Zwei Grad mehr – so soll die durchschnittliche Temperatur auf der Erde in den nächsten 50 Jahren ansteigen, prognostizieren Klimaexperten mehr oder weniger einheitlich. Was für diese Zeitdauer jenseits jeglicher Legislaturperioden so unbedeutend erscheint, hat schon heute, jetzt, in diesem Augenblick überall auf der Welt katastrophale Folgen. Denn nicht überall wird der Klimawandel moderat vonstatten gehen – vor allem der Westen der Arktis muss sich an einen Anstieg von acht Grad anpassen. Es ist sicher, dass dabei einige Verluste entstehen werden.
Während der fünfmonatigen Tour hat die sechzehnköpfige Mannschaft einen beeindruckenden Vorgeschmack von den kommenden Veränderungen erhalten, so der Forscher Jean Lemire:
Wir waren auf der Herschelinsel im Beaufortmeer, wo wir ganze Areale ins Meer stürzen sahen, das Schiff mittendrin wie eingeklemmt - wir waren dort Mitte September, wenn normalerweise die erneute Eisbildung einsetzt. Stattdessen blühten überall die Blumen in dieser Art Treibsand, und das Schiff konnte nicht mehr vor noch zurück, wir sanken darin ein, ganz einfach, weil der Dauerfrostboden auftaut und wie ein Schwamm wird – es ist daher absolut unmöglich, darauf zu stehen oder zu gehen.
Dieses Phänomen ist nicht mehr als lokale Erscheinung herunter zu spielen, so der Chef der 11200 Seemeilen, das bedeutet fast 21tausend Kilometer, umfassenden Mission. Auf zahlreichen Forschungstörns hat Jean Lemire erlebt, was der Anstieg des Wasserniveaus für die dort ansässigen Ureinwohner bedeutet:
Ganze Bevölkerungen müssen umziehen. Wir sind einem kleinen Dorf gefolgt, das Schieschmareff heißt, in Alaska. Die 700 Inuit haben damit begonnen, ihr Dorf abzubauen und umzuziehen, denn die Häuser sind auf Pfählen gebaut, die jetzt in den Schlamm einsinken – das ist Schwerstarbeit unter den herrschenden Bedingungen. Aber auch nahe Neuseelands haben wir die Folgen des steigenden Meeresspiegels beobachtet: In Tuvalu ziehen die Bewohner dieses kleinsten Landes der Welt auch alle um, bauen ihre Dörfer ab. Interessant, dass man dasselbe Phänomen an den zwei Extremitäten der Erde sehen kann, das zeigt dass wir eine globale Erscheinung haben, die eine globale Lösung erfordert.
Dramatisch verändert zeige sich ebenfalls die natürliche Nahrungskette, so der Dokumentarfilmer. In der Hudson-Bay bricht die mehr oder weniger stabile Eisdecke mittlerweile fast einen Monat früher in einzelne, flexible Eisformationen auseinander. Das bedeutet weniger Zeit für Seehunde und Robben, ihre Nachkommen sicher auf die Welt zu bringen. Gleichzeitig verkleinert sich dadurch auch das Jagdrevier der Polarbären, deren Einzugsgebiet wandernd zigfach größer ist als schwimmend. Der kanadische Zoologe Jens Sterling prognostiziert, dass bei gleichbleibender Tendenz die Polarbären im Norden der Hudson-Bay aussterben werden. Erste Anzeichen: Ihre Fettschicht wird jedes Jahr dünner. Außerdem beobachte man mehr und mehr, dass die weißen Bären auch Walrösser angreifen, obwohl die eigentlich nicht zu den Beutetieren der zentnerschweren Raubtiere zählen.
