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Klimaerprobte Reben

Agrarforschung. - Einige von Deutschlands berühmten Rebsorten drohen dem Klimawandel zum Opfer zu fallen. So dürfte es in 100 Jahren etwa dem Riesling hierzulande weitgehend zu warm sein. Doch möglicherweise gibt es vielversprechenden Ersatz unter den Rebsorten, die seit Römerzeiten oder dem Mittelalter hier überlebt haben. Ein Rebsortenarchäologe sucht die belastbaren Traubenvarianten.

Von Kay Müllges |
    Wissen Sie was ein blauer Kölner ist? Klar doch, werden Sie sagen. Es ist ja bekannt, das der gemeine Domstädter besonders jetzt, in der fünften Jahreszeit, gerne mal alkoholisiert durch die Straßen seiner Heimatstadt wankt. Die Antwort ist aber falsch, sagt Deutschlands einziger Rebsortenarchäologe Andreas Jung:

    "Der blaue Kölner ist noch ein alter Hausstock gewesen, an der Donau, in der Nähe von Regensburg. Also außerhalb des eigentlichen Kernweinbaugebiets in Franken, sondern eben als Relikt früherer Zeit als Hausstock in Regensburg. Und der Winzer der ihn heute hat, in seinem Garten hat von diesem Hausstock Ableger gemacht und hat die in seinem Garten gepflanzt und davon stammt das Holz."

    Der blaue Kölner ist also eine Rebsorte. Im Mittelalter war die in unseren Breiten weit verbreitet, doch sie galt als seit mehr als 200 Jahren ausgestorben. Der Name hat im Übrigen auch nichts mit der Stadt Köln zu tun, sondern stammt vom ungarischen Wort für schlehenblau ab. Andreas Jung hat die lange vergessene Rebsorte nun wiedergefunden. Gefördert wird sein Forschungsprojekt mit dem etwas sperrigen Titel "Erfassung rebengenetischer Ressourcen" vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Jung:

    "Es geht darum, die alten Rebsorten, die vor 100 oder 200 Jahren in Deutschland noch angebaut wurden, wiederzufinden, weil diese Sorten in Deutschland fast ausgestorben sind, teilweise hab ich sogar Sorten gefunden die tatsächlich ausgestorben waren. Jetzt in Bezug auf die Agenda 21 und den Erhalt der genetischen Vielfalt und auch in Hinblick auf den Klimawandel sind das Sorten, die auch in Zukunft interessant sein könnten."

    Im Verlauf des Projektes konnte Andreas Jung bislang 37 vergessen geglaubte Rebsorten wieder auf spüren. Dabei ist er natürlich auf die Mitarbeit der Winzerinnen und Winzer angewiesen. Die können ihm melden, wenn sie glauben, in ihrem Weinberg verberge sich eine alte, vergessene Rebsorte. Jung fährt dann hin, nimmt den Stock in Augenschein und erstellt gegebenenfalls einen genetischen Fingerabdruck der Rebe. Manche von denen, wie etwa der blaue Kölner, der Adelfränkisch oder auch der Süßschwarz wurden in Deutschland schon vor mehr als 1000 Jahren angebaut. Und sind gerade deshalb heute wieder interessant, meint Andreas Jung.

    "Gerade die 1000jährigen Sorten die haben eine Warmzeit erlebt, die haben die 300jährige kleine Eiszeit erlebt, die haben alle möglichen Klimawirren und ökologischen Änderungen überlebt. Also die sind standorterprobt für unsere hiesigen Breiten. Und diese Sorten in Wiederanbau zu nehmen ist relativ risikolos, weil man eben weiß, wenn sie diese letzten 1000 Jahre überlebt haben, können sie auch jetzt im Weinberg eigentlich nicht viel Schaden anrichten."

    Allerdings stehen einer echten Renaissance der alten Sorten noch viele, nicht zuletzt bürokratische Hürden entgegen. Denn das deutsche Weinrecht behandelt historische Sorten wie Neuzüchtungen. Das heißt sie werden einem komplizierten Zulassungsverfahren unterworfen, das bis zu 15 Jahre dauern kann und für den Winzer mit erheblichen Kosten verbunden ist.