen auf Tahiti die von einem dichten, grünen Pelz umhüllten Berge empor. Am Strand wiegen sich die Palmen im Wind. Das seichte Wasser schimmert wie ein Türkis, und hinter dem weißen Saum der Korallenriffe leuchtet tiefblau das Meer: Tahiti ist das Südseeparadies schlechthin. Aber nicht nur für Maler und Touristen, auch für Geologen ist es ein besonderer Ort, erklärt Gilbert Camoin, Forschungsdirektor des französischen Zentrums für Geo- und Umweltwissenschaften bei Aix-en-Provence:

    "”Tahiti ist für die Klimarekonstruktion im Südpazifik ein zentraler Ort, denn dort entspringen Klima-Anomalien wie etwa El Nino.""

    Im Herbst 2005 lag im Auftrag des internationalen Tiefseebohrprogramms IODP wochenlang ein Bohrschiff nur ein paar hundert Meter vor der Küste Tahitis. Camoin:

    "”Das Ziel der Tahiti-Expedition war es, wirklich schöne Korallenbohrkerne zu bekommen, die uns Auskunft über die Klimaentwicklung in den Tropen geben. Die Kerne decken mit einer unglaublich hohen Auflösung die vergangenen 17.000 Jahre ab, so dass wir den Klimawandel in einem Zeitfenster fast bis zurück in die jüngste Eiszeit rekonstruieren können.""

    Denn Korallen sind so etwas wie ein lebendes Klimaarchiv: Sie registrieren Veränderungen in der Wassertemperatur, im Salzgehalt, in der Chemie des Meerwassers. Camoin:

    "”Die Korallen wachsen etwa einen Zentimeter pro Jahr, und bauen dabei, je nach Umweltbedingungen, unterschiedliche Mengen an Spurenelementen in ihr Kalkskelett ein. Ihre Analyse verrät dann monatsgenau, wie sich die Umwelt verändert hat.""

    Bislang stammen die Daten, wie tropische Meere auf einen schnellen Klimawandel reagieren, von einem Korallenbohrkern von der Insel Barbados. Demzufolge löste in den Tropen der Temperatursprung am Ende der jüngsten Eiszeit einen starken Meeresspiegelanstieg aus. Angesichts des globalen Klimawandels und der vielen Menschen, die heute auf Atollen leben, wäre das ein großes Problem. Aber der Barbados-Bohrkern gilt als schwierig. Camoin:

    "Die Informationen des Barbados-Kerns zum Ende der Eiszeit werden wahrscheinlich stark vom abschmelzenden Inlandeis beeinflusst, denn Nordamerika ist nah und war in der Kaltzeit fast ganz eisbedeckt. Diese Nähe zum Inlandeis könnte die Ergebnisse verzerren. Tahiti hingegen liegt isoliert im Südpazifik, weitab von allen Kontinenten und Eismassen. Dort gab und gibt es keine lokalen Einflüsse. Deshalb lassen sich dort die Prozesse genau untersuchen, die den Meeresspiegelanstieg am Ende der Eiszeit bestimmten."

    Tatsächlich belegen die neuen Bohrkerne, dass der Klimawandel auf Tahiti vollkommen anders ablief als auf Barbados. Während dort das Meer so schnell anstieg, dass die Riffe kaum mithalten konnten, ging in der Südsee alles um den Faktor 100 langsamer. Dieser viel "gemächlichere" Anstieg werde in die Klimamodelle eingearbeitet, erklärt Camoin. Das werde die Prognosen für den durch den Treibhauseffekt zu erwartenden Meeresspiegelanstieg verändern. Aber, so Camoin,

    "”um ein vollständiges Bild des Meeresspiegelanstiegs zu gewinnen, brauchen wir Riffbohrkerne aus allen Weltmeeren. Deshalb bohren wir als nächstes am Great Barrier Reef vor Australien. In Tahiti fehlen uns 3000 Jahre bis zur jüngste Eiszeit, wir bleiben also in der Übergangsphase stecken. Am Great Barrier Reef hoffen wir, mit der Zeitspanne zwischen 17.000 bis 20.000 Jahren die Eiszeit selbst zu erreichen.""

    Nach der Auswertung dieser Bohrkerne wird man wohl klarer sehen, wie schnell oder langsam das Meer auf den Klimawandel reagiert hat.