Die größten Meeressäugetiere, die Wale, bleiben von dem Hunger der Menschheit nach Energie nicht verschont – von den letzten Grönlandwalen im Osten der Arktis bleiben noch genau 300 Exemplare, schätzen die Experten. Seit Beginn der überdimensionalen Ausbeutung bis zur fast völligen Erschöpfung der Bestände war der immense Fettgehalt interessant für seine Jäger – die Tiere werden bis 20 Meter lang und 100 Tonnen schwer, was der Masse von 17 Elefanten entspricht. Fossile Energien und der aufkommende Markt der alternativen Energien sollten die Nachfrage geschwächt haben. Dennoch findet man in japanischen Supermärkten die Produkte der sogenannten wissenschaftlichen Jagd. Lemire hofft mit der nächsten Mission im Frühsommer den Walfängern zuvor zu kommen und das Rätsel über den Verbleib eines Teils der Grönlandwale zu lösen – je besser wir ihre Aufenthaltsorte kennen, desto besser können wir sie schützen, ist der Frankokanadier überzeugt:
Im Juni legt die Sedna wieder ab, um die letzten Grönlandwale zu erforschen, die sich irgendwo im Atlantik versteckt halten. Man weiß, dass die weiblichen Tiere im Frühling ihre Nachkommen vor Cape Cod gebären, um dann nordwärts in die Bucht von Fundy zu wandern. Dort kommen aber nur zwei Drittel dieser Walpopulation an. Deshalb haben wir eine neue Tour organisiert, zusammen mit dem Aquarium Neuenglands in Boston, deren Ziel darin besteht, dieses geheimnisvolle Drittel aufzuspüren.
Während dieser Wanderung von der Küste des US-Staates Maryland bis in die zwischen den kanadischen Provinzen Neu-Braunschweig und Neuschottland und dem US-Staat Maine gelegene Bay of Fundy verschwindet also ungefähr ein Drittel der Gruppe. In den Archiven der Walfänger haben die Forscher recherchiert, dass 100 Seemeilen vor der Küste Grönlands im Atlantik häufig große Mengen Grönlandwale gefangen wurden – das ist ein erster Anhaltspunkt, um die vermutliche Wanderungsroute der Tiere aufzuspüren. In den aus Deutschland stammenden Dreimaster mit dem 500 PS-Deutz im Heck hat Lemire vollstes Vertrauen: Selbst in der Nord-West-Passage, bei 70 Prozent Eis und nur 30 Prozent Wasser hat der Motor die Umweltabenteurer nicht im Stich gelassen, erzählt Lemire fast liebevoll – und schließlich sei die Sedna ja kein Eisbrecher, sondern ein zu einem High-Tec-Filmstudio umgebauter Motorsegler. Immerhin die Hälfte des Arktistörns hat die Sedna mittels der Segel absolviert. Zwischenzeitlich liegt das Schiff in Vancouver auf dem Trockendock, damit es bis Juni gründlich gewartet und wieder fit ist.
http://www.nfb.ca/sedna
Während der fünfmonatigen Tour hat die sechzehnköpfige Mannschaft einen beeindruckenden Vorgeschmack von den kommenden Veränderungen erhalten, so der Forscher Jean Lemire:
Wir waren auf der Herschelinsel im Beaufortmeer, wo wir ganze Areale ins Meer stürzen sahen, das Schiff mittendrin wie eingeklemmt - wir waren dort Mitte September, wenn normalerweise die erneute Eisbildung einsetzt. Stattdessen blühten überall die Blumen in dieser Art Treibsand, und das Schiff konnte nicht mehr vor noch zurück, wir sanken darin ein, ganz einfach, weil der Dauerfrostboden auftaut und wie ein Schwamm wird – es ist daher absolut unmöglich, darauf zu stehen oder zu gehen.
Dieses Phänomen ist nicht mehr als lokale Erscheinung herunter zu spielen, so der Chef der 11200 Seemeilen, das bedeutet fast 21tausend Kilometer, umfassenden Mission. Auf zahlreichen Forschungstörns hat Jean Lemire erlebt, was der Anstieg des Wasserniveaus für die dort ansässigen Ureinwohner bedeutet:
Ganze Bevölkerungen müssen umziehen. Wir sind einem kleinen Dorf gefolgt, das Schieschmareff heißt, in Alaska. Die 700 Inuit haben damit begonnen, ihr Dorf abzubauen und umzuziehen, denn die Häuser sind auf Pfählen gebaut, die jetzt in den Schlamm einsinken – das ist Schwerstarbeit unter den herrschenden Bedingungen. Aber auch nahe Neuseelands haben wir die Folgen des steigenden Meeresspiegels beobachtet: In Tuvalu ziehen die Bewohner dieses kleinsten Landes der Welt auch alle um, bauen ihre Dörfer ab. Interessant, dass man dasselbe Phänomen an den zwei Extremitäten der Erde sehen kann, das zeigt dass wir eine globale Erscheinung haben, die eine globale Lösung erfordert.
