Donnerstag, 28. März 2024

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Klimaforschung
"Energiehunger wird zunehmend durch Kohle gestillt"

Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sind gerade dabei, ihre Energiesysteme stark auszubauen - und zwar mit Kohle, beobachtet der Klimaforscher Jan Steckel. Deutschland müsse verstärkt wieder eine Leuchtturmfunktion einnehmen und helfen, Investitionen in die richtigen Kanäle zu leiten, sagte Steckel im Dlf.

Jan Steckel im Gespräch mit Sandro Schroeder | 09.02.2018
    Qualm kommt aus den Schornsteinen eines Kohlekraftwerks in Dezhou in der ostchinesischen Provinz Shandong.
    Länder wie China investieren noch viel in Kohlekraftwerke (picture alliance / dpa / Da Qing)
    Sandro Schroeder: Die Braunkohleverstromung hat erst dann ein Ende, wenn sie nicht mehr wirtschaftlich sein sollte - das hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer diese Woche in der Lausitz gesagt, und seiner Meinung nach wird dieses Ende der Braunkohle damit frühestens im Jahr 2040 kommen. Das Ende der Kohle wurde zu früh ausgerufen - das sagt auch eine neue Studie, die kommt vom Mercator Forschungsinstitut für weltweite Gemeinschaftsgüter und Klimawandel.
    Am Telefon ist jetzt Jan Steckel. Er ist einer der Koautoren dieser Studie und forscht vor allem zur Rolle von Entwicklungsländern bei der Verminderung des Klimawandels. Hallo, Herr Steckel!
    Jan Steckel: Hallo, Herr Schroeder!
    Schroeder: In Ihrer Studie, da haben Sie zusammengerechnet, welchen Kohlendioxidausstoß die Kohlekraftwerke dieser Welt noch so haben werden, also die bestehenden Kohlekraftwerke, die im Bau befindlichen und die geplanten Kohlekraftwerke, und bei dieser Rechnung, da darf man schon pessimistisch werden, was das Zwei-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen angeht, oder?
    Steckel: Na ja, pessimistisch ist immer relativ gesehen, aber es ist in der Tat so, dass wir finden, dass gerade vor allen Dingen Entwicklungs- und Schwellenländer dabei sind, ihre Energiesysteme stark auszubauen, um ihren steigenden Hunger nach Energie zu stillen, was eigentlich erst mal eine positive Sache ist. Die werden erwachsen, die Menschen kommen raus aus der Armut, aber dieser Energiehunger wird zunehmend durch Kohle gestillt. Das ist insofern ein Problem, denn wenn einmal ein Kohlekraftwerk gebaut ist, dann steht es da in der Regel für mehrere Jahrzehnte und steht dann natürlich nicht nur rum, sondern das generiert auch Energie und damit auch CO2-Emissionen.
    "Investitionen in die richtigen Kanäle leiten"
    Schroeder: Sie haben in Ihrer Studie jetzt vor allem so Länder wie China, Indien, die Türkei und Ägypten ausgemacht, die viel in Kohlekraftwerke noch investieren. Müsste man diesen Ländern jetzt nicht eigentlich sagen, alle Planungen, alle Bauprojekte müssen jetzt sofort gestoppt werden, damit wir den Klimawandel noch verhindern können?
    Steckel: Na ja, ich sehe das ein bisschen kritisch, was können wir diesen Ländern sagen, die ja auch berechtigtes Interesse haben, ihre Energiesysteme auszubauen, und aus ihrer Sicht, also aus Sicht dieser Länder, ist momentan die Kohle das attraktivste Mittel. Was man allerdings sehr wohl machen kann, ist, dass man sagt, gut, was können wir denn hier in Deutschland tun, um diese Länder zu unterstützen, eine andere Entscheidung zu treffen und nicht unbedingt in die Kohle zu investieren, sondern zum Beispiel in emissionsarme, erneuerbare Energien, und da gäbe es durchaus Möglichkeiten, was wir machen könnten.
    Schroeder: Welche Rolle spielen denn dann so Länder wie Deutschland? Was müssten wir vielleicht noch tun, damit wir bei der Kohlekraft nicht so enorme Probleme in der Zukunft bekommen?
    Steckel: Also was Deutschland für eine Rolle spielt, da würde ich zwei Sachen hervorheben: Das eine ist natürlich, dass Deutschland eine sehr große Leuchtturmfunktion hat. Deutschland hat in den letzten Jahren - und das wurde international auch sehr stark wahrgenommen - als großes Industrieland sehr aktiv versucht, die Energiewende voranzutreiben, erneuerbare Energien zu fördern und hat sich auch ein Image erarbeitet als grüner Vorreiter, und natürlich sind solche Leuchttürme extrem wichtig. Mit unserer momentanen Politik und der Tatsache, dass wir weiter die Kohle im System lassen, wackelt dieser Leuchtturm natürlich ganz gewaltig.
    Die zweite Sache, die ich denke, die wichtig ist, ist, was ich eben schon angesprochen habe, die Unterstützung, die Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern in die richtigen Kanäle zu leiten, und hier könnte man sich zum Beispiel vorstellen, dass Deutschland vermehrt vergünstigte Kredite gibt oder auch sich dafür einsetzt, dass Instrumente, wie zum Beispiel der globale Klimaschutzfonds, eingesetzt werden, um eben vermehrt Investitionen in Erneuerbare zu fördern und gleichzeitig die Investitionen in die Kohle aus dem System herauszunehmen.
    Umgang mit denen, die nicht profitieren
    Schroeder: Also kommt uns ja doch eine Vorreiterrolle ein Stück weit zu. Wie sehen Sie denn solche Aussagen wie vom sächsischen Ministerpräsidenten, der dann sagt, die Braunkohleverstromung in Sachsen darf auf keinen Fall vor 2040 enden?
    Steckel: Ich tue mich ein bisschen schwer damit, diese Aussage jetzt konkret zu bewerten. Ich meine, Herr Kretschmer hat natürlich gewisse Interessen als Landesvater, und ich denke, das weist eher auf ein generelles Problem hin, dass wir nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt haben, wenn wir solche Energietransformationen vorantreiben wollen, und das ist die Frage, wie gehen wir eigentlich mit den Menschen und Parteien um, die von diesen Transformationen, die auf der einen Seite wichtig sind, um Klimaschutzziele zu erreichen, aber auf der anderen Seite natürlich auch Verlierer generieren würden, Verlierer, die zum Beispiel ihre Jobs verlieren oder auch gegebenenfalls - das ist jetzt in Deutschland nicht unbedingt das Problem, aber in anderen Ländern - die Energiekonsumenten, die gegebenenfalls höhere Preise zahlen müssten oder, oder, oder. Ich denke, es ist wichtig, sich hier ehrlich und intensiv damit auseinanderzusetzen, welche Ausgleichsprogramme es denn jetzt zum Beispiel geben könnte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.