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Klimaforschung in der Eifel

Seit 20 Jahren werden Fichtenmonokulturen in der Eifel wieder in Laubwälder umgewandelt. Forscher untersuchen, wie sich die Renaturierung auf ein komplexes Ökosystem auswirkt, und haben dabei besonders das Klima im Auge.

Von Marieke Degen | 10.04.2007
    Das Wüstebach-Areal an der deutsch-belgischen Grenze: Der Wüstebach schlängelt sich den Hang entlang, Wissenschaftler stapfen durchs Unterholz. Vor drei Jahren wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt. Die Schützengräben und Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg sind längst zugewachsen, die Fichten mittlerweile 25 Meter hoch. Nun sollen sie weg, erklärt Gert Ahnert, Dezernent für Waldentwicklungsmaßnahmen vom Nationalpark Eifel:

    "Ich hole am liebsten ein bisschen weiter aus und weise darauf hin, dass durch menschlichen Einfluss hier die Natur sehr stark verändert ist. Und einfach die Natur jetzt sich selbst zu überlassen, würde dazu führen, dass weitere 80 Jahre, vielleicht auch noch zwei-, dreimal 80 Jahre Fichtengenerationen, also wieder reine Fichtenbestände, auf diesen Buchenstandorten stehen würden."

    Die Nationalparkverwaltung will die Fichten abholzen und Laubbäume pflanzen. Seit 20 Jahren werden so Fichtenmonokulturen in der Eifel wieder in Laubwälder umgewandelt. Zum ersten Mal jedoch sind Forscher mit dabei. Sie wollen untersuchen, wie sich die Renaturierung auf ein komplexes Ökosystem wie das Wüstebachgebiet auswirkt, wie sich der Nährstoffgehalt in Bach und Boden verändert, die Fließgeschwindigkeit des Wassers und vor allem das Klima. Auf dem Boden zwischen Nadeln, Moos und Zapfen sind Messgeräte vergraben, grüne Ringe, Metallstäbe und Plastiktrichter, eine Wetterstation ragt zehn Meter in die Höhe:

    "Ganz oben haben Sie zum Beispiel einmal einen Windgeschwindigkeitsmesser, Windrichtungsgeber, Luftfeuchte, Lufttemperatur, das Ganze wiederholt sich dann hier noch mal in zwei Metern Höhe. Und dann haben wir hier noch mal auf der Bodenoberfläche auch noch einige Messsensoren, auch wieder Temperatur, dann wird die Wärmeleitfähigkeit gemessen, dahinten haben wir in 1,50 Meter Höhe ein Einstrahlungsmessgerät, und dann in ein Meter Höhe einen Regenmesser","

    sagt Thomas Pütz vom Forschungszentrum Jülich. Pütz interessiert sich vor allem für Kohlendioxid im Waldboden. Das Treibhausgas wird von den Bäumen aufgenommen und in Fichtennadeln oder Zapfen gespeichert. Im Waldboden werden sie dann von Mikroorganismen zersetzt. Dabei kommt auch ein Teil des Kohlendioxids wieder frei. Wie viel, das misst Pütz an grünen Ringen, die aus dem Boden ragen. Sie sind die Andockstationen für ein Kohlendioxid-Messgerät:

    ""Das Brummen ist eine Pumpe, und diese Pumpe saugt kontinuierlich das Gas aus dem Raum raus, und da wird dann Gas aus dem Boden herausgezogen, und da messen wir jetzt CO2. Der Punkt ist ja der, wir produzieren CO2 in großen Maßen, indem wir eben fossile Brennstoffe umwandeln zur Energienutzung und dabei CO2 freisetzen. Und es ist eine wichtige Größe, ob der Boden als Puffer für CO2 in Form von organischem Kohlenstoff fungiert. Sie sehen es selber, wenn Sie hier drüber gehen, ist es hier richtig schön weich, man läuft wie auf einem dickflorigen Teppich, wenn man jetzt hier Bäume entnehmen würde, würde diese organische Substanz auch noch mal umgesetzt, das heißt, das würde noch zusätzlich zu dem fossilen CO2 freigesetzt werden."

    Wenn die Fichten abgeholzt sind, knallt die Sonne ungehindert auf den Waldboden. Die Wärme kurbelt den Stoffwechsel der Mikroorganismen an. Sie zersetzen mehr Pflanzenmaterial und geben mehr Kohlendioxid aus dem Boden ab:

    "Und man muss jetzt eben schauen, ob das eine geeignete Maßnahme ist, diese Waldumstrukturierung, um Wald neu zu gestalten, oder ob das noch zu einer zusätzlichen Belastung des Klimas durch CO2 kommt."

    Umweltforscher schätzen, dass weltweit 1500 Gigatonnen Kohlendioxid in Böden gespeichert sind. Durch Waldrodungen könnten etwa 60 Gigatonnen pro Jahr freigesetzt werden, das ist zehnmal mehr als durch fossile Brennstoffe. Die Ergebnisse aus dem Wüstebachgebiet sollen helfen, Modellrechnungen in der Klimaforschung zu präzisieren.

    Die Forschung im Wald hat auch ihre Tücken. So dürfen die Wissenschaftler zum Beispiel nur mit Metalldetektoren graben, um nicht auf Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg zu treffen. Einmal im Monat fahren Pütz und seine Kollegen aus Jülich zur Station, um die Daten auf Notebooks zu überspielen. In der Zwischenzeit kümmern sich Nationalpark-Ranger um die Station. Sie tauschen Batterien aus oder befreien Trichter von Fichtennadeln. Der Nationalpark profitiere enorm von dieser Zusammenarbeit, sagt Gert Ahnert:

    "Erstmals wird ein Status festgehalten. Wie ist es jetzt, und was passiert im Detail, wenn die Fichten weg sind? Wir haben Einzelaspekte schon immer gewusst, das Wasser kann wärmer werden, die Lebewesen im Bach nehmen zu, aber es wird noch viele andere Dinge geben, es wird sehr viel mehr passieren als wir glauben und wissen, und deshalb ist diese Flut an Daten, die hier gesammelt wird, für uns ganz besonders spannend."