Dramatisch verändert zeige sich ebenfalls die natürliche Nahrungskette, so der Dokumentarfilmer. In der Hudson-Bay bricht die mehr oder weniger stabile Eisdecke mittlerweile fast einen Monat früher in einzelne, flexible Eisformationen auseinander. Das bedeutet weniger Zeit für Seehunde und Robben, ihre Nachkommen sicher auf die Welt zu bringen. Gleichzeitig verkleinert sich dadurch auch das Jagdrevier der Polarbären, deren Einzugsgebiet wandernd zigfach größer ist als schwimmend. Der kanadische Zoologe Jens Sterling prognostiziert, dass bei gleichbleibender Tendenz die Polarbären im Norden der Hudson-Bay aussterben werden. Erste Anzeichen: Ihre Fettschicht wird jedes Jahr dünner. Außerdem beobachte man mehr und mehr, dass die weißen Bären auch Walrösser angreifen, obwohl die eigentlich nicht zu den Beutetieren der zentnerschweren Raubtiere zählen.
Die größten Meeressäugetiere, die Wale, bleiben von dem Hunger der Menschheit nach Energie nicht verschont – von den letzten Grönlandwalen im Osten der Arktis bleiben noch genau 300 Exemplare, schätzen die Experten. Seit Beginn der überdimensionalen Ausbeutung bis zur fast völligen Erschöpfung der Bestände war der immense Fettgehalt interessant für seine Jäger – die Tiere werden bis 20 Meter lang und 100 Tonnen schwer, was der Masse von 17 Elefanten entspricht. Fossile Energien und der aufkommende Markt der alternativen Energien sollten die Nachfrage geschwächt haben. Dennoch findet man in japanischen Supermärkten die Produkte der sogenannten wissenschaftlichen Jagd. Lemire hofft mit der nächsten Mission im Frühsommer den Walfängern zuvor zu kommen und das Rätsel über den Verbleib eines Teils der Grönlandwale zu lösen – je besser wir ihre Aufenthaltsorte kennen, desto besser können wir sie schützen, ist der Frankokanadier überzeugt:
Im Juni legt die Sedna wieder ab, um die letzten Grönlandwale zu erforschen, die sich irgendwo im Atlantik versteckt halten. Man weiß, dass die weiblichen Tiere im Frühling ihre Nachkommen vor Cape Cod gebären, um dann nordwärts in die Bucht von Fundy zu wandern. Dort kommen aber nur zwei Drittel dieser Walpopulation an. Deshalb haben wir eine neue Tour organisiert, zusammen mit dem Aquarium Neuenglands in Boston, deren Ziel darin besteht, dieses geheimnisvolle Drittel aufzuspüren.
Während dieser Wanderung von der Küste des US-Staates Maryland bis in die zwischen den kanadischen Provinzen Neu-Braunschweig und Neuschottland und dem US-Staat Maine gelegene Bay of Fundy verschwindet also ungefähr ein Drittel der Gruppe. In den Archiven der Walfänger haben die Forscher recherchiert, dass 100 Seemeilen vor der Küste Grönlands im Atlantik häufig große Mengen Grönlandwale gefangen wurden – das ist ein erster Anhaltspunkt, um die vermutliche Wanderungsroute der Tiere aufzuspüren. In den aus Deutschland stammenden Dreimaster mit dem 500 PS-Deutz im Heck hat Lemire vollstes Vertrauen: Selbst in der Nord-West-Passage, bei 70 Prozent Eis und nur 30 Prozent Wasser hat der Motor die Umweltabenteurer nicht im Stich gelassen, erzählt Lemire fast liebevoll – und schließlich sei die Sedna ja kein Eisbrecher, sondern ein zu einem High-Tec-Filmstudio umgebauter Motorsegler. Immerhin die Hälfte des Arktistörns hat die Sedna mittels der Segel absolviert. Zwischenzeitlich liegt das Schiff in Vancouver auf dem Trockendock, damit es bis Juni gründlich gewartet und wieder fit ist.
http://www.nfb.ca/sedna